Digitalisierung am Point of Advice?

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Bereits seit einigen Jahren bieten zunehmend Versicherer und Ratingunternehmen Maklern Unterstützung beim Abschluss von Berufsunfähigkeits-Versicherungen an. Wirklicher Fortschritt ist nicht erkennbar.

Der Versicherungsvertrieb ändert sich zunehmend, was sich nicht nur an den seit Jahren und zuletzt sogar verstärkt sinkenden Vermittlerzahlen zeigt. Innerhalb der letzten acht Jahre ist jeder vierte Vermittler aus dem Vermittlerregister verschwunden. Und wahrscheinlich müssten es noch deutlich mehr sein, wenn man inaktive ältere Makler von Amts wegen aus dem Register austragen würde.

Betriebswirtschaftlicher Druck steigt

Auch die aktuelle Diskussion um den vom Bundesfinanzministerium vorgelegten Entwurf eines Gesetzes zur Deckelung der Abschlussprovisionen in der Lebensversicherung spricht dafür, dass es betriebswirtschaftlich immer schwieriger wird, als Vermittler ein angemessenes Auskommen zu finden. Selbst wenn es der Branche gelingen sollte, diesen Angriff auf die Portemonnaies der Überbringer der schlechten Zinsbotschaften beim Kunden abzuwehren, wird der Konsolidierungsdruck auf die Branche weiter ansteigen.

Eine Reaktionsmöglichkeit könnte eine zunehmende Digitalisierung von Prozessen sein, um Arbeiten nicht mehrfach und personalintensiv manuell erbringen zu müssen. Ein solcher Fall ist die Risikoprüfung in der Berufsunfähigkeitsversicherung.

Traditionelle und moderne Verkaufsprozesse

Dafür bieten inzwischen zahlreiche Versicherungsunternehmen von A wie Allianz bis zu Z wie Zurich Tools an, mit denen jedenfalls Versicherungsmakler und Mehrfachvertreter nach den Erkenntnissen der aktuellen Asscompact-Studie "BU/Arbeitskraftabsicherung 2019" selbst prüfen können, ob ein Kunde in der Berufsunfähigkeitsversicherung annahmefähig ist, und zu welchen Bedingungen. Das erleichtert den Verkaufsprozess sehr.

Traditionell muss zunächst der Kunde in einer Phase 1 vom Produkt Berufsunfähigkeitsversicherung überzeugt und der Antrag mit Gesundheitsfragen aufgenommen werden, um ihn dann in Phase 2 vom oft genug vom Tarifbetrag abweichenden Angebot des Versicherers erneut überzeugen zu müssen. Häufig wird der Vermittler zwischen diesen Phasen auch noch zahlreiche Probeanträge aufnehmen und stellen, um die Angebote der Versicherer für die Phase 2 vorselektieren zu können. Manch ein Kunde wird in Phase 2 zudem wieder verloren gehen.

Erheblicher Aufwand der Versicherer

Auch bei den Versicherern entsteht erheblicher Aufwand. Die Anträge, zumal die Probeanträge, müssen geprüft und Angebote erstellt werden. Wesentlich einfacher erscheint es da, wenn der Vermittler gleich in der beschriebenen Phase 1 die Gesundheitsdaten in ein System eingeben und eine Rückmeldung erhalten kann, ob und gegebenenfalls mit welchem Risikozuschlag der Kunde versichert werden kann. Noch einfacher wird es, wenn ein Versicherer-übergreifendes System eines Ratinghauses verwendet wird. Die oben beschriebenen weiteren Abläufe können dann weitgehend entfallen, es sei denn, der Kunde hat eine elektronisch nicht ausreichend prüfbare Vorerkrankung.

Nutzungsgrad in den vergangenen Jahren nicht gestiegen

So sinnvoll die elektronische BU-Risikoprüfung erscheint, so wenig geht es voran mit deren Nutzung. Aktuell antworten immerhin 37 Prozent der rund 350 befragten Makler und Mehrfachvertreter, kein Risikoprüfungstool eines Versicherers überhaupt nur zu kennen, außerdem 28 Prozent kein Tool eines Ratinghauses wie Franke & Bornberg, Morgen & Morgen oder Softfair. Die von der bbg Betriebsberatungs GmbH seit mehreren Jahren gestellte Frage wird damit abgesehen von einigen Schwankungen, die mit der immer wieder etwas unterschiedlichen Auswahl und Anzahl an Teilnehmern zusammenhängt, praktisch gleich beantwortet. Auch 2017 hatten 34 beziehungsweise 24 Prozent der Befragten keine Kenntnis solcher Versicherer- beziehungsweise sonstiger Tools.

Derselbe Befund gilt für die Nutzung. Aktuell sagen 52 Prozent der Befragten, dass sie kein Versicherer-Risikoprüfungstool verwenden, und 30 Prozent auch kein Rater-Tool. Die Vergleichszahlen von 2017 lauten 32 und 30 Prozent. Fortschritt sieht anders aus. An der Qualität der Tools scheint es nicht zu liegen. So zeigt die Studie für neun Versicherer- und drei Rater-Tools durchgängig gute Beurteilungen der jeweiligen Nutzer, die durchschnittlichen Schulnoten schwanken nur zwischen 1,6 und 2,3.

Steigende Courtageeinnahmen

Die stagnierende Bereitschaft zur Nutzung ist insofern verwunderlich, als der Bereich private Vorsorge und Biometrie mit durchschnittlich 31 Prozent den größten Anteil verschiedener Geschäftszweige im Vermittlungsgeschäft ausmacht, vor privaten Schaden-/Unfallversicherungen (24 Prozent) und gewerblichen Schaden-/Unfallversicherungen sowie betrieblicher Altersversorgung (jeweils elf Prozent).

Auch sagen die 42 Prozent der Befragten, dass sich ihre Courtageeinnahmen speziell aus dem Arbeitskraftabsicherungs-Geschäft verbessert haben, im Gegensatz zu nur 12 Prozent mit einer Verschlechterung. Auch hierbei handelt es sich um einen sogar schon seit rund einem Jahrzehnt anhaltenden Trend.

Offenbar schlummern doch noch einige Effizienzreserven im Maklervertrieb, die gehoben werden könnten. Mit zunehmendem Druck von außen dürfte das zu einer Überlebensfrage für viele Maklerbetriebe werden.

Die vollständige Marktstudie "BU/Arbeitskraftabsicherung 2019"  kann kostenpflichtig bei der bbg Betriebsberatungs GmbH (E-Mail: stasch@bbg-gruppe.de) bestellt werden.

Autor(en): Matthias Beenken

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