Gehaltsgefälle im Vertrieb

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"Wer andere versichert, verdient viel", so Spiegel Online in einem Bericht über Einstiegsgehälter in der Versicherungswirtschaft. Dabei gibt es deutliche Unterschiede zwischen Angestellten und Selbstständigen.

Die Versicherungswirtschaft zahlt vergleichsweise hohe Gehälter. Dies gilt schon für Auszubildende, aber auch die Beschäftigten, deren Durchschnittsgehälter allenfalls noch leicht unter den Banken liegen. So verdienen laut den sozialstatistischen Daten des Arbeitgeberverbands der Versicherungswirtschaft (AGV) Auszubildende durchschnittlich 929 Euro im Monat, das sind nur neun Euro weniger als Bank-Auszubildende, aber deutlich mehr als die meisten anderen Branchen.

Angestellte verdienen mehr als Selbstständige
Vollzeitangestellte einschließlich der Leitenden Angestellten kommen auf durchschnittlich 5.639 Euro Monatsgehalt, das sind knapp 68.000 Euro im Jahr. Bankangestellte erhalten durchschnittlich 140 Euro im Monat mehr. Im Einzelhandel werden dagegen beispielsweise nur knapp über 3.000 Euro im Monat gezahlt. Diese Zahlen sind inklusive Sonderzahlungen zu verstehen.

Bemerkenswert sind diese Zahlen im Vergleich zu selbstständigen Versicherungsvermittlern. Diese erreichen beispielsweise laut der Studie "Vermittler-Pisa" im Durchschnitt einen Gewinn aus Gewerbebetrieb von 64.000 Euro im Jahr.

Lohnnebenkosten vergrößern das Gehaltsgefälle
Der Vergleich zeigt allerdings noch nicht die volle Wahrheit. Denn Angestellte verursachen ihren Arbeitgebern zusätzliche Kosten. Der AGV schlüsselt auch diese auf und kommt - hier für das Jahr 2012 - auf stolze 108 Prozent, die auf das Bruttogehalt (ohne Sonderzahlungen) aufzuschlagen sind.
Mit rund 24 Prozent den größten Anteil davon haben die Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung.

Selbstständige müssen ihre Vorsorge wie unter anderem Renten- und Krankenversicherung aus dem oben genannten Gewinn aus Gewerbebetrieb bestreiten. Mit fast 23 Prozent schlagen zudem Sonderzahlungen zu Buche, vor allem tarifvertraglich oder betrieblich zugesagte Weihnachts- und Urlaubsgelder. Diese sind in den oben genannten Durchschnittsverdiensten bereits enthalten. Nicht enthalten sind dagegen beispielsweise knapp 17 Prozent Zusatzkosten für die betriebliche Altersvorsorge. Auch der Vorruhestand und zahlreiche weitere Sozialleistungen kosten extra.

Vor diesem Hintergrund zeigt sich ein erheblich höheres Einkommensgefälle zwischen angestellter und selbstständiger Tätigkeit in der Branche, als es der reine Vergleich der Gehälter und der Gewinne zeigt. Dabei sind noch nicht einmal die höheren Gewinnerwartungen berücksichtigt, die ein Selbstständiger aufgrund seines Unternehmerrisikos haben sollte.

Einstieg im angestellten Vertrieb wird vergoldet
Laut Spiegel Online liegen die durchschnittlichen Einstiegsgehälter im (angestellten) Vertrieb bereits bei stolzen 58.500 Euro im Jahr. Damit ist dieser Bereich im Vergleich selbst zur Versicherungsmathematik am besten bezahlt. Auch wenn die dort zitierte Untersuchung vor allem akademisch vorgebildete Berufseinsteiger betrifft, fragt sich doch, welche Wertigkeit die Versicherungsunternehmen selbst ihren selbstständigen Partnern im Vergleich zu den Angestellten beimessen.

Die Zahlen deuten an, dass die Versicherungsbranche noch einen sehr weiten Weg des Strukturwandels vor sich hat. Denn eigentlich müsste es schon rein finanziell attraktiv sein, schnellstmöglich in den direkten Kundenkontakt im Vertrieb und damit - traditionell jedenfalls - in die Selbstständigkeit als Vertreter oder als Makler zu gelangen. Der Einstieg im angestellten Vertrieb sollte allenfalls eine Vorbereitung darauf sein, später Fach- oder Führungsaufgaben an der für Versicherer existenziell wichtigen Schnittstelle zum Kunden zu übernehmen.

Noch scheint dem aber entgegenzustehen, dass Versicherungen weniger als Dienstleistung am Kunden als vielmehr - klassisch güterwirtschaftlich geprägt - als Produkte verstanden werden, die im Versicherungsunternehmen ersonnen und "gebaut" werden, um sie dann massenhaft über Vertreter und Makler unter das Kundenvolk zu bringen. So lange dieses Verständnis vorherrscht, und unter anderem die Vergütungs- und Anreizstrukturen dieses Verständnis unterstützen, braucht sich die Versicherungswirtschaft über ihre Probleme in der öffentlichen Wahrnehmung nicht zu wundern. Wie gesagt - es ist noch ein weiter Weg hin zu kunden- und marktgerechteren Strukturen.

Bildquelle: © Picscout picturealliance

Autor(en): Matthias Beenken

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