Die Provisionsdiskussion ebbt nicht ab

740px 535px

Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hat heute ihr „Merkblatt zu wohlverhaltensaufsichtlichen Aspekten bei kapitalbildenden Lebensversicherungsprodukten“ veröffentlicht. Mit dem Merkblatt will sie sicherstellen, dass kapitalbildende Lebensversicherungen einen angemessenen Kundennutzen bieten.

Außerdem sollen Interessenskonflikte beim Vertrieb dieser Produkte vermieden werden. Das Merkblatt richtet sich an in- und ausländische Lebensversicherungsunternehmen unter Aufsicht der BaFin, die in den Anwendungsbereich der Versicherungsvertriebsrichtlinie (IDD) fallen und kapitalbildende Lebensversicherungsprodukte vertreiben.

BaFin will ihre "Erwartungen gegenüber der Branche kommunizieren"

BaFin-Exekutivdirektor Frank Grund kommentiert  das Vorgehen seines Hauses so: „Das Merkblatt ist ein wichtiger Baustein für unsere Aufsicht über die Anbieter von kapitalbildenden Lebensversicherungsprodukten. Denn neben der Prüfung einzelner Unternehmen ist es wichtig, unsere Erwartungen gegenüber der Branche zu kommunizieren.“

Der Schwerpunkt des Merkblatts liegt auf dem Produktfreigabeverfahren. Lebensversicherer sollen einen angemessenen Kundennutzen ihrer Produkte gewährleisten und die hierfür nötigen Prozesse einrichten. Die Produkte müssen die Bedürfnisse der Kundinnen und Kunden erfüllen, die der Versicherer zuvor als Zielmarkt bestimmt hat. Produkte müssen Renditeziele mit hinreichender Wahrscheinlichkeit erreichen. Bei der Festlegung von Renditezielen sollten Versicherer unterscheiden zwischen einem nominalen Anlageerfolg, also einer positiven Rendite nach Kosten, und einem realen Erfolg, also einer positiven Rendite nach Kosten und Inflation. Darüber hinaus sollen Fehlanreize im Vertrieb durch Vorgaben zur Vertriebsvergütung vermieden werden.

BaFin sieht wieder "Exzesse im provisionsgestützten Vertrieb", die zu verhindern sind

„Wohlverhaltensregeln haben eine besondere Bedeutung“, so Grund weiter. „Es geht darum, Exzesse im provisionsgestützten Vertrieb zu verhindern bzw. zu unterbinden.“

Dabei ist die BaFin überzeugt, einen risikobasierten Aufsichtsansatz zu folgen. Sie will in diesem Kontext vor allem die Versicherer näher prüfen, bei denen die Effektivkosten der kapitalbildenden Lebensversicherungsprodukte im Branchenvergleich sehr hoch seien; außerdem die Versicherer, deren Aufwendungen für Versicherungsvermittler auffällig hoch seien.

 

Votum sieht lediglich aufkommendes Bürokratiemonster

Der Vermittlerverband Votum sieht den BaFin-Entwurf kritisch und moniert die geplante Einführung einer zentralen Produktkontrolle, die bei ESMA und EIOPA angesiedelt werden soll. Der Verband sieht eher die Gefahr, dass die EU-Kommission mit dem Ziel des Verbraucherschutzes erneut lediglich den Bürokratiedschungel verdichtet.

Martin Klein gib zu bedenken: „Der vorliegende Entwurf macht den Eindruck, als ob McGuinness die Kapitalmarkt-Union mit der Brechstange erzwingen möchte. Sie will einheitliche Anlage- und Versicherungsprodukte trotz völlig unterschiedlich entwickelter nationaler Märkte. Hierbei setzt sie nicht auf Deregulierung und niederschwellige Marktzugänge, sondern auf noch mehr Bürokratisierung“.

Werden ESMA und EIOPA eine Art Produkt-Polizei?

Dem Entwurf nach sollen die europäischen Aufsichtsbehörden ESMA und EIOPA eine Art Produkt-Polizei werden, die insbesondere europaweite Kosten-Benchmarks für Kapital- und Versicherungsanlageprodukte vorgeben, befürchtet der Verband. Diese Benchmarks sollen die Leistungsmerkmale des Produkts sowie die Gesamtkosten und insbesondere die Vertriebskosten betreffen. Dies könnte einen europäischen Provisionsdeckel bedeuten und damit erneut einen Markteingriff, skizziert Klein ein mögliches Zukunftsszenario. 

„Wir haben bereits dem deutschen Gesetzgeber und der BaFin dargelegt, dass einheitliche Provisionsgrenzen für die unterschiedlichen Vertriebswege nicht angemessen sind und nicht zur Verbesserung des Beratungsangebots beitragen. Dies muss nunmehr erneut gegenüber den europäischen Gesetzgebern erfolgen. Die Vorgaben der Retail Investment Strategy für die Ausgestaltung von Beratungen sind in sich widersprüchlich: Zum einen sollen die Berater verpflichtet werden, weitere umfassende Produktanalyse sowohl im Leistungsbereich als auch im Kostensegment vorzunehmen, ohne dass zu erkennen ist, wie ihnen dieser Zusatzaufwand vergütet werden könnte. Zum anderen sollen Berater für ihre Kunden eine Art Zwei-Klassen-Beratungsangebot vorhalten. Die EU-Kommission hat zwar festgestellt, dass europäische Kleinanleger der Meinung sind, sie verfügen nicht über ausreichend Mittel und Kenntnisse, um am Kapitalmarkt zu investieren und scheuen deshalb das Risiko. Dennoch sollen Berater eine eingeschränkte Beratung anbieten, die nicht auf Kenntnisse und Erfahrungen der Anleger achtet und sich auf Standardprodukte beschränkt. Das Alles mit dem Ziel, Beratung vermeintlich „billiger“ zu machen. Aus unserer Sicht ein weiterer Irrweg.“

Kommissarin folgt "einer Ideologie anstatt eines faktenbasierten Politikansatzes"

Irritierend sei zudem, dass die EU-Kommission erneut nur den Bereich der provisionsbasierten Beratung mit Regulierung überziehe, aber kein Wort dazu verlierte das auch im Bereich der Honorarberatung Gefahren für Fehlentwicklungen bestünden. Auf diesem Auge bleibe die EU-Kommission blind. Letztendlich folge die Kommissarin einer Ideologie anstatt eines faktenbasierten Politikansatzes. Tatsächlich habe beispielsweise die jüngst veröffentliche Studie des ifa-Instituts dargelegt, dass gerade für Kleinanleger bei einem jährlichen Sparleistungen von 2.000 Euro eine Honorarberatung kostenineffizient sei. Klein wörtlich: "Wenn 50 Prozent der Europäer, wie die EU-Kommission darlegt, der Meinung ist, sie habe keine Mittel, um am Kapitalmarkt zu investieren, sollte es das Ziel sein, für diese weiterhin ein provisionsbasiertes Beratungsangebot aufrechtzuerhalten“, sagt der geschäftsführende Votum-Vorstand.

Das Fazit des Verbands: „Die Detail-Analyse des umfassenden Regelwerks wird mit kritischer Gründlichkeit geschehen. Was die EU-Kommission als vermeintliches Verbraucherinteresse erachtet, kann tatsächlich das Gegenteil bewirken. Es gilt eine Überbürokratisierung zu verhindern, die letztendlich dazu führt, dass Beratungsleistungen nur noch dem gutverdienenden Anleger angeboten werden können und der Kleinanleger auf der Strecke bleibt!“, kritisiert Klein.

Quellen: BaFin,Votum

Autor(en): versicherungsmagazin.de

Alle Branche News