Frauen in Führungspositionen: Wir müssen draußen bleiben

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Das Top-Management deutscher Finanzdienstleister bleibt ein Männer-Club, so das Beratungsunternehmen Oliver Wyman. Dabei geht es anders, wie ein weltweiter Vergleich belegt.

Angehörige der Versicherungsbranche und vor allem seines Vertriebs ärgern sich immer wieder über ihr schlechtes Image. Bei Berufe-Ratings landet zum Beispiel der Versicherungsvertreter immer wieder auf den hintersten Plätzen, was seine Anerkennung als erstrebenswerter Beruf angeht. Man darf davon ausgehen, dass "Versicherungsvertreter" als Synonym durchaus auch für "Versicherungsangestellte" und "Versicherungsmakler" gilt.

Beschämender hinterer Platz im internationalen Vergleich
Ein relativ offensichtlicher Zusammenhang wird dagegen in der Branche kaum diskutiert. Während nach den Zahlen des Arbeitgeberverbands der Versicherungsunternehmen deutlich mehr als jeder zweite Beschäftigte in Versicherungsunternehmen weiblich ist, sind Frauen in den Vorstandsetagen oder in der Geschäftsführung selbstständiger Vermittlerunternehmen mit der Lupe zu suchen.

Einen empirischen Blick auf die Branchen-Usancen wirft das internationale Beratungsunternehmen Oliver Wyman mit seiner Studie "women in financial services 2016". Die englischsprachige Untersuchung der weltweiten Finanzdienstleistungsindustrie belegt eindrucksvoll, dass jedenfalls Deutschlands Banken und Versicherungen nicht auf dem richtigen Weg sind. Während aufgrund gesetzlichen Drucks eine leicht positive Entwicklung in der Besetzung von Aufsichtsratsmandaten mit Frauen festzustellen ist, bleiben die Vorstände weitgehend männlich dominiert.

In Deutschland jedenfalls ist nur jeder zehnte Vorstandsposten weiblich besetzt, damit wird Deutschland nur noch von Finanzdienstleistungsmärkten wie China (acht Prozent), Schweiz (fünf Prozent), Südkorea (vier Prozent) und Japan (zwei Prozent) abgehängt. Der globale Durchschnitt dagegen liegt bei 16 Prozent. Vorzeigeländer wie Schweden und Norwegen besetzen nahezu jede dritte Vorstandsstelle von Finanzdienstleistern mit Frauen.

Auch von den USA (20 Prozent) und Großbritannien (17 Prozent) lassen sich deutsche Banken und Versicherer in den Gender-Schatten stellen. Gegenüber 2013 hat Deutschland damit auf niedrigem Niveau fast keine positive Entwicklung zu verzeichnen ("Gefangen im Matsch" im Jargon der Studie), wohingegen beispielsweise die niederländischen Nachbarn (15 Prozent Frauenanteil) deutlich zugelegt haben.

Gute Ausgangsbedingungen, kulturelle Hemmnisse

Was sind die Gründe, die speziell in Deutschland und Schweiz zu so auffallend geringen Frauenquoten führen? Dieser Frage widmet die Studie ein eigenes Kapitel. Eigentlich ist das Phänomen nicht zu erklären. Denn beide Länder verfügen über reife Finanzdienstleistungs-Märkte, gut ausgebildete Frauen und eine vergleichsweise hohe Beschäftigungsquote der Frauen, wird einleitend festgestellt.

In Deutschland gibt es immerhin eine Frauenquote für Aufsichtsräte börsennotierter Unternehmen sowie eine freiwillige Selbstverpflichtung der Unternehmen, auch in den Vorständen mehr Frauen einzusetzen. In der Schweiz gilt in dieser Hinsicht "Laissez-faire". Offensichtlich reichen Regeln und Kodizes nicht aus, um mehr Frauen in Führungspositionen zu bringen. In beiden Ländern scheinen kulturelle Gründe stärker zu sein als der politische Wille.

Die modernen "3 K": Kinder - Kita - keine Karriere
Für Deutschland wird kritisch angemerkt, dass familienbedingte Unterbrechungen der Karriere in ungewöhnlichem Ausmaß gefördert werden. So ist es finanziell interessant, für die Kindererziehung längere Zeit zuhause zu bleiben. Teilzeitarbeit wird gefördert. Kinderbetreuung wird unsinnigerweise gerade für Familien ohne Vollzeittätigkeit gefördert, wohingegen berufstätige Familien mit den mit Abstand höchsten Kita-Gebühren zur Kasse gebeten werden.

Eine Managerin beklagt in der Studie, dass berufstätige Mütter beispielsweise Kinderfrauen und Haushaltshilfen nicht steuerlich voll absetzen können. Eine andere Managerin wird zitiert, dass in Deutschland ein hoher Druck auf Frauen ausgeübt werde, für die Kinder die Karriere hintanzustellen.
Dies könnte man auch in freier Anlehnung an die sprichwörtlichen "3 K", die früher mit "Kinder, Küche, Kirche" übersetzt wurden, heute übersetzen mit "Kinder, Kita, keine Karriere". Die soziale Rolle der Frau scheint sich damit viel weniger weit von derjenigen im Nachkriegsdeutschland entfernt zu haben, als es die starke Zunahme des Beschäftigungsstands suggeriert. Frauen, die trotz Kindern sich wieder voll ihrer Karriere widmen, werden als "Rabenmütter" diskreditiert.

Was die Studie nicht sagt ist aber auch, dass es wahrscheinlich sogar am ehesten die betroffenen Mütter selbst sind, die sich hin- und hergerissen sehen zwischen den Ansprüchen der Berufswelt und denen der Kinder, und mit beständigem schlechten Gewissen sich selbst als "Rabenmütter" einordnen.

Maskulinitäts-Dimension und Frauenanteil korrelieren
Die Erklärung für das letztlich gleiche, traurige Resultat in beiden Ländern trotz durchaus unterschiedlicher politischer Vorgaben wird in kulturellen Dimensionen gesucht. Nach dem Anthropologen Hendrik Hofstede kann man Kulturen nach den Dimensionen Machtdistanz, Individualität, Maskulinität, Risikovermeidung, Langzeitorientierung und Genussorientierung unterscheiden. Hier sind beide Länder sehr ähnlich.

Für Deutschland und die Schweiz gilt gleichermaßen, dass eine ausgeprägte Maskulinität festzustellen ist. So werden "Leistung, Heldentum, Durchsetzungsvermögen" bewundert und zum Gegenstand der Vergütung gemacht. "Eine maskuline Gesellschaft ist wettbewerbsorientiert und weniger konsensorientiert." Der Vertrieb steht geradezu exemplarisch für eine hohe Wettbewerbsorientierung und wenig Bereitschaft zu Werten wie "Zusammenarbeit, Bescheidenheit, Sorge um die Schwachen und Lebensqualität", wie es femininen Gesellschaften zugeschrieben wird.

Die Studie zeigt, dass die Maskulinitäts-Dimension und der Frauenanteil in Führungsetagen der Finanzdienstleister signifikant korreliert sind. So weisen die skandinavischen Länder, die Niederlande oder auch Thailand eine eher feminine Kultur auf - und eben auch vergleichsweise hohe Frauenanteile in den Chefetagen. Ausgesprochen maskuline Gesellschaften sind neben Deutschland und der Schweiz beispielsweise Japan, Österreich, Italien, China oder Mexiko.

Der Aufsichtsratsvorsitzende der Commerzbank, Klaus-Peter Müller, wird in der Studie zitiert, dass es eine Schande sei, dass viele begabte Frauen mit Männern verheiratet seien, die sie nicht in ihrer Karriere unterstützen.

Wohlfeile Vorschläge zur Frauenförderung helfen wenig
Was kann dagegen getan werden? Die Studie gibt eine Reihe Hinweise. Beispielsweise wird eine "Präsenzkultur" genannt, die die Leistung von Mitarbeitern zu sehr daran misst, wie lange sie am Arbeitsplatz sichtbar sind. Auch die verbreitete Vorstellung, durch eine bedingungslose Unterordnung des Privatlebens seine Karrierebereitschaft demonstrieren zu müssen, brandmarkt der oberste Personalchef der Allianz als kontraproduktiv. Bei aller Notwendigkeit von Leistung fordert er auch Wettbewerbsgerechtigkeit für Männer und Frauen unabhängig von ihrer persönlichen Entscheidung für oder gegen eine Familie.

Im Weiteren wiederholen die Autoren der Studie eine Reihe durchaus bekannter und jedenfalls in Deutschland auch beachteter Vorschläge. Dazu gehören eine bessere Kinderbetreuung, Anreize zur Elternzeit auch für Männer, gezielter Rekrutierung von Frauen, Mentorinprogramme für Frauen, Gender-Trainings für das Management - und mehr Heimarbeits- und Teilzeitarbeitsplätze, obwohl gerade die zuvor für eine Verfestigung der Frauenrolle auf eine Familien- statt Karriereorientierung verantwortlich gemacht wurden.

Frauenfeindliche Strukturen im Vertrieb?
Das wohl heißeste Eisen meiden die Studienautoren. Finanzdienstleistungen sind außerordentlich vertriebsintensiv. Wer eine "femininere" Kultur fordert, müsste deshalb "maskulines" Wettbewerbsgehabe anprangern. Dazu gehören übertriebene Zielsetzungen, Auszeichnungen, Belobigungen und finanzielle Anreize für die höchsten Absatzzahlen, Heroengeschichten um die erfolgreichsten Kunden-Jäger, fragwürdige "maskuline" Incentives oder eine Wettbewerbskultur, die eine uneingeschränkte Unterwerfung unter die nächsten Jahres-Verkaufsziele fordert.

Bild: © eyetronic/Fotolia.com

Autor(en): Matthias Beenken

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