Branche bildet immer weniger aus

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Vor allem dem Vertrieb gehen immer mehr die Nachwuchskräfte, wenn man die Zahlen des Berufsbildungswerkes der Deutschen Versicherungswirtschaft (BWV) analysiert. Der Strukturwandel ist damit im vollen Gange.
(Bild: © Meris Neininger)


Nach dem aktuellen Geschäftsbericht 2013 des Bildungsverbands der Versicherungsbranche ist die Zahl der Teilnehmer an den Sachkundeprüfungen für Versicherungsvermittler stark rückläufig.

Immer weniger Sachkundeprüfungen
Zwar gab es im Jahr 2008 einen nicht repräsentativen Ausschlag mit über 14.000 Teilnehmern und rund 9.400 bestandenen Prüfungen, das lag aber an einem Nachholeffekt. Denn viele zu dem Zeitpunkt bereits tätigen Vermittler mussten nach dem Inkrafttreten des Vermittlergesetzes und dem Ablauf der darin vorgesehenen Übergangsregelungen einen Sachkundenachweis vorweisen. Betroffen waren alle, die nicht bereits mindestens seit dem 31.8.2000 ununterbrochen in der Vermittlung tätig waren (so genannte Alte Hasen).

Doch im Jahr 2013 verzeichnete das BWV nur noch 5.858 Teilnehmer und 4.316 bestandene Sachkundeprüfungen. Damit dürfte es schwer sein, frei werdende hauptberufliche Agenturen und Maklerbetriebe neu zu besetzen. So gibt es laut einer Versichererbefragung vom vergangenen Jahr und der darauf basierenden Hochrechnung wohl rund 96.000 hauptberufliche Versicherungsvermittlerbetriebe. Grob geschätzt dürfte jedes Jahr ein Bedarf von einem Zehntel und damit knapp 10.000 Personen bestehen, die sich der Ausbildung und Prüfung unterziehen und eine Existenz gründen, um die bestehenden Betriebe übernehmen und erhalten zu können.







Prüflinge sind im Schnitt bereits 32 Jahre alt
Denn zum einen muss man von einer hohen Frühfluktuation ausgehen. Bei weitem nicht jeder Bewerber kann sich im selbstständigen Versicherungsverkauf durchsetzen. Selbst bei sorgfältiger Bewerberauswahl ist es sicher nicht zu hoch gegriffen, wenn man von einem Ausscheiden mindestens jeden zweiten Neustarters in den ersten beiden Jahren ausgeht. Die verbleibenden Vermittler werden ebenfalls auf keine Tätigkeitszeiten kommen, wie sie für Angestellte typisch sind. So sind die Prüflinge nach den im BWV-Bericht erfassten Angaben der Industrie- und Handelskammern im Schnitt bereits 32 Jahre alt, haben also in der Regel bereits eine anderweitige Berufskarriere hinter sich.

Auch Ausbildung rückläufig
Der Rückgang lässt sich auch nicht mit einer besseren Auswahl der Vermittler begründen. Hierfür ist die Bestehensquote der Prüflinge ein Hinweis. Die hat sich zwar leicht verbessert, bewegt sich aber seit dem Abklingen des Sondereffekts kurz nach Inkrafttreten des Vermittlergesetzes auf einheitlich hohem Niveau um 73 Prozent herum.
Die Zahlen für die Versicherungsfachleute-Prüfungen wären zudem weniger besorgniserregend, wenn im Gegenzug andere, höherwertige Ausbildungsgänge und Prüfungen ausgebaut würden. Doch auch bei der Berufsausbildung zu Kaufleuten für Versicherungen und Finanzen zeigt sich kein solcher positiver Trend. Die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge ist im Jahr 2013 auf 5.284 gesunken, das sind rund 5,5 Prozent weniger als ein Jahr zuvor. Gegenüber dem Jahr 2009 mit knapp 6.000 neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen beträgt der Rückgang mehr als elf Prozent.

Die Zahlen sind vielmehr ein Indiz für den fortschreitenden Strukturwandel in der Branche. Offensichtlich gelingt es nicht mehr, ausreichend Bewerber zu gewinnen. Viele Vermittlerbetriebe werden deshalb in aller Stille abgewickelt oder zusammengelegt werden müssen.

Ist die Branche fortbildungsmüde?
Bemerkenswert ist, dass selbst die renovierte und stärker auf die Bedürfnisse des Vertriebs angepasste Fortbildung zu Fachwirten für Versicherungen und Finanzen rückläufige Tendenz zeigt. Nach den Zahlen des BWV ist die Teilnehmerzahl 2013 um gut elf Prozent auf 3.093 gefallen. Damit deutet sich an, dass der Nachholeffekt abebbt, der dadurch entstanden ist, dass Teilnehmer nicht mehr in die alte Versicherungsfachwirte-Fortbildung, sondern in die seit 2009 neugeordnete Form einsteigen wollten. Allerdings steigt aktuell noch leicht die Zahl der Prüfungen auf zuletzt 1.087, aber das ist vom früheren Niveau im Versicherungsfachwirt immer noch deutlich entfernt, so wurden 2007 zum Beispiel noch knapp 1.400 Fachwirteprüfungen verzeichnet.

Insgesamt muss sich die Versicherungsbranche die Frage stellen, woher der doch dringend benötigte, qualifizierte Nachwuchs an den wichtigen Schnittstellen der Unternehmen zu ihren Kunden und damit vor allem im selbstständigen Vertrieb kommen soll. Die aktuellen Zahlen deuten eher einen beginnenden Rückzug aus der Fläche an.

Autor(en): Matthias Beenken

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