Der Schulterblick kann Leben retten

"Schulterblick, Schulterblick, Schulterblick!" ist der neue Appell an alle rechtsabbiegenden Autofahrer durch die Unfallforschung der Versicherer (UDV). "So können schwere und tödliche Unfälle für geradeausfahrenden Radfahrer vielfach vermieden werden", sagt UDV-Leiter Siegfried Brockmann. In einer aktuellen Studie haben die Forscher festgestellt, dass ein Drittel aller Autofahrer im Konfliktfall den Schulterblick nicht praktizierten. Überproportional betroffen sind ältere Autofahrer.

An 43 Kreuzungen in den Städten Darmstadt, Erfurt, Magdeburg und Münster haben die Forscher Autofahrer und Radfahrer beobachtet. Gegenüber dem fehlenden Schulterblick gehen andere Unfallursachen, wie Ablenkung durch Handynutzung mit rund fünf Prozent der Fälle oder nicht Blinken, das lediglich zwei Prozent der Autofahrer vergaßen, deutlich zurück. Kommt es beim Abbiegen zur Kollision, endet der Unfall in 80 Prozent der Fälle mit einem verletzten Radfahrer - fast immer ist der Autofahrer in vollem Umfang schuld.

Fähigkeit zum Schulterblick prüfen
Der fehlende Schulterblick ist aber auch ein medizinisches Problem, wie Professor Fritz Niethard von der Deutschem Gesellschaft für Orthopädie aus Aachen bestätigt. "Autofahrer, können wegen Verschleißerscheinungen im Nacken oft ihren Kopf nicht mehr ausreichend nach hinten drehen", so der Mediziner. Gleichzeitig sei die dann notwendige Rumpfdrehung durch anatomisch geformte Sitze oder zusätzlich Steifigkeit des gesamten Köpers kaum möglich. Die Altersskala der Betroffenen sei sehr breit und reiche von 50-Jährigen bis zu 70-Jährigen. "Niemand kann solche Verschleißerscheinungen wegtrainieren", warnt der Mediziner. Daher rät er allen Autofahrern unbedingt zu prüfen, ob der Schulterblick noch funktioniert. Ist das nicht der Fall, bleibt beim Abbiegen nur eine sehr defensive Fahrweise, um Radfahrunfälle zu vermeiden. Bei erheblicher Unsicherheit, sollte man besser vor dem Radweg kurz anhalten.

Schon geringes Tempo kann gefährlich werden
Wie ein Crashtest des UDV beweist, kann ein Radfahrer schon dann schwer oder sogar tödlich verletzt werden, wenn er und der abbiegende Autofahrer mit Tempo 20 unterwegs sind. Radfahrer sollten zur eigenen Sicherheit an Kreuzungen besonders vorsichtig queren. "Besser ist es auch einmal für die eigene Gesundheit auf das Vorfahrtsrecht zu verzichten", rät Experte Brockmann. Fahrradunfälle haben in den vergangenen Jahren eine dramatische Entwicklung genommen. Während die Gesamtzahl der Straßenverkehrsunfälle mit Personenschaden seit 2000 deutlich gesunken ist, blieben Radunfälle mit Verletzten auf gleich hohem Niveau. 2012 gab es 74.961 Unfälle mit Radfahrern und Personenschaden. Dabei wurden 417 Menschen getötet, 14.496 schwer verletzt und 64.835 leicht verletzt. "Innerorts ist schon jeder vierte Getötete ein Radfahrer", warnt Forscher Brockmann. Dabei sind über 65-Jährige mit 54 Prozent besonders betroffen.

Falschfahrer gefährden sich und andere

Radfahrer gefährden sich aber immer wieder auch selbst. So fahren über 17 Prozent auf Radwegen in die falsche Richtung, wie die UDV feststellt. "Das ist brandgefährlich, weil Autofahrer dies nicht erwarten", so Brockmann. Radfahrer, die in der falschen Richtung unterwegs sind, würden zudem beim Ausweichen andere Fußgänger und entgegen kommende Radfahrer gefährden. Vielfach würde es zu einer gefährlichen Situation kommen, weil beide Radfahrer in die gleiche Richtung abschwenken würden. Seit dem 1. April 2013 müssen Falschfahrer mit einem Bußgeld von 20 bis 35 Euro rechnen.

Autor(en): Uwe Schmidt-Kasparek

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