Bildet die Branche genug aus?

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Die Versicherungswirtschaft weist eine Ausbildungsquote von sieben Prozent aus und sieht sich damit als überdurchschnittlich engagiert. Wie diese Quote relativiert werden muss, und ob dies wirklich ausreicht.

Nach der aktuellen Ausbildungsumfrage der Versicherungswirtschaft, die vom Arbeitgeberverband (AGV) sowie vom Berufsbildungswerk der Deutschen Versicherungswirtschaft (BWV) vorgelegt wurde, sieht sich die Branche als besonders engagiert. Sieben Prozent der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten seien Auszubildende, so die bekanntgegebene Ausbildungsquote.

Quote mit Agenturauszubildenden hochgerechnet
Tatsächlich liegt die Quote deutlich niedriger, denn in die erwähnte Ausbildungsquote werden auch die von Versicherungsunternehmen finanziell geförderten Ausbildungsverhältnisse in Agenturen eingerechnet, das sind wohl in der Regel Auszubildende im selbstständigen Ausschließlichkeitsvertrieb.

In seinen sozialstatistischen Daten führt der AGV per 31. Dezember 2016 insgesamt 11.400 Auszubildende in Versicherungsunternehmen, was einer Ausbildungsquote von 5,5 Prozent entspricht. Einschließlich 2.300 Auszubildenden in Agenturen kommt der AGV auf eine Ausbildungsquote von 6,5 Prozent, wobei nur teilweise finanzierte Auszubildende in Vollzeitäquivalente umgerechnet worden - es gibt also nach Köpfen offenbar einige Auszubildende mehr in den Agenturen.

Tatsächlich müsste aber bei der Mitberücksichtigung geförderter Auszubildender auch die Anzahl der Agenturen und deren Angestellten zu den Versichererangestellten addiert werden. Nach groben Schätzungen dürfte es sich um rund 100.000 hauptberufliche Agenturen und Agenturangestellte handeln, die zu den knapp über 200.000 Innen- und Außendienstangestellten sowie Auszubildenden der Versicherer selbst zu addieren wären. Dann aber ergibt sich nur noch eine Ausbildungsquote von rund 4,5 Prozent.

Fluktuation liegt höher
Das dürfte kaum ausreichen, um die normale Fluktuation auszugleichen. Die wird jedenfalls für Versichererangestellte vom AGV auf 5,3 Prozent für das Jahr 2016 beziffert. Darunter sind altersbedingte Abgänge ebenso wie Kündigungen und einvernehmliche Vertragsbeendigungen enthalten.

Im selbstständigen Vertrieb einschließlich Agenturbeschäftigten dürfte die Fluktuationsquote höher liegen, auch wenn es dazu keine Statistiken gibt. Denn Kleinbetriebe haben oft nicht die wirtschaftliche Basis, um Beschäftigten langfristige stabile Perspektiven zu bieten. Die Erfolgsabhängigkeit der Tätigkeit tut ihr Übriges dazu.

Rund jeder fünfte Azubi verlässt die Branche
Auch wenn die Berufsausbildung längst nicht der einzige Weg für die Nachwuchsgewinnung ist, so fragt sich doch, ob mit einer Ausbildungsquote von unter fünf Prozent ausreichend qualifizierter Nachwuchs zu gewinnen ist. Dies zumal nicht jeder Auszubildende anschließend in der Branche verbleibt.

So berichtet das BWV, dass rund ein Drittel der Auszubildenden nach Abschluss der Ausbildung das Unternehmen verlassen haben, davon wiederum rund ein Drittel, um zu studieren oder in die Selbstständigkeit im Versicherungsaußendienst zu wechseln. Das bedeutet aber umgekehrt, dass rund jeder fünfte Auszubildende offenbar die Branche ganz verlässt. Damit wird ein Ersatz der Fluktuation durch Auszubildende noch schwieriger.

Mehr Qualität im Vertrieb heißt mehr ausbilden
Allerdings konnten wohl auch nicht alle angebotenen Ausbildungsplätze besetzt werden. Laut der Umfrage des BWV galt das für sechs Prozent der angebotenen Stellen. Maßgeblich dafür sei die teilweise nicht zufriedenstellende Auswahl an Bewerbern gewesen.

Im selbstständigen Vertrieb ist immer noch die Versicherungsfachmann-/-frau-Ausbildung der am weitesten verbreitete Zugangsweg. Diese wird vor allem Seiteneinsteigern in die Branche angeboten.

IDD bietet eine Chance, die Qualität zu steigern
Ob damit aber dauerhaft die nötige Qualität für eine zunehmend anspruchsvolle, hoch regulierte Beratungs- und Vermittlungstätigkeit geschaffen wird, muss man hinterfragen. Die Berufsausbildung wäre hier sicher der solidere Zugang. Aber dazu müsste die teilweise arg kurzfristige Denke im Vertrieb angepasst werden.

Die laufende Umsetzung der Versicherungsvertriebsrichtlinie IDD bietet eine Chance dazu. Sie will langfristiges, im bestmöglichen Kundeninteresse liegendes Handeln derjenigen erreichen, die mit dem Vertrieb von Versicherungen zu tun haben. Dazu dürfte auch eine ausreichend fundierte Berufsausbildung gehören, ganz besonders bei denen, die die größte Verantwortung für das richtige Erkennen von Kundenbedarf und die qualifizierte Kundenberatung tragen. Das sind aber meist nicht die hochqualifizierten Spezialisten im Innendienst, oft Akademiker, wie die in den vergangenen zehn Jahren um mehr als drei Prozentpunkte auf 20 Prozent gestiegene Akademikerquote zeigt. Sondern es sind die Vermittler und deren Angestellte, die Außendienstmitarbeiter und die Kundenservice-Kräfte, die an der sensiblen Kundenschnittstelle tätig sind und dafür eine optimale Ausbildung benötigen.

Autor(en): Matthias Beenken

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