Einführung von Unisex-Tarifen: Viel Lärm um nichts?

Der Europäische Gerichtshof hat kürzlich beschlossen, dass Frauen und Männer nicht länger unterschiedliche Versicherungsprämien zahlen müssen. Spätestens ab Dezember 2012 soll gelten: Für gleiche Versicherungen zahlen Frauen die gleichen Prämien wie Männer. Keine Diskriminierung mehr wegen der höheren Lebenserwartung, so die Position der FinanzFachFrauen.

„Natürlich weisen Frauen und Männer Unterschiede auf. Aber das darf kein Grund sein, die Beiträge zu differenzieren“, sagt Regina Weihrauch von den FinanzFachFrauen in Göttingen. Zumal diese Unterscheidung meistens zum Nachteil der Frauen geschieht. Eine Recherche des Handelsblatts im Oktober 2010 hätte ergeben, dass Frauen im Schnitt 1.500 Euro mehr an Versicherungsprämien im Jahr zahlen als Männer.

Verstoß gegen Artikel 3 - von männlichen Chef-Etagen ignoriert
Es sei erlaubt, Risikomerkmale wie Rauchen, Übergewicht oder Motorradfahren zu berücksichtigen, denn diese Merkmale sind von einem selbst beeinflussbar. „Aber als Frau wird man geboren, das können wir nicht beeinflussen.“ Es sei nur bisher herrlich bequem für die Risikobeurteilung, nach Geschlecht zu differenzieren. Dass die Versicherer damit gegen Artikel 3 des Grundgesetzes verstießen, hätte die überwiegend männlich besetzten Chef-Etagen der Gesellschaften und Verbände herzlich wenig gestört. Enttäuschend zeigt sich der Zusammenschluss der Finanzberaterinnen aus Hildesheim über die Reaktionen der Versicherungswirtschaft und Verbände, wie dem BVK. Bei diesen werde unisono ins Horn gestoßen, dass es nun einmal Unterschiede zwischen Frauen und Männern gäbe und diese berücksichtigt werden müssten.

Bei generellem Beitragsanstieg: Verdacht der Gewinnmaximierung
Dass Versicherungen nun steigende Beiträge androhten, wäre absehbar gewesen. Gerecht wäre allerdings lediglich eine Mischprämie wie bei der Riester-Rente. Stiegen die Beiträge generell, würfe dies den Verdacht auf, dass lediglich Gewinne maximiert werden sollten und mit dem EuGH-Urteil lediglich ein Vorwand dafür gefunden wurde. „Wir Frauen müssen aufpassen, dass die Diskussion nicht auf unserem Rücken ausgetragen wird und dürfen dieser plumpen und einfachen Argumentation nicht folgen“, warnt Regina Weihrauch. Unisex-Tarife seien gerecht. Deshalb sollten sich alle schnell daran gewöhnen und sie akzeptieren.

Standard & Poor`s Position: Keine Auswirkung auf Kreditwürdigkeit der Versicherer
Standard & Poor’s Ratings Services erklärte kürzlich, dass die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs von letzter Woche, wonach eine Unterscheidung der Versicherungsbeiträge nach Geschlecht nicht länger zulässig ist, voraussichtlich keine Auswirkung auf die Kreditwürdigkeit der europäischen Versicherer haben wird. Die Neuregelung gilt ab dem 21. Dezember 2012. Durch sie entfällt allerdings ein wesentlicher Parameter, den viele Versicherer bei der Kalkulation der Prämien zur Einschätzung des Risikos nutzen.

Standard & Poor’s geht davon aus, dass die Neuregelung negative Auswirkungen auf die Wettbewerbsposition solcher Versicherer haben könnte, deren Geschäftsmodell auf Frauen oder Männer als Zielgruppe ausgerichtet ist und die bei ihrer Preispolitik entsprechend nach Geschlecht differenzieren. Allerdings ermögliche die zweijährige Frist bis zur Umsetzung der neuen Regelung eine strategische und taktische Umorientierung, wie etwa eine stärkere Orientierung an Berufsgruppen als Differenzierungsmerkmal.

Leichte Entspannung im Preiswettbewerb möglich
In der Schaden-und Unfallversicherung könnte die Neuregelung aus der Sicht der Ratingagentur jedoch zu einer Verbesserung der Ergebnissituation führen. Insbesondere in Sparten mit einer umfangreichen Tarifdifferenzierung, wie in der Kfz-Versicherung, sei aufgrund der Änderung einer leichte Entspannung im Preiswettbewerb möglich.

Die Einführung der "Unisex-Tarife" ist auch Thema des Editorials in der April-Ausgabe von "Versicherungsmagazin".

Quellen: Standard & Poor’s, FinanzFachFrauen

Autor(en): versicherungsmagazin.de

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