Kommentar: Die verfehlte Geldpolitk der EZB und weitere Sündenböcke

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Sie sind ihm wohl ein Dorn im Auge, die EZB, die Europäische Zentralbank und sein obersten Hüter, Mario Draghi. Jedenfalls in seiner Wortwahl und seiner Stimmfärbung wurde kürzlich auf der Jahrespressekonferenz des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) in Berlin deutlich, dass der GDV-Präsident Alexander Erdland wohl kein Verfechter der Geldpolitik der in Frankfurt ansässigen Institution ist.

Für Erdland ist Draghi zwar „nur der Zauberlehrling“ in dem unguten Zinsspiel, hauptverantwortlich für die Misere sind seines Erachtens aber die europäischen Mitgliedsstaaten, die dafür sorgten, dass „die Entwicklung aus dem Ruder läuft“. Und dass der deutsche Sparer am Ende um seine auskömmliche Altersvorsorge bangen muss.

EZB hat ihr Mandat überschritten
In dem Leitbild der EZB heißt es unter anderem: „Unsere Arbeit dient dem Wohl der Menschen in Europa. Wir sind ihnen gegenüber verantwortlich und legen in diesem Sinne … vor dem Europäischen Parlament Rechenschaft ab.“ Erdland würde diese Definition wohl nicht ganz unterschreiben, denn er ist davon überzeugt, dass die Zentralbank mit ihrem Anleihekaufprogramm „ihr Mandat überschreitet“ und ungeschickt „in die politischen Prozesse eingreift“, so dass zum Beispiel die kleinen Sparer unausgewogen belastet werden und Menschen mit Kapital, die unter anderem auch Eigentum erwerben können, (großzügig) entlastet werden.

Offensichtlich sei vielen europäischen Staaten, so auch der deutschen Regierung, diese Entwicklung gleichgültig, da sie sich nicht gegen diesen Trend stemmten. Am Ende müssten die Länder dann aber die negativen Folgen dieser Entscheidung tragen. O-Ton Erdland: „Wir brauchen mehr Verbindlichkeit, dieses geldpolitische Experiment der EZB ist wohl gescheitert. Denn ihr Plan, höheres Wachstum zu erzielen und eine stärkere Inflation zu erwirken, ist wohl verfehlt“.

Konkurrenzaktion gegen die Versicherungsbranche
Sicher ist Erdland glaubwürdig, wenn er sich schützend vor die deutschen Sparer stellt, das Geschäftsmodell der Banken in Gefahr sieht, die Strafzinsen als schwerwiegenden Dämpfer für die Kapitalmarktzinsen erachtet. Doch am Ende hat er in erster Linie und verständlicher Weise Angst um das Geschäftsmodell der Versicherer, denn er schimpft: „Das Anleihekaufprogramm der Europäischen Zentralbank ist eine Konkurrenzaktion gegen die Versicherungsbranche!“

Nicht weniger genervt ist er augenscheinlich von politischen Ideen wie der „Deutschland-Rente“ und der „Flexi-Rente“. Die schwarz-grüne Landesregierung in Hessen hat vorgeschlagen, neben der umlagefinanzierten Rente eine obligatorische staatlich-gemanagte „Deutschland-Rente“ als Zusatzvorsorge einzuführen.

Ablehnung muss aktive Entscheidung sein
In einem Statement gegenüber dem GDV spricht sich der Hessische Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir für diese neue Rentenoption aus: „Wir brauchen ein einfaches, kostengünstiges und transparentes Standardprodukt – und zwar von einem Anbieter, dem die Verbraucher keine Profitinteressen unterstellen. Der Staat genießt dieses Vertrauen. Das Angebot muss außerdem so gestaltet sein, dass nicht die Annahme, sondern die Ablehnung eine aktive Entscheidung erfordert.“

Den Contra-Part in dem GDV-Zwiegespräch übernimmt Andreas Wimmer, Vorstand Firmenkunden der Allianz Lebensversicherungs-AG. Für ihn ist es viel sinnvoller, die bestehenden Instrumenten zu stärken als auf die Deutschland-Rente zu setzen. So würden schon viele Millionen Arbeitnehmer die Direktversicherung als effiziente Form der Vorsorge nutzen. Zielführend für eine weitere Verbreitung sei es, für Arbeitnehmer mit niedrigen Einkommen Anreize durch eine höhere Förderung zu setzen oder bestehende psychologische Hürden abzubauen, wie die Anrechnung der Betriebsrente auf die Grundsicherung.

Rentensäulen nicht grundsätzlich in Frage stellen
Erdland formulierte seine Kritik an der Deutschland-Rente weitaus schärfer. Für ihn bietet diese Rentenidee „nur viel heiße Luft“, so sein bissiger Kommentar auf der GDV-Jahrespressekonferenz. Die Politik könne gerne die Leistungsfähigkeit der bestehenden drei Rentensäulen überprüfen, sie sollte sie aber nicht grundsätzlich in Frage stellen. „Wir brauchen auf jeden Fall eine Architektur, die alle drei Säulen umfasst“.

Im Laufe der Diskussion mit den Journalisten rudert der GDV-Mann dann wieder ein wenig zurück, indem er positiv hervorhob, dass die Deutschland-Rente Bewegung in die Diskussion gebracht hätte und dass sie als Verband sich auf jeden Fall eine offene Diskussion wünschten.

Vollkommen unrealistische Garantien
Doch die Annäherung an die Anhänger der neuen Rentenidee dauerte nicht lange, denn Erdland prangerte gleich darauf die Unterlegung der Deutschland-Rente durch Staatsfonds an, die „vollkommen unrealistischen Garantien“ abbildeten. „Wir müssen vorsichtig sein, wie mit den Geldern der Bürger gehandelt wird, müssen aufpassen, dass sie nicht zweckentfremdet werden“, prangerte er die möglichen negativen Auswirkungen dieser Rente an.
Nachdem Erdland dann einige Schuldige für die aufkommende Gefährdung der privaten Altersvorsorge ausgemacht hatte, formulierte er aber noch eine Forderung an die Adresse der Versicherer. „Wir müssen unsere digitalen Anstrengungen auf jeden Fall noch verstärken, ebenso die Loyalität unserer Kunden. Und: Unsere Produkte müssen noch transparenter werden.“

Da war sie wieder: Die immer und immer und immer … beschworene Transparenz. Schön wäre es, wenn sie endlich mal Wirklichkeit würde.

Ein kurzer Rückblick: Schon vor vielen Jahren, genauer gesagt 2008, gab es die „Deutschland“-Rente“ schon einmal, damals geschrieben „Deutschland Rente“.
Gemeinsam mit der Versicherungsgruppe Rheinland wollte die Arag eine fondsgebundene Rentenversicherung anbieten. Kunden des Discounters Plus erhielten ein "Starterpaket". Mit der "Deutschland Rente" wollte der Düsseldorfer Versicherer "Konsum und Vermögensbildung in mehreren Schritten miteinander vereinen und dem gestiegenen Bedürfnis nach mehr privater Altersvorsorge" entgegenkommen. "Wir wollen es den Bundesbürgern einfacher machen, ihre private Altersvorsorge zu verbessern", hieß es in einer Pressemitteilung des Versicherers. Als "unsäglichen Marketingtrick" verurteilte der BVK-Präsident Michael H. Heinz die Aktion der Arag.

Von falschen Signalen und bösen Buben
Heute ist es die Politik, der unterstellt wird, dass sie die falschen Signale setzt und die Kunden nur verunsichert, damals wurden zwei Versicherer vom Verband der Versicherungskaufleute als die bösen Buben ausgemacht, die den braven Bürger nur aussaugen wollten.

Da hilft nur noch Brecht und der „Gute Mensch von Sezuan: „Wir stehen selbst enttäuscht und sehn betroffen. Den Vorhang zu und alle Fragen offen."

Textquellen: EZB, GDV, Versicherungsmagazin; Bildquelle: © NLshop / fotolia.com

Autor(en): Meris Neininger

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