Bundesregierung will Akzeptanz von Betriebsrente erhöhen

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Ende 2015 hatten circa 17,7 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigte bei ihrem aktuellen Arbeitgeber eine Betriebsrentenanwartschaft, das sind knapp 60 Prozent aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Auch wenn dies gegenüber 2001 eine Steigerung um circa 30 Prozent bedeutet und viele Beschäftigte zum Beispiel eine zusätzliche Altersvorsorge über eine private Riester-Rente aufbauen, sind weitere Anstrengungen notwendig, um eine möglichst hohe Abdeckung der betrieblichen Altersversorgung zu erreichen. Diese Ansicht vertritt die Bundesregierung und hat darum einen diesbezüglichen Gesetzentwurf veröffentlicht.

Die Möglichkeiten für die Sozialpartner, über Tarifverträge betriebliche Versorgungssysteme zu gestalten, die einfach, effizient, kostensicher und damit gezielt auf die Bedürfnisse der Unternehmen und Beschäftigten
zugeschnitten sind, sollen künftig erweitert werden. So können die Sozialpartner in Zukunft auch so genannte reine Beitragszusagen vereinbaren, über Leistungen der durchführenden Einrichtungen entscheiden und rechtssicher Options- beziehungsweise Opting-Out-Systeme in den Unternehmen und Betrieben einführen.

Neue Anreize für den Auf- und Ausbau einer bAV besonders bei Geringverdienern
Daneben wird ein spezifisches Fördermodell für Geringverdiener eingeführt. Zudem wird die steuerliche Förderung der betrieblichen Altersversorgung und der Riester-Rente vereinfacht und verbessert. Schließlich werden im Sozialrecht neue Anreize für den Auf- und Ausbau einer betrieblichen Altersversorgung (bAV) besonders bei Geringverdienern gesetzt.

Möglichkeiten für einen weiteren freiwilligen Ausbau

Eine weitere Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung wäre auch mit einem gesetzlich obligatorischen Betriebsrentensystem zu erreichen oder auch damit, dass ein alle Arbeitgeber verpflichtendes gesetzliches
Options- beziehungsweise Opting-Out-System eingeführt würde. Solche Systeme weisen aber eine höhere Eingriffsintensität für Arbeitgeber und Beschäftigte auf. Deshalb sollen vordringlich die Möglichkeiten für
einen weiteren freiwilligen Ausbau der bAV ausgeschöpft werden.

Fehlende Mittel von Geringverdienern
Die Gründe für die noch nicht ausreichende Betriebsrenten-Durchdringung in kleinen Unternehmen sind vielfältig. Untersuchungen belegen, dass insbesondere der mit der Einführung eines Betriebsrentensystems
verbundene hohe Verwaltungs- und Kostenaufwand sowie das langfristig kaum zu kalkulierende Haftungsrisiko Hemmnisse darstellen. Hinzu kommen ein fehlendes Interesse an betrieblicher Altersversorgung sowohl von
Seiten der Arbeitgeber wie der Arbeitnehmer, das auch aus der hohen Komplexität der Thematik resultiert, sowie fehlende objektive Informationsmöglichkeiten. Nicht zuletzt fehlen Geringverdienern häufig die Mittel, um im Wege der Entgeltumwandlung eine substanzielle Betriebsrente aufzubauen.

Quantitative und qualitative Verbesserungen immer noch möglich
Besonders in kleinen Unternehmen und bei Beschäftigten mit niedrigem Einkommen besteht noch erhebliches
Verbreitungspotenzial für die betriebliche Altersversorgung. So verfügen in Betrieben mit weniger als zehn Beschäftigten lediglich circa 28 Prozent der Mitarbeiter über eine Betriebsrentenanwartschaft.
Knapp 47 Prozent der Beschäftigten mit weniger als 1.500 Euro Erwerbseinkommen im Monat haben weder
eine Betriebs- noch eine Riester-Rente. Aber auch in größeren Unternehmen und bei Beschäftigten mit Einkommen oberhalb der genannten Einkommensgrenze kann die bAV quantitativ und qualitativ noch verbessert werden.

Wesentlicher Inhalt des Entwurfs
Hier setzen die Neuregelungen im Arbeits- und Steuerrecht der betrieblichen Altersversorgung sowie im Versicherungsaufsichts-und Sozialrecht an.
  • Im Betriebsrentengesetz wird den Sozialpartnern die Möglichkeit eröffnet, auf tariflicher Grundlage reine Beitragszusagen einzuführen. In diesem Fall werden keine Mindest- bzw. Garantieleistungen der durchführenden Einrichtungen mehr vorgesehen. Diese neue Form der Betriebsrente wird im Versicherungsaufsichtsgesetz durch spezifische Finanzaufsichtsregelungen flankiert.
  • Bei dieser neuen Form der Betriebsrente sind die Arbeitgeber verpflichtet, im Falle einer Entgeltumwandlung die ersparten Sozialversicherungsbeiträge an die Beschäftigten weiterzugeben.
  • Im Betriebsrentengesetz wird verankert, dass die Sozialpartner künftig rechtssicher Modelle der automatischen Entgeltumwandlung regeln können („Opting-Out“- bzw. „Optionsmodelle“).
  • Im Einkommensteuergesetz wird ein neues steuerliches Fördermodell spezifisch für Geringverdiener (BAV-Förderbetrag) eingeführt.
  • Außerdem werden die Höchstbeträge für steuerfreie Zahlungen an Pensionskassen, Pensionsfonds und Direktversicherungen zu einer einheitlichen prozentualen Grenze zusammengefasst und angehoben und verschiedene Flexibilisierungen sowie Vereinfachungen des steuerlichen Verwaltungsverfahrens umgesetzt.

Außerdem soll mit dem Gesetz die seit 2008 unverändert bestehende Grundzulage bei der Riester-Rente angehoben und das Verfahren zur Riester-Förderung optimiert werden.

Müssen sich an der Durchführung und Steuerung der Betriebsrenten beteiligen
Nach Ansicht der Bundesregierung stärkt die Einführung der reinen Beitragszusage nachhaltig die Rolle der Sozialpartner in der bAV. Wenn die Sozialpartner künftig vereinbaren, dass Betriebsrentenzusagen in der Form reiner Beitragszusagen erfolgen, müssen sie sich an der Durchführung und Steuerung dieser Betriebsrenten beteiligen.

Garantien haben diverse Nachteile

Bei der reinen Beitragszusage beschränkt sich die Zusage des Arbeitgebers auf die Zahlung der Beiträge. Die
Leistungsansprüche der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer richten sich ausschließlich gegen den Pensionsfonds, die Pensionskasse oder die Direktversicherung. Die Leistungen sind an die Vermögensentwicklung dieser Einrichtungen gekoppelt. Mindestleistungen versprechen sie nicht.
Mindestleistungsvorgaben bzw. Garantien haben aus Sicht der betroffenen Arbeitnehmer zwar den Vorteil hoher Planungssicherheit. Die Garantien haben nach Auffassung vieler Experten aber auch Nachteile. Dazu gehört vor allem, dass die Kapitalanlage sehr vorsichtig gestaltet sein muss, damit die Mindestleistungen auf Dauer erfüllt werden können. Eine Chance auf eine bessere Rendite geht damit verloren.

Im Niedrigzinsumfeld wird dies offensichtlich: Die garantierten Leistungen sind vergleichsweise gering, zudem fehlt teilweise sogar die Perspektive auf einen Inflationsausgleich aus den Kapitalerträgen. Darüber hinaus müsste die durchführende Einrichtung bei fehlender Arbeitgeberhaftung entsprechend mehr Eigenkapital vorhalten. Solche Reibungsverluste sind systemimmanent und lassen sich nicht beseitigen.

Partizipieren auch an günstigen Marktentwicklungen
Es ist Sache der Sozialpartner, die Vor- und Nachteile der reinen Beitragszusage und von Garantien zu analysieren und eine fundierte Entscheidung zu fällen, macht die Bundesregierung deutlich. Die durchführenden Einrichtungen der bAV sollen bei diesem Prozess regelmäßig eingebunden sein. Die Sozialpartner können damit festlegen, ob sie in der Tendenz niedrigere, dafür aber der Höhe nach besser planbare Betriebsrenten oder in der Tendenz höhere, dafür aber volatilere Betriebsrenten ermöglichen wollen.

Da in dem Neukonzept keine Mindestsicherungslinien bestehen, können solche Betriebsrenten unter Umständen während des Rentenbezugs auch gesenkt werden; sie partizipieren aber auch an günstigen Marktentwicklungen.

Quelle: Bundesregierung; Bild: © Gina Sanders/ fotolia

Autor(en): versicherungsmagazin.de

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