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Nutzenbewertung

1. Begriff: Im Gesundheitswesen ein Verfahren zur Bewertung medizinischer Interventionen im Rahmen eines Health Technology Assessment (HTA). Kurzform bei Arzneimitteln in der GKV seit 2011.

2. Merkmale: Ein HTA stellt einen umfassenden Ansatz zur Bewertung medizinischer Interventionen dar. Im Mittelpunkt stehen die Bewertung des Nutzens und der Wirtschaftlichkeit, jedoch werden z.B. auch juristische und ethische Aspekte berücksichtigt. Die Nutzenbewertung im Rahmen des HTA folgt den Kriterien der evidenzbasierten Medizin. Auf Basis einer systematischen Literaturrecherche werden die Qualität und die Ergebnisse einschlägiger Studien ausgewertet. Ein besonderer Fokus wird hierbei auf randomisierte, kontrollierte Studien gelegt, da bei ihnen die Gefahr von das Ergebnis beeinflussenden Verzerrungen (bias) besonders gering ist; aber auch geeignete Studien anderen Formats (z.B. Fall-Kontroll-Studien) können berücksichtigt werden. Zentral ist zumeist die Frage, ob ein neues medizinisches Verfahren einen Zusatznutzen gegenüber dem bisherigen Versorgungsstandard aufweist.

3. Institutioneller Rahmen: In Deutschland werden Nutzenbewertungen auf gesetzlicher Grundlage vom Gemeinsamen Bundesausschuss und vom Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) durchgeführt. Darüber hinaus führen akademische Einrichtungen sowie private Forschungsinstitute Nutzenbewertungen aus eigenem Antrieb oder im Rahmen der Auftragsforschung durch.

4. Wirkungen: Während Hersteller neuer Arzneimittel oder Medizinprodukte in der Vergangenheit häufig nur deren Wirksamkeit gegenüber Placebo nachweisen mussten, führt die systematische Nutzenbewertung dazu, dass für teurere Verfahren der Nachweis eines Zusatznutzens gegenüber dem Versorgungsstandard erwartet wird. Die Forschungsstrategien der pharmazeutischen Hersteller beginnen, dies zu berücksichtigen. Seit dem Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz (AMNOG) v. 22.12.2010 (BGBl I. S. 2262) wird jedes neue, patentgeschützte Arzneimittel durch den Gemeinsamen Bundesausschuss und das IQWiG binnen sechs Monaten nach Zulassung einer Nutzenbewertung auf Basis eines Dossiers des Herstellers unterzogen; in Abhängigkeit von den Ergebnissen finden Preisverhandlungen zwischen dem pharmazeutischen Unternehmen und dem Spitzenverband Bund statt.

Autor(en): Prof. Dr. Jürgen Wasem

 

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