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Eigentumswechsel

1. Begriff und Merkmale: Wechsel des Eigentums an einer Sache oder an einem Recht. Eigentümer ist diejenige Person, der eine Sache oder ein Recht „gehört“. Beim Eigentumswechsel wird das Eigentum auf eine andere Person übertragen. Das kann auch einen Versicherungsvertrag betreffen, aus dem einem Versicherungsnehmer die vertraglich vereinbarten Rechte zukommen, oder die versicherten Sachen. Ein Eigentumswechsel kommt in drei Varianten in Betracht: durch rechtsgeschäftlichen Eigentumserwerb, durch Gesamtnachfolge und durch hoheitlichen Erwerb. Im Folgenden wird der Eigentumswechsel im Versicherungszusammenhang näher erörtert.

2. Rechtsgeschäftlicher Eigentumserwerb (Veräußerung der versicherten Sache): Die rechtsgeschäftliche Übertragung des Eigentums an einer versicherten Sache führt zum Übergang des Sachversicherungsvertrags auf den Erwerber kraft Gesetzes (§ 95 I VVG). Maßgeblicher Zeitpunkt für den Übergang des Versicherungsvertrags ist der formelle Eigentumserwerb durch den Erwerber. Bei Grundstücken ist der maßgebliche Zeitpunkt die Auflassung und Eintragung im Grundbuch (also nicht schon der Zeitpunkt des Abschlusses eines Grundstückskaufvertrags oder des Gefahrübergangs), bei beweglichen Sachen die Einigung und Übergabe. Der Vertragsübergang dient der lückenlosen Fortsetzung des Versicherungsschutzes zugunsten des Erwerbers. Versicherungsunternehmen und Erwerber sind jedoch zur Kündigung berechtigt (§ 96 I und II VVG). Die Verletzung der Pflicht zur Anzeige der Veräußerung führt nicht mehr zur Leistungsfreiheit des Versicherungsunternehmens – es fehlt an Kausalität zwischen der Anzeigepflichtverletzung und dem Eintritt des Versicherungsfalls (vgl. früher § 71 I S. 2 VVG a.F.: Alles-oder-Nichts-Prinzip, das aber durch die Rechtsprechung eingeschränkt wurde). Nach § 97 I S. 2 VVG tritt die Leistungsfreiheit nur ein, wenn das Versicherungsunternehmen den mit dem Veräußerer bestehenden Vertrag mit dem Erwerber nicht geschlossen hätte (Vertragskausalität). Versicherungsverträge über die mit der Sache verbundenen Haftpflichtrisiken, z.B. eine Grundstückshaftpflichtversicherung, werden von dem gesetzlichen Übergang nicht erfasst. Nach § 102 II VVG geht die Betriebshaftpflichtversicherung im Fall der Betriebsveräußerung auf den Erwerber über. Die §§ 95–98 VVG finden bei Veräußerung einer Sache, für die eine Pflichthaftpflichtversicherung besteht, entsprechende Anwendung, wie z.B. beim Kraftfahrzeug (vgl. jedoch § 3b PflVG: Der Beginn des Versicherungsschutzes aus einem eigenen Versicherungsvertrag des Erwerbers gilt als Kündigung) oder bei einem Hund (§ 122 VVG).

3. Gesamtnachfolge: Zum Eigentumswechsel durch Gesamtnachfolge kommt es in Erbfällen sowie in Umwandlungsfällen nach dem Umwandlungsgesetz. Der Gesamtrechtsnachfolger (z.B. der Erbe) tritt insgesamt in die Rechtsstellung des vorhergehenden Inhabers (z.B. des Erblassers) mit allen Rechten und Pflichten ein, also auch in die Versicherungsverträge; das gilt nicht nur in der Sachversicherung, sondern auch in der Sachhaftpflichtversicherung. Die einen einzelnen Vertragsübergang regelnden §§ 95–98 VVG sind nicht anwendbar.

4. Hoheitlicher Erwerb: Zuschlag im Zwangsversteigerungsverfahren, z.B. über ein Grundstück. §§ 95–98 VVG finden entsprechende Anwendung (§ 99 VVG).

5. Originärer Erwerb: Beim gesetzlichen Eigentumserwerb (originärer Erwerb), z.B. durch Ersitzung, Fund, Vermischung oder Verarbeitung, findet § 95 VVG grundsätzlich keine Anwendung.

Autor(en): Prof. Dr. Roland Michael Beckmann, Professor Dr. Helmut Schirmer

 

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