Pensionsverpflichtungen leiden unter niedrigen Zinsen

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Die Niedrigzinsphase hat bei deutschen Pensionseinrichtungen deutliche Spuren hinterlassen. Im ersten Quartal 2015 schnellten die Pensionsverpflichtungen der Dax-Konzerne auf 424,9 Milliarden Euro, nachdem der Rechnungszins auf 1,47 Prozent eingebrochen war. Seit April erholen sich die Parameter wieder. Zu diesem Ergebnis kommen jedenfalls Modellberechnungen von Towers Watson.

Die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) wirkt sich massiv auf die Pensionsverpflichtungen deutscher Unternehmen aus. Von Januar bis März kletterten die Verpflichtungen der Dax-Konzerne um 14,1 Prozent auf 424,9 Milliarden Euro, zeigt die Hochrechnung des Dax-Musterplans. Auch die Pensionsverpflichtungen der MDAX-Unternehmen verzeichneten ein Plus von 14 Prozent auf 69,9 Milliarden Euro. Damit setzte sich der Vorjahrestrend im ersten Quartal 2015 fort.

Rechnungszins auf 1,47 Prozent eingebrochen
Grund für diesen steilen Anstieg war der Verfall des Rechnungszinses. Dieser ist maßgeblich für die Berechnung der Pensionsverpflichtungen aus den künftig zu erwartenden Auszahlungen an die Betriebsrentner. Im ersten Quartal war der Rechnungszins um 68 Basispunkte auf 1,47 Prozent eingebrochen, konnte sich im Jahresverlauf aber auf 2,42 Prozent (Q2) beziehungsweise 2,33 Prozent (Q3) erholen.

"Mit ihrem 'Quantitative Easing' hat die EZB den Rechnungszins nach unten gedrückt, was die Kosten für die betriebliche Altersversorgung zwangsläufig erhöht", erklärt Dr. Thomas Jasper, Leiter Retirement Solutions bei Towers Watson, die Entwicklung von Januar bis März.

Tatsächlich gingen die Pensionsverpflichtungen durch den Anstieg des Rechnungszinses im zweiten Quartal auf 353 Milliarden Euro (Dax) beziehungsweise 58,1 Milliarden Euro (MDAX) zurück. Im dritten Quartal blieben sie nahezu konstant: Zum 30. September lagen die Verpflichtungen der deutschen Large Caps und Mid Caps bei 353,8 Milliarden Euro beziehungsweise 58,3 Milliarden Euro, so die Studie.

Ausfinanzierungsgrad: nur eine Momentaufnahme
Das Niedrigzinsumfeld und die damit steigenden Pensionsverpflichtungen haben im ersten Quartal zu einem deutlich geringeren Ausfinanzierungsgrad von Pensionsplänen geführt. Der Ausfinanzierungsgrad zeigt das Verhältnis von Pensionsverpflichtungen undden Finanzmitteln, die zu ihrer Erfüllung zurückgestellt werden. Die GPFW kommt zu dem Schluss, dass die Planvermögen im Dax per 31. März einen Ausfinanzierungsgrad von nur 56,7 Prozent erreichten - ein Rückgang um 4,5 Prozentpunkte gegenüber 31. Dezember 2014. Bei den MDAX-Planvermögen fiel das Minus mit 3,3 Prozentpunkten auf 45,3 Prozent etwas moderater aus.

"Im Mittelstand ist der Ausfinanzierungsgrad traditionell geringer“, so Jasper. "Allerdings ist diese Kennzahl nur eine Momentaufnahme des Drucks, den die niedrigen Zinsen zum Stichtag auf die Pensionsverpflichtungen ausüben." Von April bis Juni stieg die Quote auf 65,1 Prozent (Dax) beziehungsweise 51,9 Prozent (MDAX), um von Juli bis September wieder leicht zu sinken. Unterm Strich bleibt die Zwischenbilanz positiv: Zum 30. September war der Ausfinanzierungsgrad um drei Prozent (Dax) beziehungsweise 2,7 Prozent (MDAX) gestiegen.

Hintergrundinformationen
Dem German Pension Finance Watch liegen Benchmark-Pensionspläne mit unterschiedlichen Ausfinanzierungsgraden zugrunde. Ein Musterplan (100-Prozent-Plan) stützt sich auf ein Szenario, bei dem die Pensionslasten von Unternehmen zum Stichtag 31. Dezember 2003 voll mit extern angelegtem Vermögen unterlegt waren. Zwei weitere Musterpläne (Dax- bzw. MDAX-Plan) zeichnen die durchschnittliche Entwicklung bei Pensionsverpflichtungen und Kapitaldeckung der Unternehmen in dem jeweiligen Börsenindex nach. Analysiert werden die aktuellen Entwicklungen auf der Verpflichtungsseite sowie die Erträge der für Pensionsverpflichtungen reservierten Kapitalanlagen.

Pensionsverpflichtungen in der Praxis
Die Pensionsverpflichtungen umfassen den Wert der Leistungen, insbesondere Rentenzahlungen, die Unternehmen an ihre aktuellen und künftigen Betriebsrentner zu leisten haben. In den Bilanzen werden die künftigen Zahlungen mit dem Wert erfasst, den das Unternehmen heute zahlen müsste (Barwert), wenn es die Verpflichtung sofort vollständig ausfinanzieren wollte.

Der heutige Gegenwert der Verpflichtung (Barwert) wächst durch Zins und Zinseszins bis zum Auszahlungsdatum auf die Höhe des versprochenen Auszahlungswerts an. Dabei orientiert sich der Zinssatz an der Umlaufrendite von Anleihen guter Bonität (Rechnungszins).
Ändert sich diese Umlaufrendite, ändert sich auch der für die Berechnung des Barwerts zugrunde zu legende Zinssatz. In der Folge ändert sich auch der in der Bilanz anzusetzende heutige Gegenwert der Pensionsverpflichtungen – er steigt, wenn der Rechnungszins sinkt bzw. er sinkt, wenn der Rechnungszins steigt. Der Betrag der für die Zukunft zugesagten Rentenzahlung ändert sich dadurch aber nicht.

Hierzu ein Rechenbeispiel:
Ein Unternehmen sagt einem heute 55-jährigen Mitarbeiter zu, ihm bei Rentenbeginn mit 65 Jahren einmalig ein Kapital in Höhe von 10.000 Euro auszuzahlen. Bei einem Rechnungszins von 6 Prozent müsste es heute hierfür (unter der Annahme, dass die Leistung mit Sicherheit nach zehn Jahren abgerufen wird) eine Zahlungsverpflichtung in Höhe von 5.584 Euro in seiner Bilanz ansetzen. Beträgt der Rechnungszins hingegen nur niedrigere vier Prozent, müsste es einen deutlich höheren Verpflichtungsumfang (6.756 Euro) angeben. Trotz der unterschiedlichen Verpflichtungsangaben in der Bilanz lautet das künftige Zahlungsversprechen weiterhin auf 10.000 Euro.

Zusätzlich fließen – je nachdem, ob das Unternehmen seinen Mitarbeitern beispielsweise eine lebenslange Rente oder eine einmalige Kapitalzahlung im Ruhestand versprochen hat – weitere Faktoren, wie etwa die statistische Lebenserwartung, in die Berechnung ein.

Textquelle: Towers Watson; Bildquelle: © 3d designs / fotolia

Autor(en): versicherungsmagazin.de

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