Cyber: Risikobewusstsein schärfen, Prävention steigern

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Was kann die Versicherungswirtschaft aus der aktuellen Corona-Pandemie für den Umgang mit Cyber lernen? Viel. Diese Ansicht vertrat jedenfalls Christian Gründl, Mitglied des Vorstands der Ergo Versicherung AG, auf der diesjährigen GVNW-Fachtagung.

Cyber-Versicherungen sind schon jetzt ein substanzieller Sektor auf dem Versicherungsmarkt, darin waren sich die Experten bei der Online-Tagung „Fokus Cyber und Financial Lines 2021“ des Gesamtverbandes der versicherungsnehmenden Wirtschaft (GVNW) einig. Aktuell dominieren die USA diesen Sektor noch, Asien und Europa werden hier aber immer stärker. Experten rechnen bis 2025 mit einem Marktvolumen von rund 20 Milliarden US-Dollar, in Deutschland lag das Volumen im vergangenen Jahr bei rund 160 Millionen Euro. Tendenz steigend. So die Zahlen von Munich Re, die Bengt von Toll auf der Konferenz präsentierte. 

Risikobewusstsein für Cyber-Gefahren noch unterentwickelt

Das Risikobewusstsein vieler Unternehmen in Hinblick auf Cyber-Risiken, vor allem kleiner und mittelständischer Firmen (KMU), ist nicht wirklich ausgeprägt. Das beweisen immer wieder Untersuchungen, unter anderem von Hiscox. Aber auch die Ergo hat diese Beobachtung gemacht. Dies verdeutlichte Christian Gründl, Mitglied des Vorstands der Ergo Versicherung AG, verantwortlich für das Individualgeschäft, auf der Online-Tagung des GVNW mit Zahlen und diversen Beispielen.

So schätzen nur 28 Prozent der Unternehmen das Cyber-Risiko für Ihr Unternehmen als hoch ein. Und bedenkliche 72 Prozent der mittelständischen Firmen sind nicht gegen Cyber-Angriffe versichert. Und dies obwohl die Cyber-Attacken in der ersten Hälfte 2020 um satte 67 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum gestiegen sind, 2019 die Cyber-Schäden 87 Millionen Euro ausmachten und 39 Prozent der deutschen Firmen in den vergangenen zwei Jahren Opfer von Cyber-Kriminellen wurden. Zahlen, die auch die Ergo Versicherung erhoben hat.

Bessere Schadenprozesse aufsetzen, das Wording klarer formulieren

Aber auch die Anbieter von Cyber-Versicherungen müssen ihre Haltung gegenüber den Kunden verändern, müssen sich den neuen Gegebenheiten anpassen, so die Position von Gründl. Das heißt zum Beispiel, dass die Schadensprozesse verbessert werden müssen, die Unternehmen Deckungen gewähren müssen, die die Kunden wirklich schützen und dass das Wording klarer werden muss, damit für die Kunden sofort erkennbar ist, was versichert ist und was nicht. Das dies notwendig sei, habe auch der Streit um die Betriebsschließungsversicherung (BSV) gezeigt.

Hier spiele aber vor allem die Problematik der Versicherbarkeit von Risiken rein, also was zum Beispiel in einer Pandemie versichert sei und was nicht oder wie weit die Versicherbarkeit bei Cyber reicht. Sein Arbeitgeber, die Ergo, hätte hier schon reagiert und die Bedingungen seiner Cyber-Versicherung den aktuellen Gegebenheiten angepasst, sprich Arbeiten im Homeoffice ist nun auch abgesichert.

Cyber Ergo

Prävention muss von allen stärker in den Blick genommen werden

Auch das Thema „Prävention“ müsse stärker in das Blickfeld aller Beteiligten geraten, für die Versicherer müsste diese zum „Must have“ werden und ihre Forcierung „im Interesse aller sein“.  O-Ton Gründl: „Wir, sprich die Versicherer, müssen dieses Thema stärker angehen.“ Ähnlich aktiver müsste die Branche auch beim Risikomanagement werden. Gründl formuliert dies so: „Auch hier müssen wir gemeinschaftlich mehr investieren, müssen stärker in den Risiko-Dialog gehen.“

Die Grenzen der Versicherbarkeit: Nicht nur ein Problem, dass sich in der aktuellen Corona-Pandemie zeige, sondern auch den Cyber-Schutz betreffen könne. Hier müsse offen diskutiert werden, wann die Versicherbarkeit nicht mehr gegeben sei. Gründl ist davon überzeugt, dass „wir heute noch in der Lage sind, Cyber-Schutz zu gewähren, doch ist dies in den nächsten Jahren auch noch möglich, wenn die Schäden kontinuierlich zunehmen?“ 2020 hätte das versicherungstechnische Ergebnis 7,8 Milliarden Euro betragen (siehe hierzu auch 2. Bild unten). Die Frage, wann die Höhe der Cyber-Schäden die Summe übersteige, sei wohl nur noch eine Frage der Zeit und das Ende der Versicherbarkeit dann auch gekommen

Große Kundennachfrage bei gleichbleibenden Kapazitäten

Dass (Industrie-)Kunden wenig Risikobewusstsein in puncto Cyber-Kriminalität zeigen, kann Michael Winte, Fachbereichsleiter Cyber bei der Funk Versicherungsmakler GmbH, nicht wirklich erkennen. Sein Unternehmen verzeichnet eine starke Nachfrage nach derartigem Schutz. Problematisch sei in diesem Kontext aber, dass zwar die Marktnachfrage steige, auch weil die Schadenfälle stetig nach oben gingen, aber zeitgleich die Kapazitäten der Versicherer gleichbleibend seien. Dies bedeute für Maklerhäuser wie das seine einen hohen Aufwand, Einzelpolicen zu platzieren.

Unschön sei auch der Umstand, dass die Prämien für den Cyber-Schutz immer weiter stiegen. Ihre Kunden seien zwar bereit, einen 20- bis 30-prozentigen Anstieg der Prämien zu akzeptieren, nicht aber Steigerungen bis zu 100 Prozent, welche im Markt immer häufiger zu beobachten seien. Doch nicht nur bei den Prämien sei ein bedenklicher Trend zu beobachten, sondern auch bei den Selbstbehalten und den Deckungsumfängen. So würden immer höhere Selbstbehalte gefordert und/oder die Deckungsumfänge seien stark rückläufig. Oftmals würden die Kunden auch noch sehr spät über derartige einschneidende Vertragsänderungen informiert werden. Und nicht nur dies. „Die Dienstleistungsfähigkeit der Versicherer ist gesunken, da zu wenige Ansprechpartner in den Versicherungshäusern vorhanden sind“, kritisierte Winte die Situation bei den Versicherern, die Cyber-Versicherungen anböten.

Ergo Grenze Versicherbarkeit

Mehr Kooperationen, mehr Dialog

Und welche Optionen können die Lage der Betroffenen, der Cyber-Involvierten künftig verbessern? Die Cyber-Experten setzen hier auf mehr Kooperationen mit externen Dienstleistern, zielgruppenorientiertere Lösungen und einen besseren Dialog zwischen Kunden und Versicherern, aber auch zwischen den einzelnen Sparten in den Versicherungshäusern.  

Bildquelle: Ergo

Autor(en): Meris Neininger

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