Schleppendes Neugeschäft: PKV-Vertrieb muss gegensteuern

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Die Politik hat das Thema Gesundheitspolitik und insbesondere die PKV 2015 nahezu ausgeklammert. Kurzfristig sind aus gesetzlicher Richtung also weder zusätzliche Belastungen noch sinnvolle Weiterentwicklungen zu erwarten. Doch diverse Aufgaben sind doch noch zu stemmen, meint Stefan Bause, Director bei Towers Watson.

So sind nach Auffassung der internationalen Unternehmensberatung in diesem Kontext die wichtigsten Themen - nicht nur für 2016:


Das Neugeschäft: Der jüngste Towers Watson Vertriebswege-Survey zeigt: Das Neugeschäft in der PKV ist 2014 erneut um zehn Prozent gesunken. Unisex-Tarife und die gleichzeitige Senkung des Rechnungszinses haben die Beiträge sowohl für Männer als auch für Frauen deutlich ansteigen lassen. Damit ist das früher wichtige Verkaufsargument eines Beitragsvorteils gegenüber der GKV de facto verschwunden. Zugleich fehlen Ansätze für Produktinnovationen, die das Neugeschäft beflügeln könnten.

Der Bestand:
Von 2010 bis 2014 betrug der Ausgabenanstieg je Versichertem in Deutschland etwa 15 Prozent, so der PKV-Zahlenberichten 2010 bis 2014. Das erzeugt Beitragssteigerungen für viele Privatversicherte, die deutlich über den Lohnsteigerungen liegen dürften.

Das Niedrigzinsumfeld:
Was in der Lebensversicherung schon stärker sichtbar ist, wird auch die PKV auf breiter Front treffen: Es wird stärkere Rechnungszinsabsenkungen geben als bisher – zum Problem wird das für ältere Bestandskunden, die mit spürbaren Beitragsanpassungen rechnen müssen. Für jüngere Versicherte fehlen dagegen Zinsgewinne, die bisher zum Aufbau von individuellen Reserven für das Alter angespart wurden.

Kränkelndes Neugeschäft und Möglichkeiten, dies zu ändern
In erster Linie müssen sich die PKV-Unternehmen also fragen, wie sie die notwendigen Beitragsanpassungen für Bestandskunden in einem erträglichen Rahmen halten können. Ein Blick auf das kränkelnde Neugeschäft zeigt außerdem, dass sie potenziellen Neukunden bislang kein zukunftssicheres Versicherungsprodukt zu bieten haben. Doch das muss nicht so bleiben.

Kapitalanlagestrategien im Niedrigzinsumfeld:
Eine Senkung des Rechnungszinses wird sich mittelfristig bei allen Krankenversicherern ergeben – je nach bestehender Kapitalanlage und Neuanlagevolumen wird dies bei einigen früher und stärker der Fall sein als bei anderen. Diese Entwicklung lässt sich nur mit mittel- und langfristigen Kapitalanlagestrategien beeinflussen: Die ideale Gewichtung von Aktien? Alternative Investments? Oder Kapitalanlagen in Infrastruktur?

Um solche Überlegungen fundiert analysieren zu können, sind detaillierte Asset-Liability-Management (ALM) -Berechnungen notwendig. Diese Ansätze sind in der Lebensversicherung – nicht aber in der Krankenversicherung – schon lange Standard. Aber: Immer mehr Unternehmen haben sich in den letzten Jahren intensiv mit ALM-Berechnungen beschäftigt und sind bereits in der Lage, obige Fragestellungen für sich zu bewerten.

Neugeschäft – Transparenz über Qualität und Stabilität
Bis auf wenige Ausnahmen ist insbesondere das Neugeschäft in der Vollversicherung bei fast allen Gesellschaften eingebrochen. Transparenz und die Abgrenzung von der breiten Masse werden immer wichtiger, um Neukunden zu gewinnen. Im Fokus einer transparenten Kommunikation sollten die Beitragsstabilität in der PKV sowie die Qualität ihrer Leistungen stehen. Dies macht aber auch angepasste Vertriebsansätze notwendig: Möglichkeiten, etwa die konsequente Ausrichtung auf eine spezielle Zielgruppe oder die stärkere Ausrichtung auf Zusatzversicherungen, sind vorhanden – der Vertrieb muss dementsprechend gesteuert werden.

Auch in der November-Ausgabe von ist die PKV ein wichtiges Thema. Unter der Überschrift "Beratungspflichten beim Wechsel in die PKV" wird der Leser dafür sensibilisiert, wass passiert, wenn ein älterer Kunde mit geringer Rentenerwartung zum Wechsel in die private Krankenversicherung veranlasst wird. Und dafür, dass Versicherer und Vertreter für diesen Rat haftbar sein können:

"Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm (20 U 116/13) hatte zu entscheiden, welchen Anforderungen der Rat eines Vertreters genügen muss, der dem Kunden zum Wechsel in die private Krankenversicherung (PKV) rät. Der klagende Kunde begehrte zuletzt die Feststellung, dass Versicherer und Vertreter ihn gesamtschuldnerisch so zu stellen haben, als hätte er nicht unter Kündigung seiner gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) eine PKV geschlossen. Dabei sollten Vertreter und Versicherer ihm ab dem Rentenalter gegebenenfalls entstehende Mehrkosten Zug um Zug gegen die Erklärung zu erstatten haben, dass ihm nur Versicherungsschutz im Umfang der gesetzlichen Krankenversicherung gewährt wird.

Landgericht und Oberlandesgericht gaben dem Kunden recht. ...
Trete der Kunde zunächst nicht mit dem Wunsch auf, in die PKV zu wechseln, und frage zunächst nach einem besseren Krankenversicherungsschutz, wobei die Idee eines Wechsels in die PKV erst im Beratungsgespräch entstehe, sei eine unzutreffende Beratung anzunehmen, wenn der Vertreter nicht in ausreichendem Umfang thematisiere, welche Konsequenzen ein solcher Wechsel mit sich bringen kann. Dies gelte jedenfalls, wenn der Kunde bereits 56 Jahre alt sei, keine Altersrückstellungen in der PKV gebildet habe und nur über eine kleine Rente verfüge. ..."

Textquellen: Stefan Bause, Director bei Towers Watson; Jürgen Evers, Versicherungsmagazin;
Bildquelle:
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Autor(en): versicherungsmagazin.de

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