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Sachleistungsprinzip

1. Begriff: Verfahren der Leistungsgewährung in der Krankenversicherung. Beim Sachleistungsprinzip erhalten die Versicherten im Krankheitsfall die erforderlichen medizinischen Gesundheitsleistungen als Naturalleistungen (Sachleistungen), ohne selbst in (monetäre) Vorleistung gehen zu müssen.

2. Umsetzung: Das Sachleistungsprinzip ist in vielen Ländern in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) realisiert (aber z.B. in Frankreich und in der Schweiz nur für die Krankenhausbehandlung). In der deutschen GKV gilt das Sachleistungsprinzip in den meisten Leistungsbereichen (nicht hingegen bei Zahnersatz und Kieferorthopädie); die Versicherten können stattdessen jedoch auch für die Kostenerstattung optieren.

3. Weitere Details: Im deutschen Sozialgesetzbuch (SGB V) werden die Krankenkassen im Rahmen des Sachleistungsprinzips (§ 2 SGB V) verpflichtet, eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung unter Berücksichtigung des medizinischen Fortschritts sicherzustellen. Um dies gewährleisten zu können, schließen die Krankenkassen Verträge mit den Leistungserbringern, wie z.B. Vertragsärzten, Krankenhäusern und Apotheken, bzw. mit deren Verbänden ab (§§ 69 ff. SGB V), in denen die Modalitäten der Behandlung und die Vergütung geregelt werden. Auf dieser Basis rechnen die Leistungserbringer unmittelbar mit den Krankenkassen ab. Für den Patienten bedeutet dies, dass er nicht direkt Vertragspartner der Leistungserbringer ist. Er erhält von ihnen auch keine Rechnung für in Anspruch genommene Leistungen.

4. Ausnahmen: Jenseits von Zahnersatz und Kieferorthopädie müssen Ausnahmen vom Sachleistungsprinzip in der GKV, d.h. die Leistungsgewährung nach dem Kostenerstattungsprinzip, ausdrücklich im SGB V erlaubt sein und vom Versicherten gewählt werden. Hier hat das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG) den Spielraum der Krankenkassen allerdings erweitert. Nach § 53 SGB V können Krankenkassen − vorbehaltlich einer juristischen Überprüfung − in ihren Satzungen vorsehen, dass die Mitglieder für sich und ihre mitversicherten Angehörigen Kostenerstattungstarife wählen. Die Kassen können dabei die Höhe der Kostenerstattung variieren und hierfür spezielle Prämienzahlungen durch die Versicherten vorsehen.

5. Würdigungen:
Das Sachleistungsprinzip verursacht einen geringeren Administrationsaufwand als das Prinzip der Kostenerstattung. Ob Sachleistungen gegenüber Kostenerstattungen ein größeres subjektives Risiko (siehe subjektive Risikomerkmale) der Versicherten bewirken, weil sie die in Anspruch genommenen Leistungen vor der Erstattung durch die Versicherung nicht vorfinanzieren müssen, ist umstritten. Ein Problem des Sachleistungsprinzips wird primär in der mangelnden Kostentransparenz für den Versicherten gesehen. Ohne eine solche Transparenz fehlt es auch an einer Grundlage, sich kostenbewusst zu verhalten. Versicherte können sich in Deutschland bei ihrer Krankenkasse zwar über die Kosten der Leistungen unterrichten lassen, wovon jedoch i.Allg. kein Gebrauch gemacht wird.

6. Bedeutung in der Privaten Krankenversicherung (PKV): Die PKV kennt das Sachleistungsprinzip nicht. Das Strukturprinzip der PKV ist das Kostenerstattungsprinzip. Die bei stationärer Heilbehandlung übliche Direktabrechnung zwischen dem Leistungserbringer und dem privaten Krankenversicherungsunternehmen berührt das Prinzip der Kostenerstattung nicht, da Vertragspartner des Krankenhauses der Patient bleibt.

Autor(en): Prof. Dr. Jürgen Wasem

 

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