Digitalisierung: neue Geisteshaltung gefordert

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Fintechs der ersten Generation bedrohen den klassischen Makler noch nicht im Bestand - aber niemand sollte sich täuschen, welches disruptive Potenzial in neuen digitalen Anwendungen liegt.

Ob die Digitalisierung und mit ihr das Auftreten neuer Geschäftsmodelle (Fintechs und Insurtechs) für Makler einen "Fluch oder Segen" darstellt, diese Frage stellte Peter Schneider auf der DKM. Der Geschäftsführer von Morgen & Morgen hatte sich dazu zwei Versicherungsvorstände, einen Makler- und einen Maklerverbunds-Vorstand auf das Podium geholt.

Erste Welle der Insurtechs hat wenig bewirkt
Anfangs wurde noch abgewiegelt, dass das Aufkommen digitaler Makler keine Disruption darstellt. "Kein Fintech ist bisher auch nur in die Nähe der Wirtschaftlichkeit gekommen", so Rainer Jacobus, Vorstandsvorsitzender der Ideal Versicherung. "Sackweise Widerrufe von Maklervollmachten" habe sein Unternehmen von überraschten Kunden erhalten.

"Wir haben als Makler keinen Grund, auf die Fintechs wie das Kaninchen auf die Schlange zu starren", ergänzte Manfred Bauer, Vorstand von MLP. Bei der Haftpflichtkasse Darmstadt gab es anfangs viele aufgeregte Anrufe von Maklern, warum der Versicherer Makleraufträge von Insurtechs bearbeite, berichtete Vorstand Roland Roider. Und Michael Franke, Charta Börse für Versicherungen AG, warnte davor, nun jeden Makler zu einem Fintech machen zu wollen.

Spektakuläre Geschwindigkeit

Doch die Diskussion zeigte sehr schnell, dass vor allem die nächste Welle der Digitalisierung von Geschäftsmodellen sehr ernst genommen werden muss. "Neu war die spektakuläre Geschwindigkeit", räumte Franke ein, die die Digitalmakler der ersten Stunde an den Tag legten.

Auch Bauer warnte davor, die Entwicklung "zu bagatellisieren". MLP hat darauf bereits reagiert und eine Kooperation mit dem Insurtech Massup vereinbart. Grund sei auch für ihn die hohe Entwicklungsgeschwindigkeit gewesen, die er im eigenen Unternehmen nicht habe kopieren können. Zwei Zielgruppen sollen angesprochen werden: Sehr junge Kunden, die in der Mobilwelt aufgewachsen sind, aber auch reifere Kunden.

Denn auch die würden zunehmend akzeptieren, dass nicht jede kleinere Versicherung in einem persönlichen Gespräch verkauft, sondern auf Hinweis des Verkäufers auch online selbst abgeschlossen werden kann. Das erleichtere die Prozesse im Vermittleralltag. Zudem will der Kunde "in zeitgemäßer Form einen Überblick über seine Verträge haben" statt Ordner voller Papier wälzen zu müssen.

Es gibt schon Disruptionen
Jacobus drückte es noch drastischer aus. "Glauben Sie nicht ernsthaft, dass sich die Nachwachsenden im Kaufverhalten ihren Eltern annähern." Und er forderte eine neue Geisteshaltung bei Versicherern und Vermittlern ein. Diese müssten sich auf das veränderte Kundenverhalten einstellen. "Kunden werden immer hybrider", meinte auch Bauer bezogen auf den Wechsel zwischen Online- und Offline-Welten bei der Suche nach Informationen, Beratung und Abschluss.

Und Roider ergänzte ein praktisches Beispiel aus dem Vertrieb von Rechtsschutzpolicen, die von einem spanischen Rechtsdienstleister betrieben wird, nachdem dieser sehr erfolgreich eine siebenstellige Zahl von Kunden mit Internet-Rechtsberatungen aufgebaut hat. Auch wenn das aufgrund der nationalen Vorschriften zur Rechtsberatung so nicht unmittelbar auf Deutschland übertragbar sei, "ist das schon disruptiv".

Vor kurzem noch undenkbar
Und wie gut selbst der Kernbereich des Maklers, Beratung und Produktauswahl bei komplexeren Produkten, bereits im Internet funktioniert, machte ein Makler aus dem Publikum deutlich. Noch vor kurzem habe er es für unmöglich gehalten, eine Betriebshaftpflichtversicherung für einen Gewerbebetrieb rein online abzuschließen. Durch ein Fintech sei er inzwischen eines Besseren belehrt worden. Das habe bei einem Test "Fragen gestellt, die ich nicht einmal gestellt hätte". Zwar hätte er im konkreten Fall dem Kunden noch eine günstigere Prämie, aber keineswegs ein grundsätzlich besseres Produkt beschaffen können.

Zum Thema Produkte räumte Roider ein, Versicherer hätten in der Vergangenheit Versicherungen zu sehr auf die eigenen und die Maklerbedürfnisse, nicht aber primär auf Kundenbedürfnisse zugeschnitten. Dafür müssten auch bisherige Vorstellungen von "Dauerschuldverhältnissen" und langfristigen Versichertenkollektiven in Frage gestellt werden, machte Franke am Beispiel situativer Versicherungen deutlich.

Versicherer sollten Prozesse überdenken
Aber es geht nicht nur um die Schnittstelle zum Kunden, sondern auch zwischen Versicherer und Makler sowie innerhalb des Versicherers. "Ein schlechter Prozess wird nicht durch Digitalisierung zu einem guten Prozess", warnte Jacobus und formulierte die Anforderung an die Versicherer, zuerst ihre Prozesse zu überdenken. Ein gelungenes Beispiel ist für Franke die Rechnungs-App in der Krankenversicherung.

Wert der Beratung bewusst machen
Für die Makler hatte Jacobus eine klare Botschaft im Gepäck: Künftig werden Versicherer nur noch mit Maklern zusammenarbeiten, die sich digitalen Prozessen stellen. "Wir werden uns nichts anderes mehr leisten können", begründete er dies mit Verweis auf Regulierung und Kostendruck.

Aber er beklagte auch die "Erbsünde" der Versicherungswirtschaft: "Wir haben den Wert der Beratung systematisch kaputtgeredet". Den Kunden sei stets suggeriert worden, die Beratung sei kostenlos, beziehungsweise sie werde vom Versicherer bezahlt. Der Politik müsse deutlich gemacht werden, dass eine gute Beratung einen angemessenen Preis kosten muss.

Autor(en): Matthias Beenken

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