ZZR: Sicherheitsmedizin könnte „Patienten umbringen“

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Einzelne Lebensversicherer könnten schon in naher Zukunft in Bedrängnis geraten, weil sie die Reserve für hochverzinste Altpolicen nicht mehr stemmen können. Die Versicherer müssen in diesem Jahr marktweit rund 20 Milliarden Euro in die so genannte Zinszusatzreserve (ZZR) einstellen. Das sind sieben Milliarden Euro mehr, als 2016, wie eine Prognose der Kölner Ratingagentur Assekurata zeigt.

„Jetzt sollte die Politik umschwenken, sonst könnte die Medizin, den Patienten umbringt“, warnte Assekurata-Geschäftsführer Reiner Will bei der Vorstellung der Marktstudie „Überschussbeteiligungen und Garantien in der Lebensversicherung".

Die Belastungen durch die ZZR würden in den nächsten Jahren weiter steigen. Welches Ausmaß sie schon heute haben, machte Assekurata mit einem Vergleich des gesamten Eigenkapitals der Branche deutlich, das lediglich bei rund 16 Milliarden Euro liegt. Bis 2015 rechnen die Analysten mit einem Bestand von bis zu 240 Milliarden Euro. Von 2011 bis 2016 mussten die Lebensversicherer bereits 45 Milliarden Euro für ZZR aufbringen.

Nun auch Tarifgeneration „2,25-Prozent“ betroffen
Aufgrund der Niedrigzinsphase wird nach Schätzung von Assekurata der Referenzzins, der die Reservestellung auslöst, 2017 auf von 2,54 Prozent auf 2,17 Prozent sinken. „Das bedeutet, dass erstmalig auch für die Verträge mit einem Garantiezins von 2,25 Prozent ein Nachreservierungsbedarf entsteht“, sagte Will.

Zwei Drittel aller alten Lebensversicherungen mit Garantie sind schon heute von der Nachreservierung betroffen. Wenn die Lebensversicherer nach der heutigen Methodik weiter reservieren müssen, dann kann es sein, dass einige Lebensversicherer in eine Schieflage geraten. „Sie sind dann nach der Bilanz des Handelsgesetzbuches insolvent, während sie nach dem neuen Aufsichtsrecht Solvency II noch solvent sind. Wie soll das ein Verbraucher verstehen“, so Will. Grund ist das Solvency II den Versicherern eine Übergangsfrist von 15 Jahren einräumt, werden das nach dem HGB-Recht nicht gilt.

Erleichterungen notwendig
„Das Tempo, mit dem die Versicherer Sicherheit für ihre Altbestände aufbauen müssen, ist kritikwürdig“, so Will. Assekurata befürchtet, dass Appelle an die Politik verhallen könnten und diese erst handelt, wenn die Aufsichtsbehörde gegen einen Lebensversicherer Maßnahmen einleiten muss, weil er seine ZZR-Verpflichtungen nicht mehr erfüllen kann. So müssten aktuell immer mehr Lebensversicherer ihre Altanlagen verkaufen, um die stillen Reserven für die ZZR zu realisieren. Neu könnten die Versicherer aber nur noch zu einem deutlich geringeren Zins anlegen. Will: „Es ist fraglich, ob das unter heutigen Rahmenbedingungen am Kapitalmarkt eine kluge Strategie ist.“

Der Verkauf von hochverzinslichen Anlagen schmälere die Überschussbeteiligung für alle Kunden. Politik und Aufsicht müssten sich überlegen, welches Sicherheitsniveau noch ausreichend ist. Die strenge Methode sei sehr sicher, würde aber bald nur noch in der Theorie funktionieren. „Jetzt muss der Gesetzgeber proaktiv reagieren und das Problem der stark ansteigenden Zinszusatzreserve beseitigen“, forderte Will. Und: Die Dotierungsvorschriften zur ZZR nach dem Handelsrecht müssten mit Solvency II harmonisiert werden.

Bild: © 3d designs / fotolia

Autor(en): Uwe Schmidt-Kasparek

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