Eine Einheitsversicherung (k)eine wirklich gute Lösung

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Gesundheitsexperten sind in der Frage eines möglichen Systemwechsels in der Krankenversicherung gespalten. Das zeigte sich auch wieder in einer öffentlichen Anhörung des Gesundheitsausschusses im Bundestag. Dort kamen Befürworter und Gegner der Bürgerversicherung kürzlich zu Wort. Die Fraktion Die Linke hatte im Vorfeld einen Antrag zur Bürgerversicherung gestellt.  

Mit einem Systemwechsel kann nach Ansicht der Linksfraktion die Gesundheitsversorgung billiger und besser gestaltet werden. In ihrem Antrag fordern die Abgeordneten die Einführung einer solidarischen Gesundheits- und Pflegeversicherung und die Abschaffung der privaten Krankenvollversicherung.

Deutsches Gesundheitssystem weltweit herausragend
Mehrere Sachverständige wandten sich entschieden gegen einen solchen Systemwechsel. Die Bundesärztekammer (BÄK) erklärte, das Nebeneinander von GKV und PKV sei "ein wesentlicher Grund dafür, dass das deutsche Gesundheitssystem einen weltweit so herausragend hohen Entwicklungsstand erreichen konnte".

Eine "Einheitsversicherung" biete auch keine Antwort auf die Frage, wie das Gesundheitswesen angesichts der älter werdenden Gesellschaft dauerhaft finanziert werden könne. Zudem würden der ärztlichen Versorgung bis zu 5,3 Milliarden Euro pro Jahr entzogen, warnte die Ärzteorganisation in Anspielung auf die höheren Gebührensätze für Privatversicherte. Auch etwa Hebammen oder Physiotherapeuten müssten nicht unerhebliche Mindereinnahmen hinnehmen.

Suche nach Wegen der Kompensation
Das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) sieht in der solidarischen Bürgerversicherung vor allem ökonomische Risiken. Bei einer Abschaffung der Zusatzbeiträge müssten die Arbeitgeber in der ersten Runde sechs Milliarden Euro zusätzlich an Beiträgen zahlen. Die Firmen würden dann "nach Möglichkeiten suchen, diese zusätzliche Belastung zu kompensieren".

Der Rechtsexperte Helge Sodan machte in der Anhörung verfassungsrechtliche Bedenken geltend, falls die PKV-Vollversicherung und die Beitragsbemessungsgrenze abgeschafft würden. Die Altversicherten in der PKV könnten sich auf einen Bestandsschutz berufen. Die Aufhebung der Beitragsbemessungsgrenze wäre überdies "eindeutig unverhältnismäßig und damit verfassungswidrig", weil mit steigendem Einkommen die Krankenversicherungsbeiträge grenzenlos mit ansteigen würden.

Nicht begründbare Ungleichbehandlungen
 Der Gesundheitsökonom Stefan Greß von der Hochschule Fulda machte als Befürworter der Bürgerversicherung "schwerwiegende Defizite" im dualen System aus. Die jetzigen Verzerrungen im System gingen zu Lasten der GKV und führten zu "nicht begründbaren Ungleichbehandlungen zwischen unterschiedlichen Versichertengruppen".

Die Integration der Versicherungssysteme "würde einheitliche Rahmenbedingungen für den Wettbewerb der Krankenversicherer untereinander schaffen" und damit die Ursachen für Risikoselektion, Ungleichbehandlungen und Fehlanreize beseitigen. Greß sprach sich für eine Stichtagsregelung aus, um die Vorzüge des neuen Systems sofort wirksam werden zu lassen. Die bisherigen PKV-Versicherten könnten ein Wechselrecht unter Mitnahme der Altersrückstellungen bekommen.

Versicherte immer stärker einseitig belastet
Der Sozialverband Deutschland monierte, die eigentliche Frage einer langfristig stabilen und gerechten Finanzierung der GKV sei bisher nicht im Sinne der Versicherten angegangen worden. Stattdessen seien Leistungen ausgegliedert, gekürzt und die Versicherten immer stärker einseitig belastet worden. Künftig sollten alle Bürger entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit an der solidarischen Finanzierung der Kranken- und Pflegeversicherung beteiligt werden.

Der GKV-Spitzenverband wollte sich zur Systemfrage nicht grundsätzlich positionieren, vermerkte aber kritisch, dass bei einigen gesetzlichen Neuregelungen der Infrastruktur und Versorgungsstruktur die PKV auf Kosten der GKV profitiert habe. So sei etwa die PKV am Strukturfonds zur Reform der Krankenhauslandschaft nicht beteiligt, obwohl ihr gleichermaßen der Abbau von Überkapazitäten nütze.

Quelle: Deutscher Bundestag

Autor(en): Meris Neininger

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