Vermittler müssen sich radikal am Kunden ausrichten

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Die kürzlich erschienene Studie belegt, dass Insurtechs junge Menschen besser erreichen als Versicherer mit ihren klassischen Vertriebswegen. Sind Versicherungsvermittler für diese Zielgruppe überflüssig geworden? Versicherungsmagazin hat darüber mit den Studienmachern Carolin Kröger und Nils-Christoph Ebsen, Geschäftsführer der W&W Digital (im Bild), dem Joint Venture von Digitalberatung und Company Builder etventure und der Wüstenrot & Württembergischen, gesprochen.

"Klassische Agenturkonzepte wirken auf die Digital Natives befremdlich" heißt es in der Studie. Wie sollten Makler und Vertreter die jungen Kunden ansprechen?
Nils-Christoph Ebsen: Der erste Schritt in Richtung Digital Natives ist eigentlich ganz einfach: Vermittler müssen mindestens dort auffindbar sein, wo die junge Zielgruppe sie suchen würde: Im Netz. Häufig ist das leider nicht der Fall. Viele Vermittler haben bis heute keinen Eintrag auf Google Maps und auch keine vernünftige Agenturhomepage mit digitalen Mindeststandards in Sachen Erreichbarkeit und Service. Außerdem ist es wichtig, den jungen Kunden, wie im Netz üblich, transparent und ehrlich aufzuzeigen, was die Leistungen des Vermittlers sind. Und damit sind nicht allein die Versicherungsprodukte gemeint, sondern Antworten auf die Fragen: Wie läuft die Beratung bei mir konkret ab, was bekommst Du für deine Zeit, wie gehe ich mit Dir um? Gleiches gilt für die Beschreibung der Leistungen im Schadenfall: Wie setze ich mich für Dich ein? Welche Erfahrungen haben andere gemacht?

So etwas kann man natürlich auf einer Agenturhomepage darstellen, aber warum das eigene Wissen der Zielgruppe nicht einmal per Podcast näher bringen? Content is king, auch im Versicherungsvertrieb, und man schafft sich so als Vermittler nicht nur Zugang zu den Digital Natives in ihren Medien, sondern kann durch eine menschliche und nahbare Kommunikation auch viel Reputation und Vertrauen aufbauen.

Schließlich kann man auch die personale Beratung vor Ort digital vorbereiten. Der junge Kunde könnte das Gespräch durch Angabe seiner Ziele und Wünsche, seiner Risikoneigung etc. in einem digitalen Fragebogen vorbereiten, Unterlagen hochladen, Facebook-Freund des Vermittlers werden usw. Die Möglichkeiten, junge Kunden anzusprechen, sind vielfältig - gerade weil die Digital Natives auf so vielen Kanälen erreichbar sind. Und dennoch werden diese Chancen bisher zu selten ergriffen.

Die Aussagen der Studie verheißen nichts Gutes für Versicherungsvermittler. Erwarten Sie eine Konsolidierung im Markt?
Nils-Christoph Ebsen: Schon vor Jahren wurden das Ende der Ausschließlichkeit und der Sieg des Direktvertriebs verkündet. Die Realität zeigt, dass alles nicht so radikal gekommen ist, wie damals orakelt wurde. Wir glauben aber, dass sich alle Vertriebswege verändern müssen und werden. Und zwar im Sinne einer Konvergenz. Personale Vertriebswege werden digitaler und direkter werden, aber auch die Direktvertriebe und Fintechs kommen bei allen Selfservices und Robo-Advisory nicht ohne die Vertrauenskomponente Mensch aus. Überleben werden immer jene Vermittler, die sich radikal am Kunden ausrichten, unabhängig vom formalen Vertriebsweg.

Der Altersdurchschnitt der Vermittler liegt bei 52 Jahren. Wird dadurch die Kommunikation mit den Digital Natives schwierig?
Carolin Kröger: Nein, denn das ist keine Frage des Alters, sondern der Einstellung. Es kommt darauf an, wie mit den Kunden gesprochen wird. Wer als Vermittler in die Lebenswelt des jungen Kunden ehrlich eintaucht, authentisch bleibt und ihnen auf Augenhöhe begegnet, wird keine Probleme haben. Seine Zielgruppe und ihre Bedürfnisse zu verstehen, ist ja auch kein temporärer Trend, sondern schon immer die Voraussetzung für einen erfolgreichen Vertrieb. Vermittler sollten die intensive Auseinandersetzung mit den Digital Natives eher als Investition in die eigene Zukunftsfähigkeit sehen. Denn deren Anforderungen an Versicherungsprodukte und Vermittlung werden schon bald Schule machen.

Während gebundene Vertreter im Zweifel von ihrem Versicherer geschult und mit passenden Tools unterstützt werden, müssen Makler selbst initiativ werden. Welche Maßnahmen würden Sie den Maklern empfehlen?
Carolin Kröger: Selbst die Initiative zu ergreifen, ist doch ideal. So kann der Makler das einsetzen, was seinen Kunden wirklich gefällt und nicht das, was sein Unternehmen vorgibt. Dabei sollte er sich wie ein Start-up verhalten: Zunächst den Kunden genau verstehen, seine Probleme und Wünsche erkennen, dann Lösungen schnell und lean entwickeln, testen, Feedback einholen, Lösungen verbessern. Dieser iterative Prozess, mit klarem Fokus auf den Kunden, ist nicht nur günstiger, sondern auch erfolgreicher.

Autor(en): Alexa Michopoulos

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