BMF äußert sich zu Rückstellungen für Vertragsbetreuung

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat im vergangenen Jahr eine wegweisende Entscheidung zu der strittigen Frage getroffen, ob Versicherungsvermittler Rückstellungen für künftige Betreuungsleistungen bei Versicherungsverträgen bilden dürfen. Das Finanzministerium (BMF) hat aktuell die Finanzbehörden angewiesen, diese Grundsätze zu beachten.

Seit längerer Zeit ist bereits zwischen Versicherungsvermittlern und Finanzämtern strittig, ob Vermittler gewinnmindernde Rückstellungen für den künftigen Aufwand bilden dürfen, der ihnen durch die Betreuung von Versicherungsverträgen entsteht. Das spielt dann eine Rolle, wenn Vermittler ausschließlich zu Vertragsbeginn eine Provision erhalten, gleichzeitig aber zur laufenden Betreuung des Versicherungsvertrags verpflichtet sind.

Pflicht zur Bildung von Rückstellungen bestätigt
Der Bundesfinanzhof hatte im vergangenen Jahr (Urteil vom 19. Juli 2011, Aktenzeichen X R 9/10) grundsätzliche Aussagen getroffen. Zugrunde lag der Fall eines Versicherungsvertreters, der in einigen Sparten ausschließlich Abschlussprovision und keine Bestandsprovision erhält, aber dennoch agenturvertraglich diese Verträge weiterhin betreuen muss. Der Vertreter hatte einen steuerlichen Verlust in einem Veranlagungsjahr von über 126.000 Euro geltend gemacht, wobei eine gewinnmindernde Rückstellung von über 284.000 Euro für die Betreuung von Lebens- und Sachversicherungsverträgen eine entscheidende Rolle spielte. Das Finanzamt wollte stattdessen einen Gewinn von gut 158.000 Euro annehmen, indem es die Rückstellung komplett verwarf.

Der Bundesfinanzhof verwarf schließlich das Urteil des Finanzgerichts und stellte Grundsätze auf, nach denen Versicherungsvermittler nicht nur zur Bildung von Rückstellungen berechtigt, sondern sogar auch verpflichtet sind. Das Bundesfinanzministerium hat jetzt in einem Rundschreiben an die Obersten Finanzbehörden der Länder (Geschäftszeichen IV C 6 - S 2137/09/10002) Grundsätze für Rückstellungen für die Betreuung bereits abgeschlossener Versicherungen bekanntgegeben.

Voraussetzungen zu beachten
Berücksichtigt werden dürfen Rückstellungen nur für Versicherungsverträge, bei denen der Vermittler rechtlich verpflichtet ist, Betreuungsleistungen zu erbringen, „für die aber kein weiteres Entgelt in Anspruch genommen werden kann“. Der Vermittler muss dabei jeweils die Restlaufzeit des Vertrags angeben und insgesamt berücksichtigen, dass nach der Erfahrung auch Verträge vorzeitig aufgelöst werden, das heißt angemessene Abschläge ermitteln.Rückstellungen dürfen nicht für die eigene Arbeitsleistung des Betriebsinhabers gebildet werden. Deshalb kommt die Bildung von Rückstellungen nur für Betriebe mit Mitarbeitern in Frage, weil nur hier künftig Gehalts- und ähnliche Kosten anfallen können, die mit der Rückstellung berücksichtigt werden. Wichtig ist weiter, dass die Rückstellungen tatsächlich nur für Betreuungsleistungen und nicht für "Werbeleistungen mit dem Ziel neuer Vertragsabschlüsse" zulässig sind.

Nachweis über künftige Betreuungsleistungen
Der Vermittler muss darlegen, welche Betreuungsleistungen er je Vertrag und Jahr erbringt und mit welchem Zeitaufwand. Es soll angegeben werden, wie oft die Betreuungsleistungen in der Gesamtlaufzeit des Vertrags erbracht werden.

Das dürfte in der Praxis schwierig sein nachzuweisen, weil die vom Kunden ausgehenden Betreuungsanlässe wie beispielsweise Adress- und Kontoänderungen, Rückfragen zum Vertrag und zu Beitragsrechnungen naturgemäß vorher nicht bekannt sind und allenfalls Erfahrungssätze verwendet werden können. Der BFH hatte dazu in seinem Urteil zusätzlich ausgeführt, dass in diesem Fall "fundierte Stichproben" von einem bestimmten Anteil des Bestands oder nach bestimmten Anfangsbuchstaben ausreichen, um "eine hinreichende Rückstellungswahrscheinlichkeit zu begründen".

Kostenrechnung und Betreuungsstandards helfen
In der Konsequenz lässt sich das jedoch nur umsetzen, wenn der Vermittler in seinem Betrieb ausreichend detailliert Bearbeitungsvorgänge und deren Dauer nach Entstehungsgrund (zum Beispiel Werbung, Betreuung/Service, Schaden/Leistung), kunden- und vertragsbezogen, nach Bearbeiter (Inhaber oder Mitarbeiter) und die Dauer erfasst.

Interessant ist diese zunächst scheinbar sehr bürokratische Maßnahme allerdings aus unternehmerischer Sicht. Sie ist Anlass, eine Kostenrechnung aufzubauen, die dem Betriebsinhaber zeigt, wie sich einzelne Kunden, Verträge sowie Mitarbeiter letztlich rentieren. Und sollte mit der Vermittlerrichtlinie 2 und den deutschen Bemühungen der Politik um eine Förderung der Honorarberatung in Zukunft das Vergütungssystem Honorar salonfähig werden, ist ein Vermittler hierauf vorbereitet und kann entsprechende Honorarsätze kalkulieren.

Außerdem gibt es Grund für Vermittler, Betreuungsstandards einzuführen und nachweislich organisatorisch sicherzustellen, dass Bestandskunden beispielsweise regelmäßig in bestimmten Zeitabständen angesprochen oder besucht werden, um Serviceleistungen zu erbringen und Fragen zum Vertrag zu beantworten.

Nach dem BMF-Rundschreiben muss der Vermittler schließlich auch den Personalkostensatz je Stunde nennen können. Die Rückstellungen müssen gemäß § 6 Absatz 1 Nr. 3a Buchstabe e EStG Satz 2 auf den jeweiligen Beginn der Nachbetreuungstätigkeit abgezinst werden.

Das BMF weist die Finanzbehörden an, das BFH-Urteil auch auf offene Fälle anzuweisen und hebt gleichzeitig ein älteres Rundschreiben vom 28. November 2006 auf.

Autor(en): Matthias Beenken

Alle Branche News