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Stornorisiko

I. Allgemein: Aus Sicht des Versicherungsunternehmens die Möglichkeit des Versicherungsnehmers, einen Versicherungsvertrag vor Ablauf der vereinbarten Versicherungsdauer zu kündigen.

II. Lebensversicherung: 1. Begriff: Wie oben, in Bezug auf einen Lebensversicherungsvertrag.

2. Modellierung: Üblicherweise wird das Stornorisiko eines Lebensversicherers durch eine Ausscheideordnung (Ausscheidewahrscheinlichkeit) beschrieben, die Stornowahrscheinlichkeiten aufgrund historischer Beobachtungen im Unternehmen in Abhängigkeit vom Alter der versicherten Person und der zurückgelegten Versicherungsdauer angibt. Für manche Anwendungen wird zusätzlich versucht, das Stornoverhalten der Kunden in Abhängigkeit von Zinsentwicklungen zu modellieren. Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass bei rasch steigenden Zinssätzen wegen der Methodik der Berechnung von Rückkaufswerten aus Kundensicht ein Storno Ausdruck finanzrationalen Verhaltens sein kann, während bei stark sinkenden Zinssätzen ein Verzicht auf vertragliche Garantien unvernünftig ist. Üblicherweise wird die Zinsabhängigkeit des Stornorisikos so modelliert, dass – ausgehend von den zuletzt beobachteten Zinssätzen – bei einem bestimmten Zinsrückgang ein linearer Rückgang des Stornos bzw. bei einem bestimmten Zinsanstieg ein linearer Anstieg des Stornos jeweils bis zu bestimmten Grenzwerten unterstellt wird. Die Modellierung des Stornorisikos verfolgt das Ziel, die finanziellen Auswirkungen eines veränderten Kundenverhaltens auf das Lebensversicherungsunternehmen zu quantifizieren.

3. Wirkungen: Die Stornierung eines Lebensversicherungsvertrags führt entweder zur Auszahlung des Rückkaufswerts oder zur Bildung einer reduzierten beitragsfreien Versicherungsleistung. Die finanziellen Auswirkungen für das Lebensversicherungsunternehmen können sehr unterschiedlich sein: Wertvernichtend wirken sich bei noch nicht getilgten Abschlusskosten die in der Zukunft wegfallenden (meist positiven) Erfolgsmargen aus dem stornierten Vertrag aus, wertsteigernd wegfallende Garantiekosten, Erträge aus vereinnahmten Stornoabschlägen und im Unternehmen verbleibende Bewertungsreserven. Die Auswirkungen von mehr oder weniger Storno auf die Finanzverfassung eines Lebensversicherers können damit sehr unterschiedlich sein. Aus dem Umfang, in dem sich das Stornorisiko realisiert, sind keine einfachen Rückschlüsse auf die Finanzverfassung eines Lebensversicherers zu ziehen. Die Abhängigkeiten des Stornorisikos von den Umfeldbedingungen, insbesondere den Kapitalmarktgegebenheiten, sind empirisch noch wenig erforscht.

4. Herausforderungen: Für verschiedene Anwendungsgebiete, etwa bei der Entwicklung von Absicherungsstrategien zur Sicherstellung von Garantieleistungen (Hedging), bei der Nachreservierung von Rentenversicherungen aufgrund zunehmender Langlebigkeit oder bei der Bestimmung von Bestandswerten nach einer Embedded-Value-Methode (Embedded Value), müssen Annahmen über die künftige Entwicklung der Stornowahrscheinlichkeiten getroffen werden.

Autor(en): Norbert Heinen

 

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