"Die digitale Welt vermittelt keine Werte"

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Wie spricht man junge Menschen auf Finanzen und Vorsorge am besten an? Wie es gelingen kann, zeigt ein Beispiel der Deutschen Bank. In ihrer Berliner Musterfiliale "Quartier Zukunft" diskutierten kürzlich Banker, Wissenschaftler und Jugendliche über Finanzfragen.

Nach wie vor sind die Eltern vor Freunden und einem Finanzberater für Jugendliche die wichtigste Informationsquelle, wenn sie Fragen zu finanziellen Dingen haben. Das hat eine Emnid-Studie vom Frühjahr 2017 ergeben. Und deutlich mehr als die Hälfte der befragten Jugendlichen plädierten für ein obligatorisches Schulfach Finanzbildung. Denn bisher spielt die Schule dabei eher eine untergeordnete Rolle, wie Philipp Mensah, Landesschülersprecher in Berlin und Schüler der 13. Klasse, betont.

Das bestätigt auch Professor Klaus Hurrelmann von der Hertie School of Governance, an der er im Bereich Public Health and Education tätig ist. "Die Bereitschaft junger Leute ist da, sich Wissen zu Wirtschafts- und Finanzthemen anzueignen, aber diese kommen in der Schule so gut wie nicht vor", ärgert er sich und nennt den Zustand skandalös. Das Angebot sei unübersichtlich, die Schule helfe nicht. Dabei könnten Finanzthemen sogar sehr gut in bestehende Unterrichtsfächer integriert werden, wie Mensah betont, so dass man auf ein extra Schulfach verzichten könnte.

Den Lehrstoff auf die Lebenswelten der Jugendlichen zuschneiden
Allerdings dürfe man die Bildungseinrichtung dabei nicht allein lassen, sondern müsse moderne Formate gemeinsam mit Schülern entwickeln, fordert Moritz Ettl, der am Hasso-Plattner-Institut an der Digitalisierung, Transformation und Innovation von Lernprozessen arbeitet. Der Lehrstoff müsse direkt auf die Lebenswelt Jugendlicher zugeschnitten sein. "Die wollen sich nicht ständig mit ihren Finanzen befassen, sondern einen zuverlässigen Begleiter haben", so seine Auffassung.

Daher fordert er eine App für Jugendliche, die von Schülern, Banken und Medien gemeinsam entwickelt werden sollte. Das bestätigt Asoka Wöhrmann, Leiter des Privatkundengeschäfts der Deutschen Bank in Deutschland. "Junge Menschen haben ein anderes Denken und einen anderen Bedarf", weiß er. "Banking muss für sie schnell gehen und intuitiv sowie auf ihre Zwecke zugeschnitten sein."

Die Eltern nicht vergessen
Bei aller Digitalisierung dürfe man die Eltern nicht außer Acht lassen, wirft Benjamin Eimannsberger ein. Der Fachreferent an der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien ist überzeugt, dass die Eltern weiterhin erster Ansprechpartner für Jugendliche sein werden. Finanzthemen müssten daher vereinfacht werden, damit Eltern überhaupt in der Lage seien Basiswissen an ihre Kinder weiterzugeben.

Christina Henke, bei der Deutschen Bank für strategische Projekte vor allem für die Zielgruppe junger Leute zuständig, bekräftigt das. "Die digitale Welt vermittelt keine Werte", so ihre Meinung. "Früher gab es das Taschengeld in die Hand und wanderte in die Sparbüchse. Wenn sie leer war, konnte man kein Geld mehr ausgeben." Heute sei es schon für Jugendliche normal, Geld online und mobil auszugeben. Um diese Prozesse zu steuern, bräuchten Eltern dringend Unterstützung, erklärt sie.

Was die Bankfilialen betrifft, so fühle er sich in den meisten nicht wohl, merkt Philipp Mensah an. Und wenn man ihm ein Altersvorsorgeprodukt anbiete, betreffe ihn das nicht. Davon, also vom reinen Produktverkauf, verabschiede sich gerade die ganze Finanzdienstleistungsbranche, erklärt ihm Wöhrmann. Man gehe stattdessen vom Bedarf junger Leute aus und wolle sie auf verschiedenen Lebensabschnitten begleiten. "Wir wollen freundlicher und angenehmer für alle Kunden werden, auch in unseren Filialen".

Hier können Sie Bilder der Veranstaltung betrachten.

Der Beitrag erschien zuerst auf Springer Professional.

Autor(en): Elke Pohl

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