BGH-Urteil: Ist eine Lasik-OP erstattungsfähig?

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Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) hat entschieden (Urteil vom 29. März 2017 - IV ZR 533/15), dass eine Fehlsichtigkeit auf beiden Augen von -3 beziehungsweise -2,75 Dioptrien eine Krankheit im Sinne von § 1 Abs. 2 der Musterbedingungen für die Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeld-Versicherung darstellt. Deshalb muss der private Krankenversicherer auch die Kosten einer Lasik-Operation zur Beseitigung dieser Fehlsichtigkeit tragen.

In dem Rechtsstreit wollte die Klägerin, die eine solche Operation erfolgreich hatte durchführen lassen, die angefallenen Kosten in Höhe von rund 3.500 Euro erstatten lassen. Ihr privater Krankenversicherer verweigerte die Zahlung.

Brille sei keine Zumutung
Die Klage war in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Das Landgericht Heidelberg (Urteil vom 18. November 2015 – 4 S 49/14 ) als Berufungsgericht entschied, dass es bereits an einer bedingungsgemäßen Krankheit fehle, weil vom Vorliegen einer Krankheit bei einer Fehlsichtigkeit nur gesprochen werden könne, wenn eine Abweichung vom natürlichen körperlichen Zustand der versicherten Person vorliege, die nicht dem normalen Entwicklungs- oder Alterungsprozess entspreche.

Der vom Amtsgericht Heidelberg (Urteil vom 18. November 2014 - 30 C 103/14) beauftragte medizinische Sachverständige argumentierte, dass 30 bis 40 Prozent der Menschen im mittleren Alter kurzsichtig seien. Von einer pathologischen Myopie werde nach internationalem Standard erst ab -6 Dioptrien gesprochen. Auch sei der Klägerin das Tragen einer Brille möglich und zumutbar gewesen.

Otto Normalverbraucher als Maßstab
Der BGH hat demgegenüber klargestellt, dass es für den Krankheitsbegriff in Allgemeinen Versicherungsbedingungen nicht auf das Verständnis in medizinischen Fachkreisen, sondern auf das Verständnis eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers ankomme. Dieser gehe davon aus, dass zum Normalzustand der Sehfähigkeit ein beschwerdefreies Lesen und eine gefahrenfreie Teilnahme am Straßenverkehr gehörten. Er werde das Vorliegen einer bedingungsgemäßen Krankheit annehmen, wenn bei ihm eine nicht nur ganz geringfügige Beeinträchtigung dieser körperlichen Normalfunktion vorliege, die ohne Korrektur ein beschwerdefreies Sehen nicht ermögliche.

Der Gerichtshof hat den Rechtsstreit zur Prüfung der weiteren Frage, ob die durchgeführte Operation eine medizinisch notwendige Heilbehandlung darstellte, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Er hat dabei zugleich darauf hingewiesen, dass diese Notwendigkeit bei der gegebenen Bedingungslage nicht allein deswegen verneint werden könne, weil es üblich sei eine Brille oder Kontaktlinsen zu tragen. Dies begründete er damit, dass das Tragen einer Sehhilfe in Bezug auf die Fehlsichtigkeit keine Heilbehandlung darstelle. Brillen und Kontaktlinsen seien vielmehr lediglich Hilfsmittel, mit denen körperliche Defekte über einen längeren Zeitraum ausgeglichen würden.

Die vereinbarten Allgemeinen Versicherungsbedingungen machten dem Versicherungsnehmer an keiner Stelle deutlich, dass die Erstattungsfähigkeit der Kosten einer medizinisch notwendigen Heilbehandlung grundsätzlich davon abhängen soll, ob er dauerhaft auf ein Hilfsmittel zurückgreifen könne, das den bei ihm bestehenden anormalen Körperzustand auszugleichen oder abzuschwächen geeignet sei, ohne am eigentlichen Leiden etwas zu ändern.

In § 1 Abs. 2 der dem Versicherungsvertrag zugrunde liegenden Allgemeinen Versicherungsbedingungen, die insoweit den Musterbedingungen für die Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherung (MB/KK) entsprechen, heißt es:

"Versicherungsfall ist die medizinisch notwendige Heilbehandlung einer versicherten Person wegen Krankheit oder Unfallfolgen (…)."

Quelle: BGH

Bild: © Fotogestöber/Fotolia.com

Autor(en): versicherungsmagazin.de

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