Ergo: Brutale Notbremse bei Wohngebäudepolicen

Die Ergo-Versicherung hat bei Wohngebäudepolicen eine harte Notbremsung eingelegt, um weitere Verluste zu vermeiden. Rund 120.000 Kunden haben eine Änderungskündigung erhalten, wie das Unternehmen auf Anfrage bestätigt. Die Aktion ist ungewöhnlich. Brancheninsider geben sich hinsichtlich der öffentlichen Wirkung auf die Branche entsetzt. "Ich habe gedacht, sind die den irre", so der für die Wohngebäudeversicherung zuständige Mitarbeiter eines süddeutschen Versicherers.

Fast 22 Prozent der Immobilienkunde der Ergo, die vor 2006 einen Vertrag abgeschlossen haben, sind von der Kündigungsaktion betroffen. Die Umstellungsaktion läuft seit drei Monaten. Im Schnitt sollen die Kunde 14 Prozent mehr zahlen. Damit würde sie aber zusätzlichen Schutz gegen Elementargefahren erhalten. Teilweise müssen die Kunden, wenn sie in ungünstigen Elementarschadenzonen wohnen, aber auch 100 Prozent mehr zahlen, bestätigt der Versicherer. Außerdem sehen die neuen Verträge eine Selbstbeteiligung (SB) von 500 Euro pro Schadenfall vor. Der SB schmilzt bei schadenfreiem Verlauf in fünf Jahren ganz ab.

Hohe Schaden-Kosten-Quote
Insgesamt hat die Ergo in der Wohngebäudeversicherung 2012 einen versicherungstechnischen Verlust von 40 Millionen Euro hinnehmen müssen. Die Schaden-Kosten-Quote lag bei 119 Prozent. Das liegt deutlich über dem Marktschnitt, der laut dem Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) 2012 lediglich bei 103 Prozent lag. Damit ist die Sparte aber allgemein in den roten Zahlen, obwohl marktweit die Beiträge im vergangenen Jahr um rund sechs Prozent angehoben wurden.

Die Branche befindet sich in einem großen Dilemma. "Der überwiegende Teil aller Wohngebäudepolicen ist ohne eine Beitragsanpassungsklausel, die auf starke Veränderungen beim Schadenverlauf reagieren kann", erläutert Dietmar Drechsel von der Huk-Coburg. Der Versicherer selbst hat eine entsprechende Klausel für das Neugeschäft erst im Jahre 2000 eingeführt, aber bisher nie von ihr Gebrauch gemacht.

Sanfter Druck auf Kunden bei der Konkurrenz
Auch andere große Anbieter, wie die Öffentlichen Regionalversicherer oder die Allianz dürften noch einen sehr geringen Bestand mit Schadenanpassungsklausel haben. Das bestätigt die Provinzial Düsseldorf. Der Regionalversicherer selbst hat hingegen seine Bedingungen schon 1997 umgestellt und kann so, wie kaum ein anderer Anbieter am Markt relativ einfach erhöhte Schadenaufwendungen an seine Kunden weitergeben. So hat das Unternehmen Anfang des Jahres 2013 deutlich höhere Beitragseinnahmen durchsetzen können. Die Einnahmen stiegen um über 36 Prozent. Fast 80 Prozent entfielen auf Beitragserhöhungen. "Bei sehr geringer Stornoquote", heißt es bei der Provinzial Düsseldorf. Zwar haben die Kunden auch bei einer Erhöhung über die Beitragsanpassungsklausel ein Sonderkündigungsrecht. Doch hier müssen die Kunden selbst aktiv werden und ihren Versicherer verlassen, während Änderungskündigungsaktion von den Kunden vielfach sehr negativ als Rauswurf verstanden werden.

Anscheinend verzichten andere große Wohngebäudeversicherer aber auf solche Kündigungsaktionen. "Wir haben in ähnlicher Form im vorigen Jahr unsere Wohngebäudeversicherung saniert", sagt Bernd Engelien von der Zurich Versicherung. Die Aktion sei aber weitgehend abgeschlossen. "Der überwiegende Teil der Kunden ist uns trotzdem treu geblieben", so Engelien. Andere Versicherer überreden ihre Kunden "sanft" durch Vermittler zu neuen Verträgen. Solche Aktionen sind natürlich deutlich aufwändiger, als eine generelle Kündigung. Laut Experte Drechsel ist der Wohngebäudeschutz heute moderner. So wären beispielsweise Photovoltaik-Anlagen mitversichert. Auch Schäden durch grob fahrlässiges Verhalten wird in vielen neueren Bedingungen umfassend mitversichert.


Ergo-Aktion nur negativ
Die Aktion der Ergo könnte nach Einschätzung von Experten zum Bumerang werden. "Kunden ohne Vorschäden oder mit renovierten Häusern dürften leicht anderweitigen Versicherungsschutz für ihre Immobilien erhalten", schätzt Huk-Coburg-Mann Drechsel. Demgegenüber müssten "schlechte" Risiken wohl oder übel bei der Ergo bleiben. Unter dem Strich drohe so die Sparte, noch weiter in die roten Zahlen zu fahren. Zudem dürfte die Aktion das Image der Ergo weiter geschädigt haben.

Bild: © Rainer Sturm/

Autor(en): Uwe Schmidt-Kasparek

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