Innovative Unfallversicherung gegen spontane Angst

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Digitale Ideen können Berge versetzen. Zwar gibt es noch nicht den disruptiven Ansatz, der die Branche das Zittern lehrt, doch situative Versicherungen sind ein besonderer Spielball viele Insurtechs. Da will auch die Deutsche Familienversicherung (DFV) nicht abseits stehen.

„Vor dem Bungee-Sprung am Rand der Brücke kann man per Klick auf unsere App den Schutz noch hochfahren“, erläutert Stefan Knoll, Vorstand und Gründer der DFV. Der Unfallschutz funktioniert also als spontaner Angstnehmer. Er versetzt keine Berge, könnte in den Bergen aber die Höhenangst reduzieren. Und das gleich für Mitwanderer, Partner oder Kinder. Möglich ist es so, den Schutz von 175.000 auf über 500.000 Euro hochzuschrauben.

Ein Grundvertrag notwendig
Das wäre dann die Entschädigung, wenn sich der Kunde beim Sturz vom Berg oder durch einen Bungee-Sprung so schwer verletzt, dass eine 100-prozentige Invalidität vorliegt. Die Endsumme steht noch nicht ganz fest. Als Starttermin nennt die DFV den 15. Juli 2017. Voraussetzung für den „Mehrversicherungs-Klick“ auf die App ist nicht nur ein Internetzugang, sondern auch mindestens einen Versicherungsnehmer mit einer Grundabsicherung. Dabei kann der Kunde zwischen den Varianten Basis, Komfort, Premium oder Exklusiv wählen. In eine dieser Varianten kann der Kunde auch Familie oder Bekannte „einbuchen“.
„Wir brauchen den Grundvertrag, damit wir dem Kunden nicht bei jeder Erhöhung neue Bedingungen zusenden müssen“, erläutert DFV-Chef Noll. Wählt der Kunde nur die Basisabsicherung, hat er lediglich eine Invaliditätsgrundsumme von 25.000 Euro. Die wird über Progression und Mehrleistung ab 90 Prozent Invalidität dann auf 175.000 Euro gepusht.

Gradwanderung bei der Verbraucheraufklärung
Erleidet der Kunde aber nur eine 50-prozentige Invalidität, dann erhält er nach gängigen 350-Prozent Progressionstabellen 100 Prozent der Grundsumme, im Beispiel also lediglich 25.000 Euro. Die Idee, den Versicherungsschutz situativ raufzuschrauben, ist somit in puncto Verbraucheraufklärung eine echte Gradwanderung. Denn laut Versicherungsvertragsgesetz soll bedarfsgerecht beraten werden. Daher müsste darauf verwiesen werden, dass ein Unfall eben nicht nur in den Bergen oder beim Bungee-Jumping passieren kann. Gefährdet sind die Menschen vor allem im Alltag, etwa als Verkehrsteilnehmer, bei Haus- und Heimwerkertätigkeiten oder beim Freizeitsport.
Wer dann – etwa über eine Selbstberatung per Internet - mit der Basisdeckung unterwegs ist, dürfte oft unterversichert sein. Bei einer bedarfsgerechten Beratung, wie sie alle Versicherungsvermittler leisten müssen, dürfte daher der Rat immer zum Premiumprodukt mit hoher Grundsumme gehen. In der Exklusivdeckung liegt diese immerhin bei 100.000 Euro. Damit würde die Höherversicherung per App eher zum Gimmick degradiert.

Leistung per App anfordern
Mit dem Start der Unfallpolice wird laut Noll zudem der Unfallbegriff deutlich ausgeweitet. Geleistet wird bei äußeren Einwirkungen auf den Körper. Damit soll angeblich besser zwischen Unfall- und Krankheit unterschieden werden. Eine enumerative Liste von ICD-10-Codes (International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems) soll den Versicherungsschutz definieren. Ob das tatsächlich transparenter ist, wird sich zeigen. Noch feilt die DFV an den Bedingungen. Mit dem ICD-10-Codes soll eine Leistungsregulierung innerhalb von 48 Stunden möglich sein. Dafür müsse lediglich die Krankenhaus- oder Arztrechnung abfotografiert und per App weitergeleitet werden. Anscheinend will das Unternehmen auf eigene ärztliche Gutachten zur Überprüfung der Invalidität verzichten. Wie das in der Praxis umgesetzt wird, bleibt abzuwarten. Denn gleichzeitig will Noll die Schäden intensiv auf Betrug überprüfen und auch bei Bagatellen gegen potentielle Betrüger vorgehen.

Reihe von Mehrleistungen, die Geld kosten (werden)
Verkauft werden soll das neue Produkt per Internet und Versicherungsmakler. Schon heute setzt die DFV rund 50 Prozent ihrer Produkte über Online-Kanäle ab. „Wir investieren in Online-Werbung, etwa über Google, monatlich rund 350.000 Euro“, so Noll. Die Vertriebswege Internet und Versicherungsmakler wären aber vollkommen gleichberechtigt. Es gäbe keine Prämienunterschiede. Auch die Frage des Preises ist beim neuen Unfallprodukt noch offen. Ganz preiswert dürfte es nicht werden, denn es enthält eine Reihe von Mehrleistungen, die in der Kalkulation berücksichtigt werden müssen. Unter anderem gibt es kosmetische Operationen in der Höhe von 18.000 Euro, Nachhilfeunterricht für Kinder, Pflege von Angehörigen, Psychologische Betreuung, Komageld und Haustierbetreuung.

Autor(en): Uwe Schmidt-Kasparek

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