Nachdenken über Social Media

Würde zum aktuellen Zeitpunkt eine Bilanz zu den Social-Media-Erfolgen von Versicherungsunternehmen gezogen werden, sähe das Ergebnis ernüchternd aus. So zumindest die weit verbreitete Meinung innerhalb der deutschen Versicherungswirtschaft. Wann sind Social-Media-Aktivitäten erfolgreich und wann nicht? Um dieser Frage nachzugehen, luden die Versicherungsforen Leipzig bereits zum dritten Mal zum Fachsymposium "Social Media in der Versicherungswirtschaft" ein, an dem rund 100 Repräsentanten der Assekuranz teilnahmen.

Auf dem Fachsymposium trafen sich Verantwortliche aus den Bereichen Unternehmenskommunikation, Marketing, Social Media und Community Management zum Erfahrungsaustausch. Die Referenten, unter anderem von der Helvetia Versicherungen AG, der Ergo Direkt, der Barmenia, der Deutschen Telekom und der R + V, skizzierten verschiedene Szenarien für die Nutzung von Social Media und zeigten anhand von Best-Practice-Beispielen neue Geschäftspotenziale auf.

So erläuterte Frank Roth, Leiter Unternehmenskommunikation bei Ergo Direkt, in seinem Vortrag, dass mit der Weiterentwicklung sozialer Medien auch der Druck auf Marken wächst. Er illustrierte anhand von Beispielen, dass Marken auch ohne das Zutun von Unternehmen beeinflusst werden können, da der Einzelne zunehmend Einfluss auf die öffentliche Meinungsbildung nehmen kann. Mit dieser Entwicklung gehe ein großer Machtverlust für Unternehmen einher, der sie zu mehr Transparenz und authentischer Kommunikation zwinge. Von daher wachse der Druck auf Unternehmen, sich dieser Herausforderung zu stellen. Außerdem merkte er an, dass Social Media für ihn in erster Linie Kommunikation und nicht Vertrieb sei.

Die Party nicht durch Verkaufsgespräche stören
"Facebook ist wie eine Party! Wenn einem in den ersten fünf Minuten etwas verkauft werden soll, geht man wieder!" Werner Panhauser, Vorstand für das Ressort Marketing und Vertrieb bei der Helvetia Versicherungen AG, stimmte mit seinem Vortrag zur Implementierung einer Social-Media-Strategie im Innen- und Außendienst in diesen Tenor ein und stellte dem Publikum die Frage, wo denn der Return on Invest für ihre Social-Media-Aktivitäten liege. Er plädierte dafür, sich von dem Gedanken zu verabschieden, Social-Media-Aktivitäten eine direkte Kosten-Nutzen-Rechnung gegenüberzustellen. Beim Thema Vertrieb über soziale Plattformen zeigte er sich skeptisch. Seiner Ansicht nach sollte eher die Kommunikation mit den Kunden und deren langfristige Bindung im Vordergrund stehen. Der Verkauf von Versicherungsprodukten über diese Kanäle würde nur unterschwellig funktionieren und sich erst auf lange Sicht auszahlen.

Der Unterschied zwischen Social Media und einem Schnupfen: Man sollte nicht darauf warten, dass es vorbei geht. In Form von Kurzpräsentation äußerte sich unter anderem Suitbert Monz, verantwortlich für das Marketing und Community Management bei der R + V zum aktuellen Stand ihrer Social-Media-Maßnahmen. Dabei unterstrich Monz, dass das Thema Social Media zunächst bedeute, den Wandel des Kommunikationsverhaltens der Gesellschaft aufzugreifen und die damit entstandenen neuen Dialogkanäle zu akzeptieren. Die hohe Bedeutung der Zielgruppe "Digital Natives" hat in seinem Unternehmen für ein Umdenken gesorgt, dem neue Konzepte zur Ansprache über soziale Medien folgten und das eine Anpassung interner und externer Prozesse nach sich zog.

Blick über den Tellerrand
Mit einem Blick über den Tellerrand in Richtung USA erläuterte Professor Dr. Alyosh Agarwal von der Macromedia Hochschule für Medien und Kommunikation in München, wie sich große amerikanische Versicherer, wie etwa State Farm, die neuen Medien zu Nutze machen und welche signifikanten Erfolge sie dabei bereits verzeichnen können. Im Gegensatz zu den Europäern setzen die Amerikaner bei den sozialen Medien und ihren Möglichkeiten verstärkt auf deren Unterhaltungswert in Form von originellen Videos und YouTube-Spots, in denen unternehmenseigene Maskottchen oder auch bekannte Gesichter aus der Filmbranche auftreten. Agarwal räumte allerdings ein, dass die Amerikaner an manchen Punkten vielleicht einen Schritt voraus seien, sich jedoch beim Thema vertrauensbildende Maßnahmen eher ein Beispiel an den Europäern, insbesondere an Deutschland, nehmen sollten.

Den Abschluss des Symposiums bildete ein Vortrag aus dem Hause Telekom Deutschland. Oliver Nissen, Leiter im Contact Center Kiel, gab darin interessante Einblicke, wie die Telekom durch gezielte Kundenansprache und die Entwicklung eines umfassenden Kundenservices via Social Web den gezielten Aufbau eines Beziehungsmanagements zum Kunden verfolgt. Durch glaubhafte Kommunikation von geschulten Mitarbeitern, als die wichtigsten Markenbotschafter von Unternehmen, konnte die Telekom erfolgreich an ihrer Reputation arbeiten und erzeugt regelmäßig eine positive Meinungsbildung. Seiner Ansicht nach dürfen Versicherer soziale Netzwerke heute nicht mehr ignorieren; der Austausch findet so oder so statt.

Es gibt noch viel zu untersuchen
Das veränderte Kommunikationsverhalten der Kunden via Social Media stellt einen Wissensbereich dar, der noch nicht umfassend untersucht wurde und aufgrund der Eigendynamik sozialer Medien einem ständigen Wandel unterliegt. Eine Vielzahl der Versicherungsunternehmen experimentiert daher noch. Viele der aufgesetzten Social-Media-Aktivitäten sind noch immer sehr kampagnenlastig, obwohl die meisten Verantwortlichen wissen, dass die sozialen Medien in ihrer Wirkung viel langfristiger ausgelegt sind als eine zeitlich begrenzte Kampagne.

Die Basis für die Entwicklung von Social-Media-Maßnahmen sollte stets eine strategische Zielausrichtung sein, mit deren Hilfe sämtliche Social-Media-Aktivitäten gebündelt und sinnvoll aufeinander abstimmt werden. In einem Punkt war sich die Versicherungsbranche einig: Social Media kann nicht ausschließlich auf die Funktion eines weiteren Vertriebskanals reduziert werden. Wenn überhaupt, können soziale Medien vertriebsunterstützend wirken.

In den geschilderten Fallbeispielen wurde vor allem eines deutlich: Der Kunde, der über soziale Medien kommuniziert, möchte ernst genommen und als Individuum behandelt werden. Wichtig ist daher eine glaubhafte und authentische Kommunikation, die nichts verspricht, was sie nicht halten kann. Denn mithilfe des Web 2.0 lässt sich der Kunde nicht mehr den Mund verbieten und findet, wenn nötig, zahlreiche Möglichkeiten, seine guten und schlechten Erfahrungen einer breiten Öffentlichkeit mitzuteilen.

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Bildquelle: @Gerd Altmann/

Autor(en): Vicki Richter, Versicherungsforen Leipzig

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