Der lange Marsch in die digitale Transformation

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Innovation ist kein Sprint, sondern ein Marathon - dies hat die Assekuranz seit einiger Zeit erkannt und erste Maßnahmen für die Zukunft ergriffen. Auf dem 15. Partnerkongress der Versicherungsforen Leipzig diskutierten über 350 Experten, wie die digitale Transformation der Branche gelingen kann. Dabei ging es nicht nur um reine Produktneuerungen, die neue Kundensegmente in Aussicht stellen, sondern vielmehr um Geschäftsmodellinnovationen, die langfristigen Erfolg versprechen.

In der Eröffnungskeynote gab Martin Pluschke von der Ergo Direkt einen Einblick in seine Überlegungen zur fortschreitenden Digitalisierung. Für ihn spielt der Wandel eine wichtige Rolle, denn der zentrale Erfolgsfaktor für die digitale Transformation, die durch die Entwicklung unserer Gesellschaft unausweichlich sei, sei eine fundamentale Erneuerung der gesamten Organisation. Pluschke appellierte an die Branche, mutig zu sein und eine Kultur des Scheiterns zu leben. Belohnt werde heute nicht mehr derjenige, der auf sicher spiele. Im Gegenteil müssten neuen Entwicklungen und einem damit einhergehenden Wandel Raum gegeben werden, auch wenn nicht im Vorhinein sämtliche Daten und Informationen bekannt seien. Außerdem wies Pluschke darauf hin, dass Erneuerungen immer auch Zeit brauchen und nicht kurzfristig Deckungsbeiträge erwartet werden dürften.

Wie lernt man von den Kleinen?
Das Konzept der Acceleratoren, Labs und Inkubatoren hat in den vergangenen Monaten in der Branche Einzug gehalten und wird von einigen Versicherern als gute Möglichkeit gesehen, die eingefahrenen Strukturen aufzubrechen. Die Zusammenarbeit mit Start-ups verspricht neue Blickwinkel, Arbeitsansätze und Ideen, die auf das eigene Geschäft übertragen werden können. Bernd Scharrer vom Allianz Digital Accelerator und Roland Farnbacher (Ergo Direkt iLab) berichteten von ihren Erfahrungen in diesem Bereich. Während die Allianz in ihrem Accelerator Talente unterstützt, die mit ihrer (Unternehmens-)Idee noch am Anfang stehen, setzte das Ergo Direkt iLab auf Ideenfindung innerhalb des Unternehmens. Mit einem Inside-out-Ansatz sollen dabei neue Ideen generiert und verprobt werden.

Blick über den Tellerrand

Einblicke in andere Branchen, in die Bedürfnisse und Sichtweisen der Kunden vermittelte der Partnerkongress anhand dreier verschiedener Themenwelten, die besondere Zukunftschancenfür die Assekuranz bergen:
  • Die Themenwelt "Mobilität" griff ein Thema auf, dass nach wie vor weit oben auf der Agenda vieler Branchen steht. Christian Helwig vom Deutschen Sparkassen- und Giroverband betonte, dass der Kunde immer selbstbestimmter in der Wahl der Kommunikationskanäle werde. Unternehmen müssten den Kunden daher dort bedienen, wo dieser mit dem Unternehmen in Kontakt treten möchte und nicht umgekehrt. Auch wenn der persönliche Kundenkontakt gerade in der sensiblen Finanzdienstleistungsbranche nicht gänzlich verschwinden werde, gewönnen Kommunikationskanäle wie Apps an Relevanz.
  • In der Themenwelt "Individualisierung & Lifestyle" ging Michael Sandvoss, Head of Luxury and Lifestyle bei der Axel Springer Media Impact GmbH & Co. KG, auf Lebensstile in der digitalisierten Welt ein und zeichnete ein Bild des heutigen Kunden. In der Smartphone-Generation herrsche das On-demand-Prinzip. Alle Inhalte müssten sofort verfügbar sein, was Sandvoss als "digitalen Sofortismus" bezeichnete. Gleichzeitig wünschten sich Kunden individualisierbare Produkte und Services. Unternehmen stelle dies vor große Herausforderungen: Sie müssten den Spagat zwischen Individualisierung und Standardisierung meistern und dabei dem Wunsch der Kunden nach Einfachheit und Transparenz gerecht werden.


Markus Rosenbaum, Geschäftsführer der Versicherungsforen Leipzig, übersetzte dieses Kundenbild für die Versicherungswirtschaft. "Super-Individualisierung in der Assekuranz: Ist das möglich?" Nein, heiße es vielfach in der Diskussion um Pay-as-you-live-Tarife in der Lebens- oder Krankenversicherung. Super-individuelle Tarife würden das Prinzip der Versicherung infrage stellen. Dies sei zu kurz gegriffen, machte Rosenbaum deutlich. Der Risikoausgleich im Kollektiv sei weiterhin gewährleistet, denn er erfolge im Kollektiv selbst, indem risikoarme Elemente diejenigen mit einer hohen Risikowahrscheinlichkeit ausbalancierten. Zudem minimiere sich das Kumulrisiko, wenn kein homogenes Versicherungskollektiv vorliege.

Gesetzgeber könnte eingreifen
Die Grenzen lägen demnach nicht in der Versicherungstechnik, sondern eher im Faktischen, etwa dort, wo Bevölkerungsteile systematisch vom Versicherungsschutz ausgeschlossen würden, etwa weil so genannte schlechte Risiken kein Vertragsangebot mehr erhielten oder einen prohibitiv hohen Preis bezahlen müssten (z.B. Vermögensschadenhaftpflichtversicherung für Hebammen). Rosenbaum erwartet, dass der Gesetzgeber dann eingreifen werde, wenn die Superindividualisierung zu Marktunvollkommenheiten führen werde.

  • Die Themenwelt "Connectivity" beschäftigte sich mit einer Entwicklung, der in immer mehr Bereiche des Alltags eindringt. Die digitale Vernetzung beeinflusst die Gesellschaft und die Wirtschaft wie kaum ein anderer Trend. Professor Dr. Andreas Dengel (Deutsches Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz) betonte, dass heutzutage nahezu jedes reale Ereignis augenblicklich mit der digitalen Welt verbunden werde. Die Digitalisierung erzeuge eine neue Qualität von Konnektivität. Diese Entwicklung sei jedoch keineswegs nur eine technologiegetriebene, sondern vielmehr ein sozialer Prozess.

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Bildquelle: © Wavebreak media/gettyimages thinkstock

Autor(en): Katharina Thiemann, Versicherungsforen Leipzig

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