Assekuranz und Verhaltensökonmie

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Professor Dr. Jochen Ruß (im Bild) ist Geschäftsführer der Gesellschaft für Finanz- und Aktuarwissenschaften und außerplanmäßiger Professor am Institut für Versicherungswissenschaften der Universität Ulm. Er ist Co-Autor des Springer-Titels "Moderne Verhaltensökonomie in der Versicherungswirtschaft". Versicherungsmagazin wollte von ihm wissen, warum sich auch Versicherungsvermittler mit Verhaltensökonomie beschäftigen sollten.

Können Sie an einem Beispiel erläutern, inwieweit sich Erkenntnisse aus der Verhaltensökonomie auf die Versicherungswirtschaft anwenden lassen?
Jochen Ruß:
Nur ein Beispiel von vielen: Extrem hohe Garantien sind in der langfristigen Altersvorsorge oft eine unnötige Renditebremse. Die Verhaltensökonomie bietet Ansätze, um die Akzeptanz chancenreicherer Produkte zu erhöhen. Bei Produkten, die Fonds und Garantieelemente mischen, ist oft die Höhe der Garantie auszuwählen. Dann werden aber fast immer (zu) hohe Garantien gewählt. Lässt man hingegen wählen, wieviel Geld chancenreich angelegt wird, so werden mehr Chancen genutzt und die resultierenden geringeren Garantien akzeptiert.

Umfragen zeigen immer wieder, dass Berufstätige theoretisch wissen, dass sie neben ihrer Rente zusätzlich für ihr Alter vorsorgen müssen, praktisch aber Nichts tun. Wie kann die Verhaltensökonomie dabei helfen, diese Hürde zu überwinden?
Jochen Ruß:
Hier gibt es zahlreiche Ansatzpunkte. Menschen sind beispielsweise eher bereit, ihre realistische Lebenserwartung zu glauben, wenn man erklärt, warum (und nicht nur dass) die bisherige Einschätzung falsch war. Dann versteht man aber auch, dass man im Alter mehr Geld braucht als bisher gedacht und deshalb vorsorgen muss. Grund für die typische Unterschätzung der Lebenserwartung ist übrigens ein "Ankereffekt". Man hat unbewusst im Hinterkopf, wie alt die eigenen Eltern und Großeltern wurden und ignoriert, dass die Lebenserwartung von Generation zu Generation steigt.

Warum sollten sich auch Versicherungsvermittler mit Verhaltensökonomie beschäftigen?
Jochen Ruß:
Ganz einfach: Es besteht ein großer Unterschied zwischen Kundenwunsch und Kundenbedarf. Die Verhaltensökonomie kann helfen, besser zu verstehen, warum der Kunde "das Falsche" will. Dies ist eine Grundvoraussetzung für eine bedarfsgerechte Beratung.

Mehr zum Thema

Andreas Richter, Jochen Ruß, Stefan Schelling
Moderne Verhaltensökonomie in der Versicherungswirtschaft
Springer Gabler Verlag
eBook, 4,99 Euro
ISBN 978-3-658-19841-1
Softcover (lieferbar Dezember 2017), 9,90 Euro,
ISBN 978-3-658-19840-4

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Autor(en): Versicherungsmagazin.de

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