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Vorstand

1. Begriff: Leitungsorgan einer Aktiengesellschaft (AG), eines Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit (VVaG), eines öffentlich-rechtlichen Versicherungsunternehmens oder im Fall der dualistischen Organisationsform (s.u.) einer Societas Europaea (SE). Dem Vorstand obliegt die Aufgabe der Geschäftsleitung sowie die gerichtliche und außergerichtliche Vertretung des Unternehmens.

2. Vorstand bei einer AG: Rechtsgrundlagen sind die §§ 76–94 AktG. Der Vorstand wird vom Aufsichtsrat für höchstens fünf Jahre bestellt. Neben der Geschäftsleitung als Hauptaufgabe obliegt dem Vorstand die Erfüllung der Berichtspflichten gegenüber dem Aufsichtsrat, der Hauptversammlung sowie – im Fall des Vorstands von Versicherungsunternehmen – der Aufsichtsbehörde. Die Berichte an den Aufsichtsrat müssen nach § 90 I Nr. 1 AktG Aussagen über die beabsichtigte Geschäftspolitik und über andere grundsätzliche Fragen der Unternehmenspolitik umfassen. Des Weiteren muss der Vorstand nach § 91 II AktG geeignete Maßnahmen treffen, insbesondere ein Überwachungssystem einrichten, damit den Fortbestand der Gesellschaft gefährdende Entwicklungen früh erkannt werden (Risikofrüherkennungssystem). Der Vorstand einer AG kann nach § 76 II AktG aus einer Person oder aus mehreren Personen bestehen. Bei Gesellschaften mit einem Grundkapital von mehr als 3 Mio. Euro hat er mindestens zwei Personen zu umfassen, es sei denn, die Satzung bestimmt, dass der Vorstand aus einer Person besteht, wobei eine Einzelvertretung bei Versicherungs-AG von der Aufsicht nicht zugelassen wird. Nach § 77 I AktG gilt bei Entscheidungen in einem mehrköpfigen Vorstand das Prinzip der Einstimmigkeit, wenn die Satzung oder Geschäftsordnung nichts Abweichendes bestimmt, wobei in keinem Fall gegen die Mehrheit der Vorstandsmitglieder entschieden werden kann.

3. Vorstand beim VVaG: Der Vorstand besteht aus mindestens zwei Personen. Die §§ 76 I, III, 77–91, 93 und 94 AktG gelten entsprechend.

4. Vorstand beim öffentlich-rechtlichen Versicherungsunternehmen: Die Vorschriften für den Vorstand gelten nach § 33 VAG analog wie bei AG und VVaG.

5. Vorstand bei einer Societas Europaea: Bei der dualistischen Organisationsstruktur fungiert der Vorstand als für die Geschäftsführung zuständiges Leitungsorgan. Die gesetzlichen Regelungen der AG (siehe 2. oben) gelten entsprechend (EG-Verordnung Nr. 2157/2001, Titel I, Art. 10; SE-VO), soweit die SE-VO (insbes. Art. 39–41 sowie 46) nichts anderes bestimmt. Bei monistischer Organisation leitet nach § 22 (1) SEAG der Verwaltungsrat die Geschäfte der SE, bestimmt die Grundlinien ihrer Tätigkeit und überwacht deren Umsetzung. Zur Führung der Geschäfte der SE bestellt der Verwaltungsrat einen oder mehrere geschäftsführende Direktoren (§ 40 SEAG). Ein Vorstand als Leitungsorgan ist hier nicht bekannt.

6. Voraussetzungen und Restriktionen: Nach § 24 VAG müssen Personen, die ein Versicherungsunternehmen leiten oder andere Schlüsselaufgaben wahrnehmen, zuverlässig und fachlich geeignet sein, was ausreichende theoretische und praktische Kenntnisse in Versicherungsgeschäften sowie Leitungserfahrungen voraussetzt. Darüber hinaus dürfen Vorstände nur bis zu zwei Vorstandsmandate bei Versicherungsunternehmen, Pensionsfonds, Versicherungs-Holdinggesellschaften oder Versicherungs-Zweckgesellschaften  (Zweckgesellschaften) einnehmen. Für den Fall, dass es sich um Unternehmen derselben Versicherungs- oder Unternehmensgruppe handelt, kann die Aufsichtsbehörde eine größere Zahl an Mandaten zulassen.

Autor(en): Prof. Dr. Fred Wagner, Katja Brandtner, David Klimmek

 

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