Die Podiumsteilnehmer des 17. Continentale PKV-Forums waren sich in ihrer Abneigung gegenüber der Bürgerversicherung größtenteils einig. Nur der Umgang mit diesem ungeliebten Modell war unterschiedlich ausgeprägt. Auf jeden Fall kam die Bürgerversicherung nicht über das Level „Böser Geist“ oder „totes Pferd“ hinaus.
Leicht entnervt reagierte Dr. Christoph Helmich, Vorstandsvorsitzender der Continentale Versicherungsverbunds, auf die Tatsache, dass SPD, Bündnis 90/Die Grünen und auch Die Linke kurz vor der Bundestagswahl die Bürgerversicherung in ihrem politischen Forderungskatalog wieder weiter nach oben gesetzt haben. Sein Kommentar dazu: „Warum werden wir dieses Gespenst nicht los?“ Immer wieder entstünden (neue) Initiativen „Pro Bürgerversicherung“, die manchmal noch mit dem Adjektiv „solidarisch“ verziert wären.
Patienten akzeptieren gewisse Wartezeiten
Doch das von den Befürwortern dieser Einheitsversicherung formulierte Problem „Wartezeiten in den Arztpraxen“ sei überhaupt kein Problem. Seine Begründung: Eine aktuelle Untersuchung der Kassenärztlichen Vereinigung hätte gezeigt, dass 59 Prozent der befragten GKV-Patienten überhaupt nicht (lange) warten müssten und 41 Prozent eine gewisse Wartezeit nicht als Problem ansehen würden. Wahrscheinlich sei die These von Professor Dr. Hans-Jürgen Ott von der DHBW Heidenheim richtig, dass es bei den Menschen in erster Linie um eine gefühlte Ungerechtigkeit im Wartezimmer gehe, gegen die sie sich auflehnten.
Aber auch die Continentale-Studie 2017 zeige zum Beispiel eindeutig, dass die Zufriedenheit mit dem deutschen Gesundheitswesen bei den Bürgern im Vergleich zu den Vorjahren nochmals gestiegen ist. So seien 76 Prozent mit der Leistung zufrieden, 66 Prozent der Patienten mit dem Preis. In anderen Ländern wie Schweden wären die Wartezeiten für gesetzlich Versicherte weitaus länger. Helmichs kompromissloses Fazit: „Einheitssysteme wie in Schweden bringen es einfach nicht.“
Synonym für Planwirtschaft
Dass die Bürgerversicherung für ihn ein rotes Tuch ist, signalisierte auch Alexander Graf Lambsdorff , Mitglied im Bundespräsidium, Mitglied im Bundesvorstand sowie stellvertretender Vorsitzender der FDP Nordrhein-Westfalen, bei seiner Rede vor den Gästen des PKV-Forums in Köln. Für den Liberalen ist die Bürgerversicherung das Synonym für Planwirtschaft, rationierte Medizin und eine Einheitskasse, in die alle Menschen gezwungen werden sollen. Für ihn ist das deutsche Gesundheitswesen ein System, das „überwiegend hervorragend funktioniert“. Die Schlussfolgerung für ihn lautet: „ Die Bürgerversicherung darf nicht sein“.
Heiße Wahlkampfphase
Lambsdorff war an Stelle von Christian Lindner, FDP-Bundesvorsitzender und Spitzenkandidat der Liberalen, zum Continentale-Forum gekommen. Das Büro von Lindner hatte einen Tag zuvor abgesagt, ohne genaue Begründung. Von einem anderen Plenum hat sich Lindner vielleicht einen größeren Stimmengewinn erhofft. Und dies obwohl, im Kölner Gürzenich gut 1.000 potenzielle Wähler vor Ort waren.
Weitaus gelassener, aber trotzdem ablehnend gegenüber der Bürgerversicherung zeigt sich Professor Dr. Norbert Klusen, bis 2012 Vorstandsvorsitzender der Techniker Krankenkasse und heute Mitglied des Expertenbeirats der Bundesregierung für den Innovationsfonds. Für ihn ist das Modell der Bürgerversicherung „zurzeit ein totes Pferd“. Durch diese und deren Ziel, auch Beamte in die gesetzliche Krankenversicherung zu überführen, würde nur „eine vermeintliche Gerechtigkeit“ entstehen. Respekt zollte er hingegen dem Einheitssystem in Holland. Dort gibt es seit einiger Zeit nur noch vier „ernstzunehmende Krankenversicherer“.
Interessantes Modell mit Schönheitsfehlern
Das holländische Modell weise zwar einige strukturelle Fehler auf, aber grundsätzlich habe Holland mit diesem System einen sehr mutigen Schritt gewagt. O-Ton Klusen: „In Holland probiert man Dinge einfach mal aus. Wenn es nicht funktioniert, wird das Eingeführte eben wieder rückgängig gemacht. In Deutschland wäre dies undenkbar“.
Sie möchten zum PKV-Forum der Continentale, dem Thema Bürgerversicherung und über die Situation in der privaten Krankenversicherung noch mehr erfahren? Dann lesen Sie doch die Oktober-Ausgabe von Versicherungsmagazin im Probe-Abo!
Autor(en): Meris Neininger