Der Vermittler vom Fach schreibt Sach

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Die Altersvorsorge verschwindet allmählich aus dem Angebotsspektrum der freien Vermittler. Eine fatale Entwicklung.

Die Zinspolitik der Europäischen Zentralbank zur Entlastung der Staatshaushalte von ihren Zinslasten für Kredite verändert auch die Struktur des Versicherungs- und Finanzvertriebs. Dies wird immer deutlicher, wie eine aktuelle Studie zeigt. Leidtragende sind nicht nur die Kunden, deren Altersvorsorgeverträge entwertet werden, sondern zunehmend auch die Vermittler.

Es gibt sie schon: die Rente mit 70
Die bbg Betriebsberatungs GmbH befragte im Rahmen ihrer turnusmäßigen „Asscompact Awards“ knapp 500 Vermittler, fast neun von zehn waren Versicherungsmakler, der Rest Versicherungsvertreter mit Gewerbeerlaubnis nach § 34d Gewerbeordnung. Gut 16 Prozent gaben zudem an, auch Finanzanlagevermittler nach § 34f Gewerbeordnung zu sein.

Die Befragten weisen ein Durchschnittsalter von knapp 53 Jahren auf und eine Branchenerfahrung von mehr als 23 Jahren im Schnitt. Heute schon ist jeder Vierte in diesem Beruf über 60 Jahre alt. Dass Versicherungsmakler auch ganz persönlich von verschlechterter Altersvorsorge betroffen sind, darauf deuten die Antworten auf die Frage nach dem geplanten Ausstiegsalter aus dem Beruf hin. Im Durchschnitt wollen die Befragten bis Alter 68 arbeiten. Immerhin 42 Prozent sehen ihren Berufsausstieg frühestens mit 70 Jahren. Die "Rente mit 70" ist daher längst Realität - jedenfalls bei Kleinunternehmern.

Hoffnungsträger Pflege- und Sachversicherungen
Mit verantwortlich für diese Situation dürfte das schwächelnde Vorsorge- und Anlagegeschäft sein. So gehen die Befragten davon aus, dass bis 2020 nur noch 18 Prozent ihrer Courtageeinnahmen aus dem Bereich "Private Vorsorge/Biometrie" stammen werden, gegenüber knapp 22 Prozent heute. Auch die Einnahmen aus der betrieblichen Altersvorsorge werden als leicht rückläufig auf künftig noch knapp unter sieben Prozent eingeschätzt. Das Anlage- und Finanzierungsgeschäft bleibt sogar einigermaßen stabil bei knapp unter acht Prozent.

Eine Kompensation erhoffen sich die Makler vor allem im Geschäft mit Pflegeversicherungen. Heute sind sie für nur knapp mehr als vier Prozent der Courtagen verantwortlich, aber mehr als sieben Prozent werden ihnen bis in vier Jahren zugetraut. Einen Zuwachs um einen Prozentpunkt wird nach Einschätzung der Vermittler das Sachversicherungsgeschäft bringen. Dieser resultiert vor allem aus Zunahmen aus dem gewerblichen (künftig knapp 18 Prozent Anteil) und dem industriellen Sachgeschäft (knapp drei Prozent), wohingegen das private Sachgeschäft nach allgemeiner Überzeugung auch in Zukunft stabil bei rund einem Drittel Anteil liegen wird. In Summe wird künftig deutlich mehr als jeder zweite Umsatz-Euro mit Sach-, Haftpflicht- und Kfz-Versicherungen erlöst, schätzen die Teilnehmer.

Vier von fünf Maklern sehen in Sach die Zukunft
Noch deutlicher wird die "Sach-Lastigkeit" bei der Frage nach der Bedeutung für den individuellen Maklerbetrieb. Während noch vor fünf Jahren nur für knapp 56 Prozent der von der bbg befragten Vermittler das private Sachgeschäft eine hohe Relevanz aufgewiesen hat, liegt diese aktuell schon bei 77 Prozent und soll in den kommenden fünf Jahren auf 81 Prozent steigen. Mit Abstrichen gilt derselbe Trend auch für das gewerbliche (von 42 auf 71 Prozent) und das industrielle Sachgeschäft (von 13 auf 26 Prozent). Dabei muss man berücksichtigen, dass die Asscompact-Umfragen vor allem ein bestimmtes Marktsegment im Maklermarkt abdecken, das eher von kleineren Maklerbetrieben geprägt ist. Eine Umfrage nur unter Groß- und Industriemaklern würde sicher weitaus höhere Anteile an Relevanz des Sachgeschäfts zeigen.

Dass sich kleinere Maklerbetriebe verstärkt dem Sachgeschäft zuwenden, hat vor allem mit der Sicherung und dem Ausbau von Beständen zu tun (70 Prozent Nennungen). Dies ist Ausdruck eines kaufmännischen Kalküls, langfristig kalkulierbare, gleichmäßige Einnahmen dem sprunghaften Geschäft mit Abschlusscourtagen vorzuziehen.

Wettbewerbsdruck der Vertriebswege steigt - gegenseitig
Gut jeder Dritte nennt allerdings auch das Lebensversicherungsreform-Gesetz als Grund. Dabei dürften bis heute die Folgen für die Makler noch relativ harmlos sein, wenn man erste Äußerungen der Versicherungsaufsicht über wohl noch nicht zufriedenstellende Änderungen der Abschlusskosten berücksichtigt.

Offenbar konzentrieren sich die bisherigen Änderungen eher auf eine Umverteilung von Teilen der Abschlusscourtage in die Laufzeit. "Die bloße Umbuchung von Abschlussprovisionen in laufende Provisionen ist sicherlich nicht hinreichend. Aus meiner Sicht reicht das im Moment noch nicht", so der Leiter der Versicherungsaufsicht Dr. Frank Grund in einem Interview gegenüber der "Zeitschrift für Versicherungswirtschaft". Das lässt erwarten, dass die Versicherer in absehbarer Zeit freiwillig oder vom Gesetzgeber erzwungen stärkere Eingriffe auch in das Vergütungssystem der Vermittler vornehmen müssen.

Wettebwerb um Sach-Kunden wird härter
Für eine höhere Bedeutung des Sachgeschäfts bei Maklern spricht aber auch eine veränderte Kundennachfrage (32 Prozent) und eine Vernachlässigung von Kunden, die bei Ausschließlichkeits- oder Direktvertrieben betreut werden (20 Prozent). Gleichwohl befürchten dieselben Befragten zu 52 Prozent eine Zunahme des Wettbewerbs im Massengeschäft durch ebendiese Direktanbieter, aber auch Vergleichsportale und Insurtechs.

Der Wettbewerb um die Sachversicherungskunden wird damit wohl deutlich härter werden. Makler werden hier nur punkten, wenn sie schlanke Prozesse im Massengeschäft wie die Direktanbieter und Portale, aber auch eine spürbar bessere Betreuung der Bestandskunden bieten, als dies vor allem Direktvertreiber und Großagenturen bieten.

Autor(en): Matthias Beenken

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