Kfz-Versicherung ist Vorreiter bei Big Data

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Wie die Assekuranz die Massendaten, die durch die Digitalisierung entstehen, sinnvoll und einträglich verarbeiten muss, war Thema auf dem zehnten Symposium der Forschungsstelle aktuarielles Risikomanagement des Instituts für Versicherungswesen der TH Köln (). Wie das Füllhorn an Informationen intelligent genutzt werden kann, veranschaulichte Astrid Smolarz von IBM am Beispiel des Schadenmanagements in der Kfz-Sparte.

Bereits bei der telefonischen Erstaufnahme könne anhand der geschilderten Informationen des Kunden und den vorhandenen Daten des Versicherers eine sofortige Abrechnung erfolgen. Der Sachbearbeiter könne zum Beispiel im Falle einer fiktiven Abrechnung sofort den Wiederbeschaffungswert ermitteln und dem Kunden eine Entschädigung offerieren, ohne dass der Versicherer einen Gutachter einschalte. "Die ganzen Daten hierfür liegen im Haus", sagte Smolarz an die Adresse der Versicherer gerichtet.

APIs ermöglichen einfache Integration
Natürlich, schränkte sie ein, ist ein solches Verfahren für einfache Schadenfälle gedacht, bei komplexen Schadenereignissen muss nach wie vor der klassische Durchlauf erfolgen. Laut IBM-Manager Alexander Schäper erlaubten "viele kleine" Programmierschnittstellen (APIs) eine "einfache Integration" in vorhandene IT-Systeme. Nicht nur in der Kfz-Versicherung, auch in der Kranken- und Leben-Sparte erhalten datengetriebene Policen Einzug.

In der privaten Krankenversicherung (PKV) gebe es "verschiedene Einzelaktivitäten, aber keine geschlossene Aufarbeitung des Themas", fasste Dr. Werner Goldmann, Leiter der Abteilung Aktuariat der Central Krankenversicherung zusammen. In der (Fach-)Öffentlichkeit werde besonders die Produktgestaltung und Preispolitik diskutiert. "Es stellt sich die Frage, was bezüglich der Produktgestaltung und Preisfestsetzung zulässig ist und was nicht", so Goldmann. Die Antwort hierauf müsse sich aus den gesetzlichen Regelungen ergeben, speziell aus dem VVG, VAG und der KVAV, der Krankenversicherungsaufsichtsverordnung. Aus aktuarieller Sicht, führte Goldmann aus, sei das "Datenschutzthema hier nicht weiter zu betrachten, sondern vorauszusetzen, dass sich die Versicherer hier selbstverständlich an die gesetzlichen Normen zu halten haben und das auch berücksichtigen". Beitragsänderungen, die auf der Tatsache beruhen, das der Kunde keine Daten liefert oder sich seine Gesundheitswerte verschlechtert haben, sind nach Goldmanns’ Worten "nicht zulässig".

Vielfältige Treiber für Telematik-Tarife
Ebenso unzulässig seien "spezielle Tarife nur für Personen, die Daten liefern oder einen bestimmten Gesundheitszustand haben". "Auch Rabatte nur für Personen, die Daten liefern oder einen bestimmten Gesundheitszustand haben, sind nicht zulässig", so Goldmann. Verglichen mit den meisten anderen Versicherungssparten hätten die PKV-Anbieter "deutlich häufigere Schadenfälle und damit eine relativ große Informationsmenge zur Verfügung". Viele dieser Daten seien sogar gut strukturiert, zum Beispiel nach Diagnoseschlüsseln (ICD), Pharmazentralnummern (PZN) oder Leistungen nach den Gebührenordnungen für Ärzte und Zahnärzte. Bis vor wenigen Jahren, schilderte Goldmann, wurden standardmäßig nur die für die operative Verarbeitung benötigten Daten erfasst, also zum Beispiel nicht alle Einzelposten einer Rechnung. Erst die Digitalisierung habe eine weitgehende Erfassung aller Daten durch Methoden des Scannens und Erkennens oder durch Foto-Apps ermöglicht. Goldmanns' Konsequenz hieraus: "Lange Datenreihen über viele Jahre liegen oft nur bruchstückhaft vor".

Eine zentrale Herausforderung für Versicherer besteht denn heute darin, aus den Datenbergen gewinnbringende Erkenntnisse zu fördern. Tatsächlich treibt die Assekuranz nach anfänglichem Zögern die Nutzung von Big Data und den Einsatz von Advanced Analytics nun voran. Mit den heute schon verfügbaren Telematik-Tarifen ist die Kfz-Versicherung Vorreiter bei der Big Data-Nutzung. Doch die Berechnung des Telematik-Bonus erfolge weitgehend auf Grundlage von Heuristiken und nicht auf Massendaten. Auf diesen Umstand wies Dr. Clemens Frey hin, Partner beim Beratungshaus PwC und Aktuar DAV.

Freys Kollege Frank Schönfelder, PwC-Manager und Aktuar DAV, verglich fünf aktuell verfügbare Telematik-Tarife verschiedener Versicherer. "Die von den Versicherern angegebenen möglichen maximalen Rabatte dominieren nicht durchgehend den Preisunterschied des Basistarifs zu anderen Wettbewerbern", lautete sein Ergebnis. Die statistische Risikodifferenzierung sei aber nicht der alleinige Treiber für Telematik-Tarife in Deutschland. Potenziale sieht Schönfelder im häufigerem Kundenkontakt, in der Vermarktung weiterer Produkte (Reifen, Ölwechsel), der Schadenvermeidung durch App-basierte Anreize zu defensivem Fahren und der Schadenminderung durch eine mögliche Werkstattsteuerung nach einem Unfall.

Bild: © Cassis /Fotolia.com

Autor(en): Umar Choudhry

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