Das geht meinen Krankenversicherer nichts an

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Die Continentale hat die Bevölkerung zu ihrem Gesundheitsverhalten befragt - und ob sie Daten dazu preisgeben wollen.

"Auf dem Weg zum gläsernen Versicherten?", betitelt der Krankenversicherer Continentale seine alljährliche Studie. Über 1.300 Kunden wurden bevölkerungsrepräsentativ von TNS Emnid diesmal zum Gesundheitsverhalten und dessen Kontrolle befragt.



Moden kommen und gehen
Der Aufschrei von Verbraucherschützern, Datenschützern und kritischen Medien war groß, als die Generali vor einiger Zeit ankündigte, einen Krankenversicherungstarif einführen zu wollen, bei dem Versicherte durch Übermittlung von Gesundheitsdaten Einfluss auf die Preisgestaltung nehmen. Ob die Prognosen berechtigt sind, dass schon bald keine private Krankenversicherung ohne eine Selbstverpflichtung zur Aufzeichnung von Bewegungs- und anderen Daten zu erhalten sein soll, erscheint mehr als zweifelhaft.

Immerhin bedarf es einer Akzeptanz bei der Bevölkerung. Und die fehlt bisher, so das klare und nüchterne Fazit der Continentale-Studie. 72 Prozent der Befragten wollen keine Gesundheits-Apps, Fitnessarmbänder, Cardio-Uhren oder Ähnliches nutzen, um ihre Gesundheitsdaten aufzeichnen und auswerten zu können. Gerade einmal sechs Prozent nutzen bisher solche Hilfsmittel, darunter nur jeder Dritte "intensiv".

Trend ebbt schnell ab

Besonders bemerkenswert ist, dass vier Prozent der Befragten angeben, schon einmal Messgeräte genutzt zu haben - dies nun aber nicht mehr tun. Offenbar empfinden dies viele Befragte auch nur als technischen Modetrend, der schnell wieder abebbt. Ein Fitnessarmband zu tragen ist ungefähr so interessant wie das neueste I-Phone - sobald es jeder hat und keine Aufmerksamkeit mehr erregt, ist es uninteressant.

Gesundheitsbewusstsein hängt nicht von einer App ab
Das bedeutet aber offenbar nicht, dass sich die Deutschen nicht für ihren Gesundheitszustand interessieren und sich teilweise auch systematisch damit auseinandersetzen. Beispielsweise geben zwei Drittel der Befragten an, auf ihre Ernährung und die Bewegung sehr häufig oder häufig zu achten. Auch Gewicht und Schlafverhalten sind für jeweils mehr als die Hälfte wichtig genug, sich damit zu beschäftigen.

Dabei zeigt die Studie einmal mehr, dass Gesundheitsbewusstsein ein geschlechtsspezifisches Phänomen ist. Frauen achten wesentlich häufiger auf sich und ihren Körperzustand als Männer. Durchschnittlich 15 Prozent Bedeutungsunterschied geben die Studienmacher an.
Und knapp jeder fünfte Bundesbürger speichert persönliche Gesundheitsdaten, offenkundig also auch auf anderen, traditionelleren Wegen als mit Apps und Armbändern.

Hausarzt darf Daten haben
Eine Weitergabe der Daten kommt aber für eine klare Mehrheit nicht in Frage. Nur 14 Prozent sind dazu "auf jeden Fall" oder "wahrscheinlich" bereit, 63 Prozent dagegen "auf keinen Fall". Am ehesten sind die Bundesbürger bereit, ihre Daten mit ihrem Hausarzt oder sonstigen Arzt zu teilen, das können sich bis zu 85 Prozent noch vorstellen. Auch Partner und Familienmitglieder finden eine hohe Akzeptanz.

Die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) würde immerhin noch bei knapp über 50 Prozent mindestens "wahrscheinlich" Akzeptanz finden, die private Krankenversicherung (PKV) dagegen nur noch bei 28 Prozent. Auch finanzielle Anreize helfen dabei wenig. Nur 20 Prozent können sich vorstellen, gegen Nachlass von ihrem Krankenversicherer mit Hilfe aufgezeichneter Gesundheitsdaten überprüfen zu lassen. Die Frage ist allerdings, wie das konkrete Verhalten tatsächlich aussehen würde. Ein interessantes Anschauungsbeispiel lieferte die gesetzliche Krankenversicherung, als nach der Einführung des Einheitsbeitragssatzes mit dem GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz 2007 ein Zusatzbeitrag von ganzen acht Euro im Monat hunderttausende Kassenmitglieder auf Wanderschaft gehen ließ, um die Kasse zu wechseln.

Deutsche überwiegend zufrieden mit dem System
Die Continentale-Studie zeichnet seit vielen Jahren auch die Zufriedenheit mit dem Gesundheitswesen in Deutschland nach, und die bewegt sich auf einem erfreulich hohen Niveau. 70 Prozent sind mit den Leistungen zufrieden. Und nach einem weiteren Anstieg sind es sogar fast ebenso viele, die auch mit dem Preis zufrieden sind. Während die Zufriedenheit der GKV-Versicherten über die letzten Jahre stark schwankte und von Gesundheitsreformen beeinflusst wurde, verharrt sie bei Privatversicherten auf konstant noch besserem Niveau. Hier sind 81 Prozent mit den Leistungen, mit 65 Prozent allerdings signifikant weniger auch mit dem Preis zufrieden.

Die Mehrheit weiß, was Gesundheit kostet
Dabei haben die Deutschen weiter wenig Illusionen über die künftige Entwicklung des Gesundheitswesens und erwarten weitere Leistungsverschlechterungen und höheren Bedarf an privater Vorsorge. Dass dies auch über den Kassenbeitrag hinaus "viel Geld" kostet, ist sogar 86 Prozent klar - entweder weil es schon so ist, oder weil es in Zukunft so werden wird.

Die Studie zeichnet ein freundliches Bild der Lage im Gesundheitswesen und der Krankenversicherung. Nun kommt es auf die PKV an, dass sie kein Vertrauen verspielt. Die Niedrigszinslage bringt Unwägbarkeiten mit sich, was den Rechnungszins und damit die Beitragsstabilität angeht. Und in Sachen Umgang mit Abschlusskosten oder der Anreizgestaltung für eine dauerhafte Betreuung der Kunden, die keinen Raum für wenig seriöse Tarifoptimierungsmodelle lässt, mauert die Branche bisher weitgehend.

Ein Honorarvertrieb von nettoisierten privaten Vollversicherungen ist jedenfalls bisher nicht bekannt geworden. Ob das immer von Vorteil für die Kunden ist, sei dahingestellt. Aber das bisherige System hat mit MEG AG und Co. jedenfalls sicher keine bewahrenswerten, kundenfreundliche Vertriebslösungen produziert.





Bildquelle: © djvstock / Fotolia

Autor(en): Matthias Beenken

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