Grüne wollen Versicherungsvertrieb radikal ändern

Die Bundestagsfraktion der Grünen hat vergangene Woche ein Positionspapier beschlossen, mit dem Konsequenzen aus Finanzkrise, Vertriebsskandalen und grundlegenden Fehlern im System des Versicherungsvertriebs gezogen werden sollen.

Auf Augenhöhe statt unter der Gürtellinie
Als besonderes Problem machen die Grünen die Strukturvertriebe aus, die sie mit einem Schneeballsystem vergleichen. Ausdrücklich nimmt die Partei Bezug auf Informationen von Aussteigern, auf den Budapestskandal von HMI oder den MEG-Film. "Üppige Provisionen" seien "dafür verantwortlich, dass sich im Versicherungsmarkt eine Vielzahl von VertreterInnen tummeln, denen es nicht um die Belange der KundInnen, sondern nur um den schnellen Profit geht", heißt es mit Bezug auf die Lebens- und die Krankenversicherung.

Ziel der Politik müsse sein, dass Verbraucher auf Augenhöhe mit den Vermittlern, aber auch Vermittler auf Augenhöhe mit den Versicherern verhandeln können. Dazu schlagen die Grünen eine Reihe Maßnahmen vor.

Honorarordnung gefordert
Bereits vom Verbraucherschutzministerium sowie von der SPD-Bundestagsfraktion bekannt ist die Forderung nach einem Ausbau der Honorarberatung. Wie die SPD fordern auch die Grünen, die Versicherer zum Angebot von Nettotarifen zu zwingen. Versicherungsberater sollen Versicherungen vermitteln dürfen. Das allerdings dürfte wohl nur mit einem allgemeinen Annahmezwang für Versicherungen umsetzbar sein.

Der Umstieg in die Honorarberatertätigkeit soll auch nach Vorstellungen der Grünen gefördert werden, indem provisionspflichtige Verträge für eine begrenzte Zeit weiter laufen dürfen. Angesprochen wird die zu lösende Umsatzsteuerproblematik bei Honoraren. Nicht angesprochen wird das Thema Versicherungsteuer, das die Honorargestaltung bei Schadenversicherungen erschwert.

Anders als das Verbraucherschutzministerium fordern die Grünen zusätzlich eine Honorar- beziehungsweise Gebührenordnung für die Versicherungsberatung.

Vertrauensgut-Charakter rechtfertigt Kostenoffenlegung
Ein weiterer Schwerpunkt der Vorschläge betrifft die Kostenoffenlegung. "Wir fordern die vollständige Abschlusskostentransparenz für alle Versicherungsprodukte". Einwände der Betroffenen, dass andere Branchen wie beispielsweise der Autohandel ihre Kosten nicht offenlegen müssen, werden als "Scheinargument" eingeordnet mit der Begründung, "dass es sich bei Versicherungs- und Finanzprodukten um Vertrauensgüter handelt".

Außerdem soll die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) Merkblätter herausgeben, in denen der Kunde über marktübliche Provisionshöhen informiert wird.

Laufende Provision in Leben
Speziell in der Lebensversicherung soll die Abschlussprovision abgeschafft und durch eine laufende Provision über die gesamte Ansparzeit ersetzt werden. Zudem wird eine Begrenzung aller Vergütungen auf fünf Prozent der Anlagesumme gefordert.
Dass die Abschaffung der Abschlussprovision Vermittlern Probleme bereiten wird, verkennen die Grünen zwar nicht, halten dies aber aus Verbraucherschutzgründen für hinnehmbar.

Aufsicht an die BaFin
Grundlegend verändert werden soll die Beaufsichtigung der Vermittler. Das derzeitige System der zwischen Industrie- und Handelskammern und BaFin beziehungsweise Versicherern geteilten Aufsicht wird als nicht ausreichend kritisiert und soll durch eine zentrale Aufsicht über alle Vermittler durch die BaFin abgelöst werden. Nur so könne verhindert werden, dass beispielsweise in Strukturvertrieben ungeeignete Personen tätig werden. Für die BaFin würde das allerdings nach Meinung der Grünen bedeuten, eine regionale Struktur neu aufbauen zu müssen.

Außerdem soll das Versicherungsvermittlerregister deutlich verändert und aussagekräftiger gestaltet werden, damit der Kunde brauchbare Informationen zum Status, zur Qualifikation, dem Marktüberblick oder der Höhe der Berufshaftpflichtversicherung erhält.

Ausgleich um Ausstieg
Die Grünen wollen die Privilegierung der gebundenen Vertreter abschaffen. Alle Vermittler sollen eine Sachkunde nachweisen und diese durch Weiterbildung aufrechterhalten.

Für Vertreter interessant ist der Vorschlag, den § 89b HGB zum Ausgleichsanspruch zu ändern. Künftig sollten Vertreter auch bei Eigenkündigung einen Ausgleich erhalten, was derzeit bis auf Kündigungen wegen Alter oder Krankheit ausgeschlossen ist. Begründet wird der Vorschlag damit, dass Vertreter dann leichter Produktionsdruck und schlechten Produktsortimenten ausweichen und bei ihrem Versicherer "aussteigen" können.

Schließlich fordern die Grünen, den Beratungsverzicht abzuschaffen sowie eine Berücksichtigung von ökologischen, sozialen oder ethischen Anlageformen in Produktinformationen und der Beratung.

Bild: © Uwe Steinbrich /

Autor(en): Matthias Beenken

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