Gesundheitsreform steht: PKV hofft auf Verfassungsklagen

Nach langem Ringen scheint die Gesundheitsreform nun zu stehen. In den zentralen Streitpunkten Private Krankenversicherung (PKV), Zusatzbeiträge und mögliche Belastung einzelner Länder haben sich die Koalitionsparteien jetzt erst einmal auf einen Kompromiss geeinigt.
Nach diesem müssen die privaten Krankenversicherer künftig einen "Basistarif" anbieten, der in etwa so viel abdeckt wie die gesetzliche Krankenversicherung. In diesen Tarif müssen auch ehemalige Privatversicherte aufgenommen werden, die ihren Versicherungsschutz verloren haben, sowie alle "freiwillig Versicherte" der gesetzlichen Krankenversicherung - also die Gutverdiener. Dies gilt unabhängig davon, ob sie krank sind oder nicht. Die SPD konnte sich durchsetzen mit Regelungen, die auch Personen nach Auslandsjahren oder ehemals Privatversicherten die Aufnahme in die PKV ermöglichen sollen.

Über den Basistarif hinausgehende Leistungen sollen extra versichert werden können. Beim Basistarif wird es aber keine Pauschalbeiträge geben. Die privaten Krankenversicherer können ihre Beiträge weiterhin nach Geschlecht und Alter kalkulieren. Ursprünglich hatte die SPD einen pauschalen Beitrag angestrebt. Der Beitrag darf aber nicht höher sein als der Höchstbeitrag der gesetzlichen Krankenversicherung. Das sind derzeit gut 500 Euro im Monat. Wenn durch die Bezahlung einer solchen Prämie aber Hilfebedürftigkeit ausgelöst wird, reduziert sich der Basistarif auf die Hälfte. Kann ein Betroffener auch die Hälfte des Beitrags, also 250 Euro, für den Basistarif ohne Hilfe des Staates nicht zahlen, bekommt er von den Sozialbehörden einen Zuschuss "im notwendigen Umfang", maximal aber 125 Euro.

Die heiß umstrittene Mitnahmerecht der Alterungsrückstellungen, also die so genannte Portabilität, die den Wechsel zwischen Privatversicherungen erst ermöglichen soll, wird nach den Beschlüssen auf ein Rechenmodell reduziert. Im dem Entwurf heißt es jedoch nur lapidar: Die Rückstellungen sollen "bei Wechsel der Versicherungen im Umfang des Basistarifs anrechnungsfähig gestaltet" werden. Im Klartext heißt das: Die Wechselmöglichkeiten innerhalb der PKV werden begrenzt. Ein Wechsel innerhalb der PKV wird zwar erleichtert, da die Altersrückstellungen künftig mitgenommen werden können - allerdings nur bis zur Höhe eines neuen Basistarifs. In einer Übergangsfrist von fünf Jahren können unter 40-Jährige ihre Alterungsrückstellungen gar nicht mitnehmen. Dies dürfte einen Wechsel in dieser Zeit stark erschweren.

Für jeden Vollversicherten in der PKV hieße das aber: Wer mehr Schutz hat als den Basistarif und auch bei einer neuen Krankenversicherung mehr Schutz möchte, wird ein Wechsel innerhalb der PKV ein großes Verlustgeschäft. Eine Mitnahme der Alterungsrückstellungen bei einem Wechsel von der privaten Krankenversicherung zurück in die gesetzliche, wie er ursprünglich einmal geplant war, wird es allerdings nicht geben. Nach den Beschlüssen wird die private Krankenversicherung also etwas flexibler gestaltet. Die PKV trägt aber nicht zur Finanzierung des Gesundheitsfonds bei.

Nach Auffassung des Verbands der Privaten Krankenversicherung (PKV Verband) werden die Beschlüsse der Koalitionsspitze aber genau zu analysieren sein. Zwar scheint die Koalition an dem Eckpunkt "Erhalt der Vollversicherung in der privaten Krankenversicherung" prinzipiell festhalten zu wollen. Es sei aber unverkennbar, dass die PKV durch Einzelregelungen, die zu einer massiven Verteuerung ihrer Beiträge führen, um ihre Attraktivität gebracht werden soll.

Außerdem seien einzelne Eingriffe verfassungswidrig. So soll der Versichertenbestand zur Mitfinanzierung des neu einzuführenden Basistarifs herangezogen werden. Damit wälzt die Große Koalition über Steuern zu finanzierende Umverteilungsaufgaben auf die Privatversicherten ab. Das sei nicht akzeptabel. Ebenso wenig akzeptabel seien die vorgesehenen Wechselmöglichkeiten im Bestand. Denn: damit verbunden sei ein verfassungswidriger Eingriff in bestehende Verträge sowie eine deutliche Erhöhung der Beiträge für die bereits heute privat Krankenversicherten. Sollte die vorzunehmende genaue Prüfung der von der Koalitionsspitze getroffenen Vereinbarungen - und insbesondere auch deren gesetzestechnische Umsetzung - bestätigen, dass rechtliche Hürden ignoriert worden sind, wird eine verfassungsrechtliche Klärung auf dem dafür vorgesehenen Rechtsweg, nach Auffassung des PKV Verbands, unausweichlich sein. Der Verband hofft daher auf zahlreiche Verfassungsklagen von Privatversicherten.

Autor(en): Helmut Zermin

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