"Der Verkauf der Lebensversicherung ist kein Selbstläufer"

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Die Generali will vier Millionen Lebensversicherungen verkaufen. Verbraucherschützer befürchten eine Schlechterstellung der Kunden. Die Versicherungsaufsicht will dies aber durch eine strenge Prüfung verhindern.

Die rund vier Millionen Lebensversicherte der Generali sollen an eine Verwaltungsplattform verkauft werden. Das Unternehmen wickelt die Policen dann bis zur Fälligkeit ab, was teilweise noch Jahrzehnte dauern kann. Der Generali-Vertragsbestand beinhaltet derzeit garantierte Kapitalanlagen in Höhe von 37,1 Milliarden Euro. Als Käufer hat der Münchener Versicherer die Viridium Gruppe aus Neu-Isenburg gewonnen.

Run-Off längst üblich
Die Lebensversicherungsbranche wird von Niedrigzinsen und Kostendruck gebeutelt. Klassische Kapitallebensversicherung werden von vielen Unternehmen im Neugeschäft gar nicht mehr angeboten, weil die Garantien zu teuer geworden sind und die Policen sich nicht mehr lohnen. Das wird als interner Run-Off bezeichnet. In ihm befindet sich beispielsweise die Ergo Lebensversicherung, die Victoria oder die Bayerische Beamten Lebensversicherung.

Tatsächlich im externen Run-Off verkauft wurden an die Plattform Frankfurter Gruppe bereits die Arag und die Basler sowie die ehemalige Delta Lloyd an die Plattform Athene. Hinter der Frankfurter Gruppe steht der chinesische Investor Fosun International Holdings aus Shanghai und hinter Athene der britische Investor Athora Holding. Der Investor Viridium hat bereits die Heidelberger, die Entis, die ehemalige Mannheimer und die Skandia übernommen. Insgesamt verwaltet das Unternehmen bereits über 960.000 Verträge.

Verbraucherschützer skeptisch
Die Lebensversicherer betonen die betriebswirtschaftliche Notwendigkeit eines Run-Offs und Vorteile für die Kunden. Demgegenüber werfen Verbraucherschützer der Branche einen erheblichen Missbrauch des in sie gesetzten Vertrauens und einen gefährlichen Angriff auf die Altersvorsorge von Millionen Kunden vor.

So ist der Vorstandssprecher des Bund der Versicherten (BdV), Axel Kleinlein, hinsichtlich des Generali-Deals sehr skeptisch. "Wir befürchten, dass die Versicherten zukünftig deutlich schlechter gestellt sind." Generali-Kunden müssten damit rechnen, künftig noch spärlicher mit Überschüssen bedient zu werden. Vor sinkenden Überschüssen, weniger Sicherheit und Service warnt auch der Finanzexperte der Grünen, Gerhard Schick.

Lange Prüfung notwendig
Tatsächlich muss der Verkauf aber von der Aufsichtsbehörde, der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) genehmigt werden. "Der Verkauf der Lebensversicherung ist kein Selbstläufer", erklärte ein Bafin-Sprecher. Er werde streng geprüft. "Bisher hat die Generali einen Verkauf ihres Lebensversicherers bei uns noch nicht angezeigt", sagte der Sprecher weiter. Erst nach der Anzeige und vollständigen Übergabe aller Unterlagen könne das Kontrollverfahren starten. Allein bis zum Start rechnet die Bafin mit mehreren Monaten. Die eigentliche Prüfung des Verkaufs könnte dann nochmals bis zu einem Jahr dauern.

Seit 2014 hat die Bafin in sechs Fällen für einen Vertragsbestand von gut 1,6 Millionen Verträgen eine Freigabe erteilt. Die Behörde prüft vor allem, ob die Gefahr besteht, dass die Kunden durch den Verkauf schlechter gestellt werden. Ist das der Fall, müssen die Aufkäufer Maßnahmen ergreifen, wie beispielsweise besondere Sicherheiten hinterlegen. „Andernfalls wird die Genehmigung verweigert“, so der Sprecher. Grundsätzlich soll sich vertragsrechtlich nichts ändern, wenn ein Lebensversicherungsbestand verkauft wird. Das gilt sowohl für den Garantiezins, als auch für die Beteiligung an den Überschüssen. Die Bafin würde für die Entwicklung der Verträge Prognosen erstellen, die bis zu 20 Jahre in die Zukunft reichen. „Wir können die Risiken sehr gut beurteilen, weil für alle verkauften Bestände kein Neugeschäft mehr anfällt“, sagte der Sprecher. So müssen die Aufkäufer kein Geld mehr für Entwicklung, Vertrieb und Werbung für neue Produkte ausgeben. Zudem werben die Plattformen damit, dass sie mit moderner IT-Technik und immer größeren Beständen Verwaltungskosten senken können und die Verträge der Kunden sich somit sogar lukrativer entwickeln würden.

Risiko "Vertrauen"
Ein großes Risiko gibt es aber trotzdem. So könnten die Kunden massenweise, mehr als die Bafin es erwartet, aus ihren Verträgen aussteigen. Fraglich ist, wie sehr sie den Aufkäufern vertrauen. Die Stornoquote bleibt somit ein Unsicherheitsfaktor. Immerhin beschwerten sich über die Skandia Lebensversicherung, die im Bestand von Viridium ist 2017 rund 70 Kunden bei der Bafin. Umgerechnet auf 100.000 Verträge ist das eine Beschwerdequote von 25,9. Bei der Heidelberger Leben, ebenfalls Viridium, liegt die Quote bei 4,4 bei absolut 17 Beschwerden und bei der Athene Leben liegt diese Quote bei 4,2 (zwölf Beschwerden).

Zum Vergleich: Über Marktführer Allianz Leben beschwerten sich insgesamt 103 Kunden, was einer Quote von unter einem Prozent entspricht. Bisher überwiegen in den Beständen der Plattformen wohl noch deutlich die Kunden, die ihre Rechte nicht bedroht sehen und wirtschaftsrational an ihren Policen festhalten. Auch nach dem Verkauf bleibt der Versicherungsbestand weiterhin voll unter der Aufsicht der Bafin. Notfalls steht der Sicherungsfonds Protektor bereit, sollte ein Aufkäufer trotz umfassender Aufsichtsprüfung in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten.

Autor(en): Uwe Schmidt-Kasparek

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