"Die besten Zahlen der Firmengeschichte" - von Corona überschattet

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Stefan Knoll strotzt meist vor Selbstbewusstsein und ist mächtig stolz auf sein Haus, seine Leistungen und die seiner Mitarbeiter. So auch bei der gestrigen Bilanz-Pressekonferenz seines Unternehmens, der Deutschen Familienversicherung (DFV). Denn der Versicherer mit Sitz in Frankfurt am Main hat 2019 ein Super-Jahr hingelegt, nach eigenen Angaben „ein Geschäftsjahr mit den besten Zahlen unserer Firmengeschichte“. Doch Corona hat Knoll und seinen Vorstandskollegen leicht die Laune verdorben. Das war auf der Online-Bilanz-PK zu spüren.

In Knolls Presse-Präsentation jagte ein Superlativ den nächsten. So betonte er, dass sein Unternehmen „qualitativ regelmäßig reüssiere“, dies zeige sich vor allem darin, dass sie in den unterschiedlichsten Sparten Testsieger bei Stiftung Warentest seien. So 2019 zum Beispiel beim Krankentagegeld, dem Klinikschutz Premium und dem Pflegetagegeld. Und bei der Unfall- und Auslandskranken-versicherung mit „sehr gut“ bewertet. Und sogar schon zum vierten Mal in Folge wurde die DFV Testsieger in der Zahnzusatzversicherung. Doch nicht nur hier überzeuge sein Haus, auch anderweitig sei „alles sensationell“. So hätten sie die Rate der Dunkelverarbeitung um 20 Prozent gesteigert und das allgemeine Neugeschäft um 81 Prozent. Dabei liege diese Steigerung des Neugeschäfts (Stück) deutlich über dem Marktdurchschnitt (0,8 %). Sicher beeindruckende Zahlen.

Größter Wachstumstreiber die Zahnzusatzversicherung

Der größte Wachstumstreiber für sein Haus sei vor allem die Zahnzusatzversicherung, der „DFV-Zahnschutz“. Diese hätte zur erfolgreichen Bestandsentwicklung von +11,51 Prozent beigetragen. Dadurch sei der Bestand auf circa 514.000 Verträge gewachsen. Die guten Zugewinne seien hier vor allem dem Online-Vertrieb und der Kooperation mit einem Privatsender zu verdanken.   

Aber auch bei der Deutschen Familienversicherung gibt es Zahlen, die die Vorstandsebene nicht ganz so glücklich stimmt, die aber „nur schlechter aussehen als sie sind“. So ist in den Bilanz-Charts für die Jahre 2017 und 2018 eine „unschöne Delle“ zu erkennen. Die Begründung von Knoll dafür: „2018 wurden bewusst circa 37.000 Kunden aus dem Wohngebäudeportfolio und dem Elektronikbestand abgegeben.“ Dies erkläre eben den Rückgang in der Bestandentwicklung der Jahre 2016 bis 2018.

Ziel erreicht: Über 100.000 Neukunden 

Dass sein Unternehmen mit „fantastischen Zuwachsraten“ überzeugen könne, liege auch daran, dass ihre Abschlussstrecken sehr kurz seien und die Bezahlung über Amazon Pay laufe. Dies bringe für alle Beteiligten viele Vorteile. 

Die besagten Zuwachsraten in konkreten Zahlen: Die Anzahl der Neukunden konnte die Deutsche Familienversicherung um 55.000 Stück auf 100.034 Stück erhöhen. 100.000 Stück war das angepeilte Ziel. Der Neugeschäftsbetrag wurde um 29,98 Millionen Euro gesteigert, zum Ziel hatte sich der Versicherer 30 Millionen Euro gesetzt, also nur knapp verfehlt.   

Und: Die Vertriebsausgaben stiegen von 16 Millionen Euro auf 30 Millionen Euro. Die Folge: Das Unternehmen musste einen Verlust von (nur) -5,25 Millionen Euro verbuchen, erwartet hatte der digitale Versicherer einen Verlust von -9 bis 11 Millionen Euro. Knoll freute sich über die starke Unterschreitung der Prognose. 

Viele Projekte und Aktivitäten vorangetrieben

Knoll verwies in der Online-Bilanz-PK auch auf diverse andere Aufgaben, die sein Haus 2019 gestemmt hatte, so zum Beispiel den Umbau der Sachversicherung, die Einführung der Tierkrankenversicherung und die Umsetzung der arbeitgeberfinanzierten Pflegezusatzversicherung in der chemischen Industrie. Knoll stolz: „Wir haben die erste bundesweite, tarifvertragsgestützte, arbeitgeberfinanzierte Pflegezusatzversicherung initiiert“.

Diese Pflegezusatzversicherung soll für bis zu 580.000 Beschäftigte bei 1.900 Unternehmen der Chemie- und Pharmaindustrie zur Verfügung stehen und beinhaltet noch einen fakultativen Versicherungsschutz für Familienangehörige. Ab Mitte 2021 soll dieses Vorsorgeprojekt dann umgesetzt werde. Die DFV bietet die bundesweit branchenweite Pflegezusatz-Versicherung zusammen mit dem R+V-Konzern und den Barmenia Versicherungen an. Dass es geklappt hat, mit diesen Branchenzweigen einen Pflegevertrag zu schließen, war aber nur möglich, da die DFV an die Börse gegangen ist. Dies, so der Vollblut-Manager Knoll, sei eine wichtige Bedingung für das Zusammenkommen der beiden Partner gewesen. Und so hätten die DFV und der Chemiekonzern Henkel eben „Geschichte geschrieben“.

Zahl der Mitarbeiter soll um 55 Personen steigen

Und wie soll es 2020 weitergehen? Vor allem das Pflegeversicherungs-Angebot für die chemische Industrie, also die Umsetzung von "Careflex" und der weitere Ausbau der digitalen Strukturen mache es notwendig, dass die DFV ihren Personalbestand deutlich ausbaut. So haben laut Aussage von Knoll 2019 durchschnittlich 122 Menschen für den Versicherer gearbeitet. Für das laufende Jahr sollen aber gut 177 Personen für das Unternehmen aktiv werden. Dafür hat die DFV eine große Personalkampagne gestartet. Wohl nicht ganz ohne Erfolg, denn auf die 55 ausgeschriebenen Stellen hätten sich bereits 2.500 Personen beworben. „Wir brauchen jetzt kompetente Kräfte“, untermauerte Knoll die Bestrebungen seines Hauses. Aber auch beim Thema Künstliche Intelligenz will das Versicherungsunternehmen noch zulegen, außerdem seine Kooperationen ausbauen und sich noch stärker auf das Thema Nachhaltigkeit fokussieren.

Corona und die Zukunft der DFV

Und wie kalkuliert Knoll bei all diesen engagierten Plänen die Corona-Krise ein? Er sieht die Gefahren, glaubt aber vor allem, dass die aktuellen Vorsichtsmaßnahmen der Politik der falsche Weg sind und nur die Wirtschaftskraft von Deutschland gefährde. Er vermutet blinden Aktionismus und frägt sich: „Warum gibt es keine Ausgangssperre für Menschen über 70 Jahre oder warum ist ein 80 Millionen-Volk nicht in der Lage, öffentliche Hygiene zu organisieren?“ Aber um sein Unternehmen ist ihm aber erst einmal nicht bange, denn „unser Vertrieb, der zurzeit zu 80 Prozent online-basiert ist, zeigt keinerlei Eintrübungen“, frohlockt er. Und die Ergebnisse des ersten Quartals würden eine Hochrechnung erlauben, die eine deutliche Übererfüllung des Plans ergäben. Die nächsten Monate werden zeigen, ob die Realität den Optimismus von Knoll ausbremst oder nicht.

Italienische uns spanische Staatsanleihen verkauft

Die Kapitalanlage der DFV blieb durch die Corona-Krise natürlich nicht unberührt, vor allem durch die extreme Talfahrt der Märkte ausgelöst. Die Reaktion des Frankfurter Versicherers: Cash-Positionen aufbauen. Das heißt, dass sie ihre spanischen und italienischen Staatsanleihen verkauft haben. Denn Knoll ist überzeugt, „dass Italien nicht mehr auf die Füße kommt“. Hoffen wir, dass er hier die Lage falsch einschätzt.

 

Autor(en): Meris Neininger

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