Axa-Kündigungsaktion kommt vor den Kadi

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17.000 Kunden, denen die Axa Versicherung ihren Rentenschutz gekündigt hat, können nun hoffen, dass sie ihre hochwertige Risikoabsicherung vielleicht zurückerhalten. Verbraucherschützer glauben, dass der Versicherer seine Kunden gar nicht kündigen durfte. Daher hat die Verbraucherzentrale Hamburg den Versicherer nun vor dem Landgericht Köln verklagt, nach dem Axa trotz Abmahnung die Kündigungen nicht zurückgenommen hat.

2018 hatte das Unternehmen fast allen Kunden mit einer Unfall-Kombirente gekündigt. Lediglich ältere, über 58 Jahre alte Versicherte, durften ihren Vertrag behalten. Die Unfall-Kombirente ist eine so genannte Multi-Funktions-Versicherung. Solche Policen werden nach Erkenntnis der Verbraucherschützer immer wieder als Alternative für eine private Berufsunfähigkeits-Versicherung Kunden angeboten. Dies legt auch ein Werbespot der Axa nahe, der noch immer auf Youtube zu finden ist.

Nachteil: Versicherer darf kündigen

Multi-Funktions-Versicherungen haben aber einen großen Nachteil. Sie können einseitig von den Versicherern gekündigt werden. Dies bestätigen unabhängig voneinander der Berliner Versicherungsombudsmann und der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). So erläutert ein GDV-Sprecher: "Grundsätzlich ist zwischen einer Unfallversicherung und einer Berufsunfähigkeits-Versicherung zu unterscheiden. Berufsunfähigkeits-Versicherungen zählen zu den Lebensversicherungen. Ordentliche Kündigungen von Lebens- oder Berufsunfähigkeits-Versicherungen durch den Versicherer sind ausgeschlossen."

Rechtlich glaubt sich die Axa somit auf der sicheren Seite. Außerdem hat sie ihren Kunden mit der Kündigung eine alternative Absicherung angeboten. So konnten die Kunden ohne erneute Gesundheitsprüfung in eine so genannte Existenzschutzversicherung (ESV) umsteigen.

Alternativprodukt teurer und leistungsschwächer

Das neue Produkt zahlt aber im Gegensatz zur Unfall-Kombirente nicht lebenslang, sondern im Fall einer schweren Organerkrankung, Pflegebedürftigkeit, dem Verlust von Grundfähigkeiten oder nach unfallbedingter 50-prozentiger Invalidität die vereinbarte Leistung nur bis zum 67. Lebensjahr. Bei Krebserkrankungen gibt es zudem nur einen Schutz von 60 Monaten. Damit haben die Betroffenen nach Meinung der Verbraucherschützer im Ernstfall weniger Ansprüche auf Leistung. Denn beim bisherigen lebenslangen Schutz stieg im Schadenfall die Rente sogar jährlich um 1,5 Prozent.

Genau das war anscheinend der Stolperstein für die Axa. Die Leistung an verunfallte oder erkrankte Kunden wurde dem Versicherer wohl zu teuer. Ein Großteil der Kunden habe das Angebot zum Umstieg in die ESV angenommen, heißt es bei der Axa. Der Versicherer betont zudem, dass das Alternativprodukt teilweise sogar hochwertigere Leistungen habe, etwa ein Reha-Management. Das Produkt ist aber teurer.

Keine Chance für erkrankte Kunden

Außerdem hatten Kunden mit Vorerkrankungen kaum eine Alternative. Bei anderen Versicherern hätten sie mit Risikozuschlägen oder sogar einer Ablehnung rechnen müssen. Nun könnte die Axa gezwungen werden, den alten Schutz für die gekündigten Kunden wiederherzustellen. Das hofft zumindest die Verbraucherzentrale Hamburg. "Die Axa Kombi-Unfall-Rente wurde als Alternative zur Berufsunfähigkeitsversicherung vermittelt, es wurde auch unter anderem dazu geraten, eine bestehende Berufsunfähigkeitsversicherung zu kündigen", sagt Kerstin Becker-Eiselen, die bei der Verbraucherzentrale die Abteilung Geldanlage und Altersvorsorge leitet.

Bei anderen Kunden sei zum Kündigungszeitpunkt absehbar gewesen, dass sie berufsunfähig werden würden. "Eine vernünftige Absicherung über eine gute Berufsunfähigkeitsversicherung war dann aber nicht möglich." Ein Neuabschluss wäre aufgrund des fortgeschrittenen Alters nach Einschätzung der Verbraucherschützerin unbezahlbar geworden. Wer in die Axa-ESV gewechselt habe, sei nun deutlich schlechter gestellt.

Verstoß gegen Aufklärungspflicht nicht Teil der Klage

Die Chancen für einen Sieg der Verbraucherschützer vor Gericht sind aber wohl eher schlecht. So bestätigt die Verbraucherzentrale, dass sie "juristisches Neuland" betrete. Außerdem gibt es laut Axa Versicherung bereits zwei Verfahren zur Kündigungsaktion, die vor dem Amtsgericht in Hanau gewonnen wurden. Im Urteil vom 5. März 2020 weist der Richter die Klage eines Axa-Kunden ab, weil er zum Schluss kommt, dass es sich bei der Unfall-Kombirente um eine typische Invaliditätsversicherung handelt. Zudem hätte sogar die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) das Axa-Produkt als Unfallpolice eingestuft.

Daher wird nun entscheidend sein, wie das Landgericht Köln die Argumente der Verbraucherschützer einstuft. "Wenn in den Bedingungen kein Verstoß gegen das Transparenzgebot vorliegt, die Kündigungsregel also klar formuliert wurde, sehe ich wenig Chancen für die Verbraucherschützer", sagt Sven-Wulf Schöller, Fachanwalt für Versicherungsrecht aus Erlangen. Möglicherweise liegt aber ein Verstoß gegen die Aufklärungspflicht vor. "Jeder Vermittler hätte die Kunden deutlich darauf hinweisen müssen, dass bei der Unfall-Kombirente der Versicherer kündigen darf, während eine ordentliche Kündigung bei einer Berufsunfähigkeits-Versicherung ausgeschlossen ist", sagt Jurist Schöller von der Kanzlei FSR.Recht. Da die Verbraucherzentrale Hamburg aber eine Verbandsklage angestrengt hat, sind individuelle Beratungsverstöße der Vermittler gar nicht Teil des Verfahrens.

Autor(en): Uwe Schmidt-Kasparek

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