Weniger als 100.000 Hauptberufler

Laut Vermittlerregister soll es 251.000 Versicherungsvermittler geben. Tatsächlich sind es mehr, wie eine aktuelle Studie zeigt. Doch auch das ist nicht die ganze Wahrheit.

Nach Aussage der EU-Kommission soll Deutschland allein ein Viertel aller in Europa registrierten Vermittler aufweisen. Das entspricht mit Sicherheit bei weitem nicht dem Bevölkerungsanteil. Damit scheint der von Verbraucherschützern erhobene Vorwurf, dass es zu viele Vermittler in Deutschland gibt, durchaus berechtigt. Die hohe Vermittlerzahl führt nach den Vermutungen zu einem übermäßigen Wettbewerb und der wiederum zu einer Übervorteilung der Kunden durch ungeeignete, überflüssige oder überhöhte Versicherungen.

Wenig Indizien für überbordenden Wettbewerb

Zu dieser These wollen allerdings verschiedene Fakten nicht so richtig passen. Da ist zunächst die erstaunlich niedrige Beschwerdequote, die sich selbst in Promille des Bestands an Versicherungsverträgen nicht mehr ausdrücken lässt. Darunter sind die gezielt gegen Vermittler und deren Beratungsqualität gerichteten Beschwerden wiederum nur ein kleinerer Anteil, viele Beschwerden richten sich eher gegen die Schaden- oder Leistungsregulierung des Versicherers.

Auch eine Vermittlerbefragung hat ganz entgegen den Erwartungen einen nur sehr geringen Wettbewerbsdruck erkennen lassen. In einer Untersuchung der Universität Köln konnte gezeigt werden, dass die „Rivalität“ der im Markt tätigen Vermittlerunternehmen untereinander keinen jedenfalls statistisch erkennbaren Einfluss auf deren Ertragssituation hat.

Manche Vermittlerarten müssen nicht eingetragen werden
Das Vermittlerregister zeigt allerdings auch nur ein eingeschränktes Bild der Vermittlungspraxis. Im Register fehlen eine Reihe Vermittler, und zwar alle diejenigen, die zwar selbstständig, wegen Geringfügigkeit aber nicht gewerbsmäßig vermitteln. Außerdem sind die Reisebüros, Brillenhändler und andere unter § 34d Absatz 9 GewO fallende Annexvermittler nicht zu registrieren.

Bei den im Vermittlerregister eingetragenen Vermittlern ist zudem nicht erkennbar, wie ihre vertragsrechtliche Situation beschaffen ist. Insbesondere kann dem Register nicht entnommen werden, ob sie haupt- oder nebenberuflich tätig sind, was für die These einer Überversorgung der Deutschen mit Versicherungsvermittlern oder den Vergleich Deutschlands mit anderen Ländermärkten jedoch eine wichtige Rolle spielt.

Vermittlerstrukturen werden nicht offengelegt
Auch können Vermittlerstrukturen nicht nachvollzogen werden. Ein Beispiel sind die gut 46.000 Versicherungsmakler, von denen eine unbekannte Anzahl gar nicht selbst als Makler am Markt tätig ist, sondern als formal selbstständige Untervermittler für einen Maklerbetrieb selbst erlaubnispflichtig ist. Wenn man den deutschen Vermittlermarkt mit anderen Ländermärkten vergleicht, müsste erst untersucht werden, inwieweit in anderen Märkten überhaupt vergleichbare Strukturen vorliegen. Beispielsweise müssen die in Deutschland eher selten eingesetzten angestellten Verkäufer nicht registriert werden.

Vermittlerzahl seit Regulierung sechsstellig zurückgegangen
Eine aktuelle Umfrage unter den deutschen Versicherungsunternehmen zeigt, dass die tatsächlichen Vermittlerstrukturen von denen laut Vermittlerregister durchaus deutlich abweichen. Basis sind die Antworten von 38 Versicherungsunternehmen und -konzernen mit einem Marktanteil von 88,2 Prozent. Nicht alle Unternehmen konnten oder wollten detailliert aufschlüsseln, wie sich ihre Vermittlerschaft sowohl nach handels- als auch nach vermittlerrechtlichen Kriterien aufgliedert. Dennoch konnten Hochrechnungen vorgenommen werden.

Danach gibt es in Deutschland rund 120.000 Vermittler mehr als vom Vermitterregister ausgewiesen. Die Gesamtzahl einschließlich auch der nicht registrierungspflichtigen Nebenberufsvertreter dürfte damit bei knapp 370.000 Vermittlern liegen. Das sind immerhin rund 130.000 Vermittler weniger als noch vor Einführung der Erlaubnis- und Registrierungspflicht.

Weniger als 100.000 hauptberufliche Betriebe
Allerdings dürften nur gut 96.000 Vermittler als hauptberufliche Vertreter oder Makler im Markt eine Bedeutung haben. Denn nach Angaben des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft stammt nicht viel über ein Prozent des Neugeschäfts aus der nebenberuflichen Vermittlerschiene.

Insgesamt sind nach den Schätzungen 58.900 (61,2 Prozent) der hauptberuflichen Vermittler als Ausschließlichkeitsvertreter tätig. Davon weisen ungefähr 22.700 Vertreter eine Gewerbeerlaubnis auf, rund 36.200 sind vom Versicherer als gebundene Vertreter eingetragen worden.

Die Zahl der Mehrfachvertreter ergibt sich als Differenz aus den Ausschließlichkeitsvertretern mit Erlaubnis und allen im Vermittlerregister erfassten Vertretern mit Erlaubnis, denn den Aufwand einer Erlaubnis betreiben vermutlich nur hauptberufliche Vertreter. Damit dürften ungefähr 12.300 Mehrfachvertreter tätig sein.

Kaum maßgeblich für die Beratung
Die Zahl der Maklerbetriebe konnte nur näherungsweise aus den Meldungen der Versicherer und aus verschiedenen Studien über die Anzahl der Anbindungen an Versicherer abgeleitet und mit 25.000 geschätzt werden. Insgesamt ergibt dies rund 96.200 hauptberufliche Vermittlerbetriebe, die jeweils durchaus noch weitere haupt- und nebenberufliche oder angestellte Mitarbeiter umfassen können. In Relation zur bundesdeutschen Bevölkerung erscheint diese Zahl aber sinnvoller für die Versorgungslage interpretierbar als die Gesamtzahl der im Vermittlerregister erfassten oder sogar aller, auch der nicht dort zu registrierenden Vermittler. Denn Reisebüros, Kfz-Händler und Feierabend-Gelegenheitsvermittler dürften kaum maßgeblich zur Beratung und Ausstattung der Bevölkerung mit umfassenden Vorsorgelösungen beitragen.

Bild: © Gerd Altmann /

Autor(en): Matthias Beenken

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