Potenziale im Bestand liegen brach

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Die Zahl der Versicherungsvermittler sinkt immer weiter. Eine Sonderuntersuchung auf Basis der BVK-Strukturanalyse zeigt jedoch, dass das für viele Vermittler kein Nachteil sein muss.

Im abgelaufenen Jahr 2019 sind wieder rund 3.200 Vermittler aus dem Versicherungsvermittlerregister verschwunden. Nach dem offenbar durch die IDD-Umsetzung entstandenen sprunghaften Schwund von rund 19.200 Vermittlern im Jahr 2018 erscheint dies zwar moderat. Klar ist aber auch, dass der Trend zum Vermittlerschwund verfestigt ist. Seit 2011 sinkt die Zahl der Eingetragenen unaufhaltsam, inzwischen insgesamt um ein Viertel.

Mehr als jeder dritte Gebundene ausgeschieden

Im Einzelnen hat es erneut die gebunden erlaubnisfreien Vertreter besonders getroffen. Im Jahr 2019 sind 2.629 von ihnen netto ausgetragen worden, nun gibt es nur noch 118.687. Seit 2011 bedeutet das eine Reduzierung um 35 Prozent. Aber auch Vertreter mit Gewerbeerlaubnis werden immer weniger, in 2019 sank deren Zahl um netto 552 auf noch 28.379. Seit 2011 bedeutet das ein Minus um zehn Prozent.

Weniger eindeutig im langfristigen Vergleich ist die Entwicklung der aktuell noch 46.286 eingetragenen Versicherungsmakler. Deren Zahl liegt noch fünf Prozent höher als 2011. Zuletzt aber war sie wiederholt rückläufig, im Jahr 2019 waren es 259 netto weniger. Bedenken muss man, dass sich in der Gesamtzahl eine unbekannte, aber beachtliche Menge an "stillen Run-offs" befinden dürften. Damit sind Makler im Ruhestandsalter gemeint, die ihren Betrieb nicht an Nachfolger übergeben oder verkaufen konnten, sondern ihn angemeldet halten und langsam auslaufen lassen.

Kunden lassen sich einfach nicht zur Honorarberatung überreden

Leichte Steigerungen gab es erneut bei den produktakzessorischen Vermittlern, ein Plus um 245 auf 4.613 Vertreter sowie um 13 auf 153 Makler. Die Vermutung ist, dass es sich hier um eine Fluchtbewegung vor den strengen Weiterbildungsauflagen für die Vermittler handelt. Denn die in vielerlei Hinsicht unglückliche Umsetzung der IDD in Deutschland kann die Interpretation stützen, es gebe keine explizite Weiterbildungspflicht von 15 Stunden jährlich für produktakzessorische Vermittler. Ob sich das mit der IDD vereinbaren lässt, erscheint allerdings sehr fraglich.

Der Liebling der Großen Koalition unter den Vermittlern ist der Versicherungsberater, ist er doch der einzige waschechte Honorarberater. Das traurige Resultat aller Bemühungen der Politik, eine angebotsinduzierte Nachfrage zu schaffen, ist ein Rückgang von neun registrierten Beratern auf die mit 334 ohnehin sehr geringe Anzahl. Die Politik sollte zur Kenntnis nehmen, dass sich der deutsche Verbraucher anscheinend nicht von der Honorarberatung begeistern lässt.

Hohe Versorgungslücken

Die Gesamtzahl der im Vermittlerregister erfassten Firmen und Personen ist im Jahr 2019 erstmals unter die 200.000er-Marke gefallen und beträgt nun 198.452. Für die Versicherungsbranche ist das zunächst einmal keine gute Nachricht, denn damit sinkt auch die Vertriebskraft und in der Folge möglicherweise auch die Durchdringung der Haushalte und Firmen mit sinnvollen Versicherungs- und Vorsorgeprodukten.

Vermittlerregister Januar 2020

Und der Bedarf bleibt weiter hoch. Nach der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2018 des Statistischen Bundesamtes besitzen 17 Prozent der Haushalte keine Privathaftpflichtversicherung. Die Hausratversicherung fehlt sogar in 24 Prozent der Haushalte. 59 Prozent haben keine Unfall- und 74 Prozent keine Berufsunfähigkeitsversicherung. Auch die Versorgung mit Altersvorsorgeprodukten ist mau.

Vermittler schöpfen das Potenzial schlecht aus

Damit besteht ein erhebliches Potenzial zum Cross Selling, also dem Verkauf weiterer Versicherungs- und Vorsorgeprodukte an Kunden. Abgesehen davon erscheint es unwirtschaftlich, dass Vermittler sich eher selten umfassend um ihre Kunden kümmern, sondern ihnen nur ausgewählte, einzelne Produkte verkaufen.

Darauf deutet eine Sonderauswertung aus der BVK-Strukturanalyse 2018/2019 hin. Denn danach weisen die 1.925 näher untersuchten Betriebe mit plausiblen Angaben zu Bestandsgrößen und zu Kundenzahlen im Durchschnitt nur drei Verträge pro Kunde auf. In der Ausschließlichkeit liegt die Zahl etwas geringer, bei Maklern und Mehrfachvertretern naturgemäß etwas höher, aber eben auch nicht wirklich hoch. Fast neun von zehn untersuchten Vermittlern weisen Cross-Selling-Quoten zwischen zwei und vier Verträgen je Kunde auf, das dürfte maximal der Hälfte der tatsächlich in Privathaushalten oder Unternehmen vorhandenen Produkte entsprechen - und benötigt würden eher noch mehr.

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Für diese eher geringe Bestandsausschöpfung kann es mehrere Gründe geben. Ausschließlichkeitsvertreter haben durch ihre eingeschränkte Produktauswahl einen Wettbewerbsnachteil. Kunden greifen zudem immer wieder einmal zu Produkten aus dem Internet oder über alternative Vertriebswege wie die Kfz-Versicherung vom Autohaus, die Krankenzusatzversicherung von der Krankenkasse oder die Smartphone-Versicherung aus dem Handy-Shop.

Ganzheitlicher Beratungsansatz hilft

Wesentlich bedeutsamer könnte aber der Einfluss der Gestaltung des Beratungs- und Vertriebsprozesses sein. In der Branche wurden Verkäufer lange Zeit ausgebildet und angeleitet, produktzentriert zu verkaufen. Produkt-Verkaufsaktionen haben diese Vorgehensweise noch unterstützt. Der ganzheitliche Beratungs- und Verkaufsansatz wurde lange Zeit als Marotte der Strukturvertriebe belächelt. Dass sich diese Haltung jedenfalls sehr mühsam wandelt, mag man daran ablesen, dass es nach vier langen Jahren Vorarbeit gelungen ist, sich auf eine DIN-Norm (77230) zu einigen, mit der zumindest die Datenerhebung beim Kunden auf einen ganzheitlichen Nenner gebracht wird.

Dabei lohnt sich der ganzheitliche Ansatz. Die Sonderauswertung zeigt unter anderem, dass die Steigerung der Cross-Selling-Quote im eigenen Bestand um durchschnittlich einen Vertrag gleichbedeutend mit einer Umsatzsteigerung um 19.000 Euro und einer Gewinnsteigerung um 4.500 Euro im Jahr ist. Die weniger werdenden Vermittlerbetriebe könnten mit einem ganzheitlichen Verkaufsansatz deutlich wirtschaftlicher arbeiten als aktuell. Weitere Details zu der Untersuchung finden sich in den aktuellen Ausgaben der "Zeitschrift für Versicherungswirtschaft" sowie der Zeitschrift "Versicherungsvermittlung", die BVK-Mitgliedern zugänglich ist.

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Autor(en): Matthias Beenken

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