Fahrerassistenzsysteme: Vorsichtige Annäherung zweier Kontrahenten

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Die neuen mobilen Trends in der Automobilbranche interessieren und tangieren zunehmend die Kfz-Versicherer. So werden aus früheren Gegnern – oft gezwungenermaßen – potenzielle Kooperationspartner. Folglich war es nur logisch, dass auf der 3. Internationalen ATZ-Fachtagung „Automatisiertes Fahren“ auch Versicherer vor Ort waren und das Versicherungsmagazin.

„Fahrerassistenzsysteme - Die Zukunftsstrategien der Versicherer“ war der Tagungsstrang für Versicherer auf der zweitägigen Veranstaltung im Palmengarten in Frankfurt am Main überschrieben. Vertreter von Erst- und Rückversicherern präsentierten auf dieser international besetzten Tagung ihre Versicherungskonzepte für automatisiertes Fahren, skizzierten die neuen Herausforderungen für die traditionellen Versicherer und sensibilisierten die Teilnehmer für die neuen Haftungsrisiken und den Umgang mit diesen.

Erste Kooperationsideen formuliert
Auf der Agenda der Frankfurter Tagung wurde rege diskutiert über die Auswirkungen der Assistenzsysteme auf die Kraftfahrtprämie, wie Kfz-Versicherungsprodukte in Zeiten des autonomen Fahrens aussehen müssen und welche Lösungen die klassischen Versicherer für die neue Mobilität haben. In großen und kleinen Runde tauschten sich die Ingenieure und Vertriebsexperten der Versicherungswirtschaft rege aus, nahmen Anregungen der Gegenseite auf und formulierten erste Kooperationsideen.

Dr. Peter Ackermann, der den Bereich Kraftfahrtversicherung bei der Gothaer Allgemeine in Köln leitet, veranschaulichte in seinem Vortrag, mit welchen Vor- aber auch Nachteilen Assistenzsysteme verbunden sind. So vertrat er die Ansicht, dass Notbremsassistenten gerne zu einer riskanteren Fahrweise führen können. O-Ton Ackermann: „Auch ABS-Systeme haben dazu geführt, dass wir nur mehr auffahren und später bremsen“. Auch bei den bisherigen Notbremsassistent-Systemen wäre nicht der große Wurf dabei gewesen. Problematisch sei auch die Tatsache, dass Assistenz-Systeme die Schäden an den Fahrzeugen verteuerten.

Zusätzliche Rabatte für Assistenzsysteme
Kritisch sieht er auch die Überlegung, eine neue, zusätzliche Gefährdungshaftung seitens der Hersteller einzuführen. Diese bringe weder Vorteile für die Verkehrsopfer noch für die Fahrzeugnutzer beziehungsweise Verbraucher. Vorteile für den Kunden brächten hingegen zusätzliche Rabatte für Assistenzsysteme und für umsichtiges Fahrverhalten (Telematik-Tarife), das die heutigen Schadenfreiheitsrabatte kalkulatorisch reduzieren würde.

Bei allen Rabatt-Aktivitäten müsse man aber immer den Wunsch des Kunden im Auge behalten. Und nur unter diesem Aspekt, solle sich der Versicherer für eine Flat-Rate, einen KM-Tarif oder eine KM-genaue Abrechnung entscheiden.

Kein Stein mehr auf dem anderen: Die Kfz-Versicherung in 15 Jahren

Ein drastisches, aber doch realistisches Bild der Kfz-Versicherungssparte zeichnete Marc-Oliver Matthias, Leiter Innovation Lab der R+V Allgemeine Versicherung AG. Matthias ist überzeugt, dass es in bis zu 15 Jahren die bislang bekannte und etablierte Wertschöpfungskette in seiner Sparte nicht mehr geben wird und „eine extreme Konsolidierung“ diese prägen wird. Genauso extrem werde auch die Zahl der Wettbewerber zunehmen, die nicht aus dem Versicherungssektor kämen. Sicher werde es in 15 Jahren noch die Kfz-Versicherung geben, aber genauso wie es heute noch Kutschen gebe.

Zudem würde es besonders für junge Menschen immer weniger relavant, etwas zu besitzen, so auch der Besitz des Führerscheins oder eines Autos. Dies verlange von allen Marktteilnehmern und eben auch von den Versicherern ganz neue Mobilitätskonzepte. „Eine bislang immer wieder geforderte evolutionäre Entwicklung wird uns künftig nicht mehr helfen, auch ein starker Vertrieb nicht. Denn mit dem automatisierten Fahren bricht uns unser Risiko weg“. Das wesentliche Asset der Zukunft könne folglich nur das Produkt sein. Nicht mehr die klassische Versicherung, sondern die Versicherung + Mehr.

Traditionalisten auch Revolutionäre?

Die R+V und andere Versicherungsunternehmen wie die Allianz oder Axa testen diese neue Versicherungswelt und ihre Mobilitätslösungen der Zukunft in ihren so genannten Innovation Labs aus. Im Juni will die R+V eine erste Idee präsentieren. Dann wird sich zeigen, ob Traditionalisten auch Revolutionäre sein können.

Bild: Meris Neininger

Autor(en): Meris Neininger

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