Bundesregierung beschließt KI-Strategie, Versicherer stehen schon am Start

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Kürzlich hat die Bundesregierung ihre "Strategie Künstliche Intelligenz" beschlossen. Demnach soll Deutschland bei Künstlicher Intelligenz (KI) zu einem weltweit führenden Standort werden. Die Versicherer haben die KI schon längst für sich entdeckt.

Für deutsche Unternehmen und Start-ups bietet KI große Chancen, sich mit innovativen Produkten auf dem internationalen Markt zu positionieren, ist Vera Demary, Leiterin des Kompetenzfelds Strukturwandel und Wettbewerb des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW), überzeugt. Allerdings muss Deutschland größte Anstrengungen unternehmen, um gegen Mitbewerber wie China und die USA mithalten zu können. "Lediglich 92,4 Millionen Euro investierte der Bund 2017 in die Forschung und Entwicklung von KI. Damit hat sich der Förderanteil für KI-Forschung gemessen an der Gesamtförderung von Informations- und Kommunikationstechnologien kaum verändert", moniert sie. Insgesamt gleiche die deutsche Förderlandschaft für KI einem Flickenteppich, auch von der EU komme zu wenig. Bund und Länder müssten mehr Geld in die Hand nehmen und sich besser koordinieren.

Vergleichbar mit der Erfindung des Rades

Bitkom-Präsident Achim Berg bezeichnet KI als "neue Stunde null" für die Weltwirtschaft. "KI ist vergleichbar mit der Erfindung von Rad, Buchdruck oder Dampfmaschine. Es ist ungewöhnlich, dass eine Bundesregierung eine nationale Strategie für eine Technologie verfasst. Der Schritt unterstreicht, dass die Politik die Bedeutung dieser Zukunftstechnologie erkannt hat. Wir begrüßen das klare Bekenntnis der Bundesregierung, jetzt das Tempo erhöhen zu wollen", bekräftigt er. Dieses Ziel müsse aber noch stärker mit konkreten Maßnahmen und den notwendigen Mitteln verfolgt werden.

Die geplanten drei Milliarden Euro bis 2025 aus dem Bundeshaushalt zur Förderung von KI würden 500 Millionen Euro pro Jahr entsprechen und damit bei Weitem nicht der erkannten und formulierten Bedeutung von KI für Wachstum und Wohlstand. Dagegen seien die geplanten mindestens 100 zusätzlichen KI-Professuren ein starkes Signal, dass Deutschland den Wettbewerb um die klügsten Köpfe aufnimmt. „Es genügt aber nicht, beste Forschung und Lehre anzubieten und hervorragende KI-Experten auszubilden“, fordert Berg. "Wir müssen auch dafür sorgen, dass die klugen Köpfe im Land bleiben - in Unternehmen, aber auch in Forschungs- und Wissenschaftseinrichtungen, bei Bundesbehörden oder in der öffentlichen Verwaltung. An dieser Stelle muss die Politik kurzfristig ein Maßnahmepaket vorlegen, das genau dies sicherstellt."

Neben Einzelmaßnahmen brauche es einen regulatorischen Rahmen, der neben der KI-Forschung auch die KI-Anwendung ermögliche. Ohne regulatorische Flankierung bestehe die reale Gefahr, dass Investitionen wirkungslos verpuffen. An dieser Stelle bleibe die KI-Strategie der Bundesregierung noch zu viele Antworten schuldig.

KI hilft bei der Automatisierung

Auch Versicherer haben die KI für sich entdeckt. "Mit Künstlicher Intelligenz verbessern Versicherungskonzerne wie die Allianz die Interaktion mit Kunden und trimmen ihre Prozesse auf mehr Effizienz", war unlängst in der "Computerwoche" zu lesen.

Künstliche Intelligenz werde in der Versicherungsbranche einen tiefgreifenden Wandel auslösen, glaubt Michael Bruch, zuständig für neue Trends beziehungsweise neue Produkte bei der Allianz Global Corporate & Specialty in München. Davon profitierten sowohl Kunden als auch Versicherer: "KI bietet ein immenses Potenzial, um die Wertschöpfungskette der Assekuranz zu optimieren", so seine Überzeugung. Zunächst werde KI zur Automatisierung des Versicherungsprozesses beitragen, etwa bei der Abwicklung von Schadenfällen und beim Abschluss von Policen. Im Laufe der Zeit könne dies bei Versicherern und ihren Kunden auch das Risikobewusstsein schärfen.

Gewerbliche Versicherungen rücken in den Fokus

Bisher hätten sich die Versicherer vor allem darauf konzentriert, KI-Anwendungen ins Privatkundengeschäft zu integrieren, berichtet Bruch. Nun aber rückten auch gewerbliche Versicherungen ins Blickfeld, darunter der große Sektor der Industrieversicherungen. Hier könnten KI-Techniken erhebliche Kosteneinsparungen bringen, die Geschäftsabwicklung erleichtern und Vorgänge wie die Prüfung von Anträgen und Versicherungsverträgen beschleunigen. Vorteile bringe der KI-Einsatz auch beim Entwickeln neuer Lösungen. Darüber hinaus lasse sich ein Versicherungsbetrug mithilfe intelligenter Systeme leichter aufdecken.

Die Kraft der Algorithmen

Wohin die Richtung gehen könnte, zeigt das junge US-Unternehmen Lemonade. Stolz wirbt der Versicherer, der die Branche neu erfinden will, damit, dass ein Vertragsabschluss bei ihm unter einer Minute und eine Schadensregulierung in wenigen Sekunden möglich sei. So stark wie kaum ein anderer Versicherer setzt die US-Firma auf die Kraft der Algorithmen. Der Versicherungsbetrieb läuft weitgehend digital und wird unterstützt von künstlicher Intelligenz. Chatbots mit Namen wie Maja ermitteln und analysieren den Bedarf der Kunden. Kleinere Schäden reguliert der Algorithmus automatisch – ohne dass es noch eine separate Prüfung gibt.

Das Insurtech-Unternehmen macht deutlich, was auf die etablierten Versicherer in den kommenden Jahren an Veränderungen zukommen könnte. "Versicherungen, Banken, Finanzdienstleister wird es so, wie wir sie heute kennen, in zehn bis 15 Jahren schon nicht mehr geben", stellt Christian Rieck, Professor für Finance und Wirtschaftstheorie an der Frankfurt University of Applied Sciences, in seinem Buch "Können Roboter mit Geld umgehen?" fest. Denkroboter, die nicht mehr auf menschlichen Input warten müssen, warten schon auf ihren Einsatz. "Wer jetzt nicht aufwacht, wird verdrängt", so seine Prognose.

KI hat enormes Potenzial

Ein Pionier in Sachen KI ist die Versicherungskammer Bayern (VKB). Dort bearbeitet mit Watson schon heute ein KI-Tool Kundenbeschwerden und versteht sogar teilweise den bayerischen Dialekt. Die Software kann Unmutsäußerungen in Kundenschreiben erkennen und in verschiedene Kategorien sortieren.

Die Allianz testet beispielsweise Bots, die die eingehende Briefpost, E-Mails oder auch Anrufe automatisch klassifizieren und weiterbearbeiten. "KI hat enormes Potenzial für Versicherer", glaubt Bruch von Allianz Global Corporate & Specialty. Denn der Service ist nur ein Feld, in dem die Roboter bereits Einzug halten.

Autor(en): Elke Pohl

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