Arbeitgeber wissen viel zu wenig über Zeitwertkonten

Zeitwertkonten, die fälschlicher Weise als sechster Durchführungsweg der betrieblichen Altersversorgung (bAV) angesehen werden, gewinnen immer mehr an Bedeutung. Die Gothaer Lebensversicherung hat innerhalb eines Jahres mit 50 Unternehmern einen Rahmenvertrag geschlossen und entwickelte für die Mitarbeiter dieser Firmen Zeitwertkonten-Konzepte. Und trotzdem lässt der Verbreitungsgrad von Zeitwertangeboten in Deutschland immer noch sehr zu wünschen übrig.

Bedarf an Zeitwertkonten ist da
"Viele verwechseln Zeitwertwertkonten mit Zeiterfassungssystemen", sagte der Chef der Gothaer Leben, Helmut Hofmeier, als er "die große Gothaer-Zeitwertkonten-Studie" im Gespräch mit Journalisten vorstellte. Der Bedarf für Zeitwertkonten sei vorhanden, betonte er, denn 83,9 Prozent der Arbeitnehmer, die sich an einer Online-Umfrage zu Zeitwertkonten teilnahmen, wollen ihre Lebensarbeitszeit vor diesem Hintergrund reduzieren. 34 Prozent der Befragten nehmen dabei auch finanzielle Nachteile in Kauf, hieß es.

Zeitwertkonten sind keine neue Zeiterscheinung. Ein Vorläufer jetziger Modelle, die vor allem von Versicherern, Banken und Beratungsfirmen entwickelt und angeboten werden, wurde vor zehn Jahren im VW-Autokonzern eingeführt. Heute besitzen bereits mehr als 108.000 VW-Mitarbeiter eine Unternehmenseigene Variante des Zeitwertkontos.

Es besteht kein Recht auf Zeitwertkonten
Inzwischen können Arbeitnehmer mit einem Zeitwertkonto der künftigen "Rente mit 67" ein Schnippchen schlagen. Beispielsweise indem eine Auszeit zur selbstfinanzierten Babypause genommen wird, eine längerfristige Fortbildungsmaßnahme absolviert wird oder ein persönliches Sabbatical eingelegt wird. Doch alles nur dann, wenn es dem Chef gefällt, will heißen, dass der Arbeitgeber die Initiative ergreifen muss und die Möglichkeit zu Zeitwertkonten anbieten muss. Verpflichtet dazu ist er nicht. Der Arbeitnehmer hat nicht wie bei der betrieblichen Altersversorgung ein vom Gesetzgeber eingeräumtes Recht darauf.

"Die bAV ist das Pflichtprogramm für den Arbeitgeber. Zeitwertkonten sind hingegen als Kür zu sehen. Denn wer über Zeitwertkonten nachdenkt, der sollte die bAV schon geregelt haben", sagt der Produktmanager eines Zeitwertkonten-Anbieters.

Bei Zeitwertkonten, die als Oberbegriff aller Lebensarbeitszeitkonten, wie Lang- und Kurz-Arbeitszeitkonten gelten, handelt es sich um die Möglichkeit, als Mitarbeiter Arbeitsentgelt und/oder Arbeitszeit einzubringen, um damit eine vorübergehende bezahlte Freistellung zu finanzieren. Zeitwertkonten beziehen sich auf irgendeine beliebige Zeit im Berufsalltag vor dem offiziellen Renteneintritt. Das Zeitkonto kann auch gezielt für die letzten Jahre vor dem offiziellen Ruhestand verwendet werden. Man spart sich Zeit aus Überstunden oder Urlaubstagen auf, deren Gegenwert der Arbeitgeber auf dem pro Mitarbeiter individuellen Zeitwertkonto deponiert. Genauso kann der Arbeitnehmer aber auch Boni, Tantiemen und andere Sonderzahlungen in beliebiger Höhe in dieses Konto fließen lassen.

Noch werden derartige Modelle zu selten angeboten, teilte Dr. Hofmeier mit und verweist auf die Ergebnisse der Gothaer Online-Umfrage. Bisher verfüge nicht einmal jeder fünfte Arbeitnehmer hierzulande über ein Zeitwertkonto. Die Arbeitgeber wissen zu wenig darüber. Mit 53,3 Prozent fühlen sich mehr als die Hälfte der befragten Unternehmensvertreter zu wenig bis gar nicht über Zeitwertkonten-Modelle informiert.

Zu komplex und verwaltungsintensiv
Auch hält jeder Fünfte in den Chef-Etagen das Thema für zu komplex und verwaltungsintensiv. Dabei gebe es längst umfassende Hilfestellungen, hieß es. Längst bieten die Gothaer und ein Dutzend weiterer Versicherer sowie andere Dienstleister ganzheitliche Lösungen an. Arbeitgeber, die sich auf Zeitwertkonten einlassen, können das gesamte Projekt dorthin outsourcen. Damit reduziert sich ihr Aufwand auf ein Minimum. Bei der Wahl eines passenden Anbieters werde besonderer Wert auf eine umfassende Beratungsleistung (91,2 Prozent) und einen geringen Verwaltungsaufwand (90,8 Prozent) gelegt, heißt es in der Gothaer Studie.

Autor(en): Ellen Bocquel

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