Feldzug gegen die Rente mit schrägen Zahlen

"Private Renten verfehlen das Ziel, den Verbrauchern als Altersvorsorge zu dienen", lässt sich Axel Kleinlein in seiner Eigenschaft als Vorstand des bekannt lebensversicherungskritischen Bund der Versicherten (BdV) zitieren. Damit setzt der Verband seine Reihe von Stellungnahmen fort, in denen der Sinn der Rentenversicherung grundsätzlich in Frage gestellt wird.

Diesmal stützt sich der BdV auf ein in der "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (FAZ) abgedrucktes Streitgespräch zwischen dem Ergo Leben-Vorstand Johannes Lörper und Kleinlein. Lörper hatte darin behauptet, dass 90 Prozent der Rentenversicherungen als Einmalkapitalzahlung und nicht als laufende Rente ausgezahlt werden. "Demnach spielt die private Rentenversicherung als Altersvorsorge keine nennenswerte Rolle", so der BdV in einer Pressemitteilung.

Heute dominiert die Einmalleistung

Dazu stellt der BdV eine Berechnung auf, die zum Nachdenken anregt:
Von 100 Verträgen, die allerdings in der Pressemitteilung mal mit 30 und
mal mit 35 Jahren abgeschlossen würden, würden allein 71 Verträge "im
Verlauf bis Alter 67 storniert". Weitere vier Verträge würden durch
vorzeitigen Tod der versicherten Person enden. 22 Verträge nach der von
Lörper benannten Quote würden durch Auszahlung der Kapitalleistung als
reiner Sparvertrag und nicht als lebenslange Altersvorsorge genutzt.
Bleiben drei Verträge übrig, die ihrem tatsächlichen Zweck dienen.

Die Berechnung lässt tatsächlich am Sinn der Rentenversicherung zweifeln. Allerdings wirft sie auch zahlreiche Fragen auf. Der Anteil von 71 Prozent vorzeitig beendeter Rentenversicherung kann jedenfalls vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) nicht bestätigt werden.

Äpfel (alte Kapital-) mit Birnen (neue Rentenversicherungen) verglichen
Der GDV weist darauf hin, dass erst seit 2004/2005 mit dem Inkrafttreten des Alterseinkünftegesetzes ein "mittels steuerlicher Lenkungseffekte eingeleiteter Paradigmenwechsel zu Produkten" stattfand, "die eine lebenslange Rente auszahlen". Der Gesamtbestand der Rentenversicherungen ist von unter zehn Millionen im Jahr 2000 auf 39 Millionen im Jahr 2012 sprunghaft angestiegen. Das bedeutet, dass es noch gar keine langjährigen Erfahrungen mit der Abbruchquote dieser Vertragsart vorliegen können.

Auch stellt sich die Frage, ob "Stornierung" immer auch Rückkauf oder nicht doch recht häufig eine Beitragsfreistellung bedeutet, bei der zwar der ursprüngliche Versorgungszweck nicht mehr vollständig erreicht wird, aber auch kein Totalverlust stattfindet.

Auch die 90 Prozent Auszahlung als Kapitalleistung kann der GDV so nicht bestätigen und verweist darauf, dass vor dem Alterseinkünftegesetz Rentenversicherungen mit Kapitalwahlrecht gerne als Alternative zur Kapitallebensversicherung, aber ohne die Kosten eines Todesfallschutzes, abgeschlossen wurden. Das lässt aber keine Aussage darüber zu, ob auch nach der Einführung der staatlichen Förderung der Riester-Rente 2001 und nach der Änderung der steuerlichen Vorteilhaftigkeit von Einmal- und von Rentenleistungen 2005 immer noch ein so hoher Anteil der Kunden lieber das Kapitalwahlrecht als die Rente wählen wird, wenn die durchschnittlich rund 30 Jahre Aufschubzeit erstmals um 2030 herum erfüllt sein wird.

Was ist überhaupt Altersvorsorge?
Eine andere, grundsätzliche Frage bleibt auch, welches Verständnis von Altersvorsorge bei Verbraucherschützern vorherrscht. Nur weil der seinerzeitige Regierungsberater Professor Rürup die Bundesregierung erfolgreich in die Richtung beraten hat, dass nur Leibrenten als echte Altersvorsorge zu betrachten und zu fördern seien, muss dies keine Bibel sein. Auch ein rechtzeitig zum Rentenbeginn entschuldetes Eigenheim kann eine hervorragende Altersvorsorge sein, wie jüngst sogar der bekannte Versicherungs- und Banken-kritische Analyst und Verfechter der Honorarberatung Volker Loomann in der FAZ einräumt. Und zur Entschuldung wird nun einmal eine Einmalleistung und eben nicht die laufende Rente benötigt, insbesondere weil die Tilgung ganz im Sinn des Verbraucherschutzes unnötige künftige Zinszahlungen vermeidet.

Die Schlussfolgerungen des BdV, dass Rentenversicherung per se überflüssig und besser nicht abzuschließen sind, stellen ein Plädoyer für die Altersarmut und Abhängigkeit von der Willkür eines halbstaatlich gelenkten Sozialversicherungs- und Ruhegehaltssystems der öffentlichen Hand dar. Selbst wenn alle vom BdV genannten Zahlen richtig wären, ist auch eine ganz andere Interpretation möglich. Alle Beteiligten, sowohl die Anbieter (Versicherer) als auch die Verbraucherschutzverbände und die von ihnen befütterten Medien, sollten die Verbraucher darüber aufklären, dass
  • erstens private Vorsorge dringend notwendig ist,
  • und dass sie zweitens auch bis zum vertraglichen Ende durchzuhalten ist, auch wenn das einen schmerzlichen Konsumverzicht bedeutet.


Neuen common sense schaffen
Und insbesondere sollten Verbraucher den Verlockungen auch des Vertriebs widerstehen, Verträge wegen vermeintlich vorteilhaftigeren Wechsels zu anderen Gesellschaften oder aber wegen Panikmeldungen über rückläufige Verzinsungen vorzeitig zurückzukaufen. Immerhin ist es in den letzten Jahren zum common sense unter den meisten Verbraucherschützern geworden, einmal laufende Verträge nicht leichtfertig zu kündigen. Nun wäre der nächste Schritt sinnvoll, einen common sense dahingehend zu entwickeln, dass eine jede noch so niedrig verzinste Rentenversicherung immer noch besser ist als gar keine Vorsorge, und deshalb Rentenversicherungen als einer von mehreren Bestandteilen einer sinnvollen Altersvorsorge empfohlen werden abzuschließen.

Bildquelle: © Uschi Dreiucker/

Autor(en): Matthias Beenken

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