Betriebsschließungsversicherung: Anwälte lassen nicht locker

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Wegen des zweifachen Shutdowns in der Corona-Krise ist die Mehrzahl der 165.000 Hotels und Gaststätten nach einem Sommerintermezzo bis zum heutigen Tag geschlossen. Gegen entsprechende Umsatzausfälle hatten sich rund 40.000 Betriebe versichert. Weil die meisten Versicherer sich weigern zu zahlen, klagen immer mehr Gewerbetreibende gegen die Assekuranzunternehmen. Allein beim Landgericht München waren bis Januar 2021 rund 140 Klagen eingegangen.

Hochgerechnet auf alle 115 Landgerichte in Deutschland wären das rund 16.100 Klagen. Dazu kommen weitere Klagen von Gastro- und Hotelbetrieben, die sich eigentlich bereits mit ihrem Versicherer auf eine Entschädigung im Vergleichsweg geeinigt hatten. Der Hintergrund: Im April 2020 vereinbarten auf Initiative des bayerischen Wirtschaftsministers der Hotel- und Gaststättenverband Bayern und etliche Versicherer einen Kompromiss. Neben der Allianz waren auch die Versicherungskammer Bayern, die Zurich, die Haftpflichtkasse Darmstadt sowie weitere Unternehmen beteiligt.

Die Versicherer nahmen an, dass der wirtschaftliche Schaden der Gastronomen durch staatliche Unterstützungsmaßnahmen wie Kurzarbeitergeld und Soforthilfen um rund 70 Prozent reduziert sein würde. Davon ausgehend sagten sie zu, von den 30 verbleibenden Prozent die Hälfte zu übernehmen.

Einige Anwälte erachten den Kompromiss für sittenwidrig

15 Prozent der Anwälte erachten den Kompromiss für sittenwidrig, weil die staatlichen Hilfen erstens vielfach gar nicht bei den Gastronomen ankamen und zweitens nichts an der laut Versicherungsvertrag geschuldeten Einstandspflicht ändert. Der Münchener Donisl-Wirt Reindl, der einen entsprechenden Vergleich mit der Allianz abgeschlossen hatte und daraufhin 94.815 Euro Entschädigung für die Betriebsschließung erhielt, kündigte an, den Vergleich anzufechten und die restlichen 85 Prozent einzufordern, also 537.285 Euro.

Streitpunkt: Welche staatlichen Leistungen müssen sich Versicherungsnehmer anrechnen lassen?

Einige juristischen Entscheidungen stützen auch die Position der Versicherungsunternehmen. Grund für die unterschiedliche Rechtsprechung ist, dass sich die Sachverhalte der verhandelten Verfahren erheblich voneinander unterscheiden. Das beginnt bei den unterschiedlichen Versicherungsbedingungen in den Versicherungsverträgen und deren Auslegung. Gestritten wird auch über die Frage, ob und welche staatlichen Leistungen sich der Versicherungsnehmer anrechnen lassen muss und ob die Versicherung dem Versicherungsnehmer vorhalten kann, dass er das Außerhausgeschäft, also To-Go-Produkte, nicht oder nicht ausreichend angekurbelt habe.

Auch müssen die Gerichte klären, ob die staatlich reglementierte Wiedereröffnung einer Betriebsschließung gleichkommt. Denn die behördlichen Vorgaben an die Hygienestandards bedeuten für viele Gastronomen einen erheblichen Umsatzrückgang, den die Betriebsschließungsversicherer eigentlich auffangen müssten. Damit ist auch fraglich, ob der zweite Lock Down versichert ist.

Klar ist heute: Nahezu jeder Fall ist anders

Der Berliner Rechtsanwalt Knut Pilz vertritt diverse Mandanten gegen große Versicherer. Sein Zwischenfazit kann Hotel- und Gastrobetreibern Mut machen: „Zwischenzeitlich kristallisiert sich in der Rechtsprechung heraus, dass nahezu jeder Fall individuelle Besonderheiten hat und die Versicherungsbedingungen sehr viele Unterschiede im Detail aufweisen.“ Oft seien es 'Kleinigkeiten' mit großer Wirkung, die über den Erfolg oder Misserfolg eines Prozesses entscheiden. „Umso wichtiger ist es für die Versicherungsnehmer, dass sie finanzielle Sicherheit haben, um - wenn notwendig - den Instanzenweg auszuschöpfen ", sagt der Namenspartner der Berliner Wirtschaftskanzlei Pilz Wesser & Partner Rechtsanwälte mbB.

Zweiter Versicherungsfall zum gleichen Umstand

Die Chancen für einen Prozesserfolg der Gewerbetreibenden am Ende des Instanzenzuges sieht Omni Bridgeway trotz zahlreicher ablehnender erst- und zweitinstanzlicher Urteile als gut an, denn alle unklaren Versicherungsbedingungen sind im Zweifel von der Justiz zugunsten der Versicherungsnehmer auszulegen. Ob die Erfolgsaussichten auch für Fälle aus dem aktuellen Lockdown positiv einzuschätzen sind, bedarf noch eingehender Prüfung. Hier argumentieren die meisten Versicherer, dass es sich um einen zweiten Versicherungsfall zu einem gleichen Umstand handele, der nur einmal versichert sei.

Viel spricht für die gegenteilige Ansicht: Die pandemische Lage war im März 2020 eine andere als im Sommer und Herbst und Winter des vergangenen Jahres. Das betrifft einmal die unterschiedlichen Infektionszahlen also auch die Verbreitungsgeschwindigkeit.

Quelle: Omni Bridgeway

Autor(en): Versicherungsmagazin

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