Damit der Berater nicht auch zum Steuerhinterzieher wird

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„Kann man den Steuerberater verklagen, wenn die Selbstanzeige aufgrund handwerklicher Mängel nicht reicht, wenn sie deshalb nicht anerkannt und von der Staatsanwaltschaft nur wie ein Geständnis bewertet wird?“, fragte kürzlich die Süddeutschen Zeitung (SZ): Der steuerliche Berater „muss nicht für den Mandanten ins Gefängnis.“ – für eine zivilrechtliche Haftung meint die SZ, dass es darauf ankomme „wie nah sich Berater und Klient sind.“
Dies ist nicht ganz korrekt, wie Rechtsanwalt Dr. Johannes Fiala und Diplom-Mathematiker Peter A. Schramm meinen.


Nur wenn kein Geschäftsbesorgungsvertrag vorliegt und kein Rechtsbindungswille, können Rat und Auskunft bei lediglich einfacher Fahrlässigkeit haftungsfrei sein, also eine reine Gefälligkeit, § 675 II Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Entscheidend ist nicht der „innere“ Willen, „nicht haften zu wollen“, sondern der „objektiv erkennbare Wille“. Dafür kommt es auf typische Indizien an, wie etwa den Wert einer Sache, die wirtschaftliche Bedeutung, das Interesse eines Begünstigten, das Ausmaß der Risiken bei fehlerhafter Leistung, das eigene wirtschaftliche oder rechtliche Interesse des Handelnden, und ob es sich um Hilfeleistung oder eine „Gefälligkeit“ des alltäglichen Lebens handelt.

Aufgrund der mit einer Selbstanzeige einhergehenden Verantwortung handelt es sich niemals um eine haftungsfreie Gefälligkeit. Anders ist es lediglich denkbar, wenn lediglich „wie als Schreibkraft“ bei der Niederschrift der Selbstanzeige nach Vorgabe mitgewirkt wird.

Grundsatz der Expertenhaftung: Haftung wenn man haften soll – nicht wenn man haften will
Bereits das Reichsgericht (Urteil vom 27.10.1902, RGZ 52, 365) entschied, daß bei erkennbarem Bedarf an zuverlässiger Auskunft ein Geschäftsbesorgungs- bzw. Auskunftsvertrag stillschweigend zustande kommt (BGH, Urteil vom 25.10.2007, Az. III ZR 100/06). Handelt es sich um „Berufsgeschäfte“ (RG JW 1928, 1134 f.), eine besondere Sachkunde bzw. berufliche Stellung, wird jede Gefälligkeit durch die Expertenhaftung verdrängt. Zu den Experten zählen Wirtschaftsprüfer/Steuerberater (StB), Patent-/Rechtsanwalt (RA), sowie Professoren. Manchem mag auch die Zurückhaltung oder eine krass unprofessionelle Antwort von Ärzten im Privatleben aufgefallen sein, wenn man auf gesundheitliche Themen zum Sprechen kommt – auch diese mögen ungerne aus Versehen haften müssen

Dies gilt selbst dann, wenn der Experte sich lediglich zu Werbezwecken in Prospekten etwa für Kapitalanlagen zitieren lässt (BGH, Urteil vom 17.11.2011, Az. III ZR 103/10). Anders ist es, wenn der Werbeträger beispielsweise für eine Emission der Telekom-Aktie lediglich Schauspieler von Beruf ist, womit lediglich Sympathiewerbung betrieben wird und gerade kein besonderes Vertrauen in die eigene Fachkenntnis in Anspruch genommen wird (OLG Frankfurt/Main, Musterentscheid vom 16.05.2012, Az. 23 Kap 1/06).

Keine Gefälligkeit erweisen jene Berater dem Steuerpflichtigen, welche trotz Expertenhaftung dazu animieren, nur eine teilweise Selbstanzeige abzugeben. Das Motto lautet „Die Finanzämter haben kein ausreichendes Personal für die Prüfung der Selbstanzeige; auf eventuelle Lücken wird man da schon nicht stoßen.“ Entscheidend für die Wirksamkeit ist die vollständige Offenlegung des Sachverhaltes – unerheblich ist, in welcher Höhe dann das Finanzamt später die Steuernachzahlungsschuld ermittelt.

Mittäterschaft kann die Strafe erhöhen
Eine eigene strafrechtliche Verantwortung trifft den steuerlichen Berater, wenn es sich um einen Fall der Beihilfe handelt, oder etwa um einen Fall der Mittäterschaft. Mittäterschaft liegt beispielsweise vor, wenn Mandant und Berater gemeinsam beschließen den Sachverhalt nur lückenhaft offen zu legen, in der Hoffnung daß dies bei den Finanzämtern schon nicht entdeckt werde. Die Mittäterschaft führt freilich nicht dazu, dass sich die gleiche Strafe etwa auf beide verteilt. Eher kann die Mittäterschaft die Strafe sogar noch erhöhen.

Die Abgabe einer Selbstanzeige durch den Steuerpflichtigen auf der Basis unvollständiger Informationen gegenüber dem steuerlichen Berater, kann als bedingt vorsätzliche Handlung beurteilt werden, was jedoch nach der Rechtsprechung (BGH, Urteil vom 17.03.1995, Az. 2 StR 84/95) noch nicht zu einer strafbaren Beihilfe des Beraters führt. Bereitet der steuerliche Berater die Steuererklärung oder Selbstanzeige lediglich vor, unterzeichnet er sie aber nicht, und reicht er sie auch nicht ein, wird nicht einmal eine leichtfertige Steuerverkürzung durch den Berater in Frage kommen (OLG Zweibrücken vom 23. 10.2008, Az. 1 Ss 140/08).

Immer wieder kommt es dazu, daß Selbstanzeigen unvollständig bleiben, und daher insgesamt unwirksam sind (LG München II, Urteil vom 13.03.2014). Auslandsbanken liefern die notwendigen Belege vielleicht zu langsam oder ein Online-Zugang zum Datenabruf über das Internet besteht nicht. Dann haben es der Steuerpflichtige und seine Berater aber immer noch in der Hand, die jährlich hinterzogene Steuer ausreichend hoch zu schätzen, und am besten zugleich eine entsprechend hohe nachträgliche Vorauszahlung zu leisten.

Bekommt das Finanzamt nur haufenweise Belege vorgesetzt, und keine nachvollziehbare Berechnung oder (bestenfalls zu hohe) Schätzungen als Grundlage, dann kann das Finanzamt unmittelbar keine neuen Bescheide erlassen. Das Finanzamt muss dann seinerseits schätzen, § 162 AO. Damit ist die Selbstanzeige jedoch gestuft beziehungsweise unvollständig - und damit insgesamt unwirksam!

Selbstanzeige bei unvollständigen Unterlagen
Wer auf der Basis unvollständiger Unterlagen eine Selbstanzeige abgibt, muss vorsichtshalber die Steuern hoch genug schätzen, und dann im Einspruchsverfahren nachbessern. Steuerpflichtige neigen natürlich dazu, entgegen diesem guten Rat einer „nur vorläufig billigen Ersparnis wegen“ zu niedrig zu schätzen, so daß die Selbstanzeige insgesamt unwirksam ist (BGH, Beschluß 20.05.2010, Az. 1 StR 577/09). Der StB darf niemals selbst etwas schätzen. Schreitet das Finanzamt oder die Steuerfahndung zu einer Steuerschätzung, nach einer Selbstanzeige, so trifft dies bei einer Selbstanzeige ebenfalls den Berater als zum Schadensersatz führende Pflichtverletzung (OLG Celle, Urteil vom 11.02.2009, Az. 3 U 226/08). Der StB müsste dann zu seiner Entlastung beweisen, dass der Mandant sich sowieso nicht beratungskonform verhalten hätte, und eine vollständige Selbstanzeige vereitelt hatte.

Letzteres kommt natürlich auch vor, wenn beispielsweise nur Einkommensteuer auf Kapitalerträge offenbart wird – jedoch die ursprüngliche Vermögensquelle, etwa nützliche Zuwendungen oder so genannte Beraterhonorare, unversteuert außen vor bleibt. Ähnlich auch der Fall, dass es sich um eine unversteuerte Schenkung oder Erbschaft handelt, und nicht lediglich „steuerneutrale“ um Kapitalerträge.

Haftung für Vermögensschäden, insbesondere für Strafen
Der steuerliche Berater haftet gegenüber seinem Mandanten, wenn es durch Unachtsamkeit beispielsweise zu einem Bußgeld beim Mandanten kommt (BGH, Urteil vom 14.11.1996, Az. IX ZR 215/95; BGH, Urteil vom 15.04.2010, Az. IX ZR 189/09). Ersatzfähige Schäden wären auch eine Entschädigung bei Freiheitsentziehung, die notwendige Kaution und daraus folgende Vermögens- und Einkommensverluste, etwaige Geldauflagen, sowie für die Kosten der Strafverteidigung.

Haftpflichtdeckung des Beraters muss ausreichend sein
Derartige Schäden sind in der Vermögenschadenhaftpflicht des StB und RA regelmäßig versichert. Ausgeschlossen ist eine Versicherungsdeckung, sofern der Berufsträger (bedingt) vorsätzlich handelt oder im Zusammenhang auch seine Verurteilung wegen einer Steuerstraftat erfolgt. Handelt es sich um einen besonders groben „wissentlichen“ Berufsfehler, so sind seit 19. Juli 2013 nur die Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung und die Rechtsanwaltsgesellschaft mbH dafür im Rahmen ihrer Deckung gesetzlich mindestversichert. Der Steuerhinterzieher hat es in der Hand sicherzustellen, dass die Haftpflichtdeckung seiner Berater ausreichend ist.

Textquelle: Dr. Johannes Fiala, RA (München), MBA Finanzdienstleistungen (Univ.), und Diplom-Mathematiker Peter A. Schramm, Sachverständiger für Versicherungsmathematik (Diethardt), Aktuar DA;
Bildquelle: © Bundesgerichtshof Karlsruhe

Autor(en): versicherungsmagazin.de

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