Fast jede 10. Schadenmeldung ist dubios

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Nach einer Sonderauswertung des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) weisen rund neun Prozent der gemeldeten Schäden in der Kraftfahrt-, Haftpflicht- und Sachversicherung Ungereimtheiten auf. Der Analyse zufolge liegt der Anteil so genannter Dubiosschäden in der Haftpflichtversicherung bei knapp 16 Prozent, in der Sachversicherung bei etwa neun Prozent und in der Kraftfahrtversicherung bei rund sieben Prozent.

Für die GDV-Sonderauswertung hatten Betrugsspezialisten der Versicherer mehrere tausend Schadenfälle begutachtet.

Als dubios werden Schadenmeldungen bezeichnet, die nicht stimmig sind: Häufig passt die Schadenschilderung nicht zum Schadenbild, die Betroffenen machen widersprüchliche Angaben oder reichen manipulierte Kaufbelege ein. „Natürlich ist die weitaus überwiegende Mehrheit unserer Kunden ehrlich und nicht jede dubiose Schadenmeldung ist ein Fall von Versicherungsbetrug“, sagt Roland Stoffels, Vorsitzender der Kommission Kriminalitätsbekämpfung im GDV. „Nichtsdestotrotz müssen Versicherer dubiose Schadenfälle eingehender prüfen und auf diese Weise Versicherungsbetrug entgegentreten – denn die Betrüger bereichern sich auf Kosten unserer ehrlichen Kunden.“

Versicherungsbetrüger verursachen Kosten in Milliardenhöhe
Insgesamt gehen die Schaden- und Unfallversicherer davon aus, dass Versicherungsbetrüger jedes Jahr einen wirtschaftlichen Schaden in Höhe von vier bis fünf Milliarden Euro verursachen. „Die Ergebnisse der Sonderauswertung decken sich mit unserer bisherigen Schätzung, wonach zehn Prozent der Schadenzahlungen von Betrügern gefordert werden“, sagt Stoffels.

Nach wie vor hält sich hartnäckig der Gedanke, dass Versicherungsbetrug ein Kavaliersdelikt sei. Das ist ein Trugschluss, denn Versicherungsbetrug ist strafbar. Wird ein Betrug nachgewiesen, muss der Versicherer nicht für den Schaden aufkommen. Außerdem kann er den Versicherungsvertrag kündigen, Sachverständigenkosten zurückverlangen und den Fall zur Anzeige bringen. Bei einer Verurteilung drohen Betrügern hohe Geldstrafen oder sogar Gefängnis.

Versicherungsmagazin greift das Thema "Versicherungsbetrug" auch immer wieder auf. So unter anderem in einem Interview mit Timo Heitmann. Nachfolgend ein Auszug aus diesem:


Jeder zehnte Versicherungsschaden ist manipuliert, schätzt die Versicherungswirtschaft. Einer, der ganz praktisch damit zu tun hat, ist Timo Heitmann (im Bild), Schadenregulierer der Gothaer. Bekannt ist er vor allem über die TV-Serie "Die Versicherungsdetektive". Im Gespräch mit Versicherungsmagazin verrät er, ob die Fernsehfälle echt sind, und was Vermittler beachten müssen, wenn ihnen Verdachtsfälle begegnen.

Versicherungsmagazin: Warum machen Sie unter anderem in der RTL-Serie "Die Versicherungsdetektive" auf das Thema Versicherungsbetrug aufmerksam?
Heitmann: Der GDV hat geschätzt, dass jeder zehnte Schaden manipuliert ist, und dass jedes Jahr vier Milliarden Euro zusätzlicher Schaden durch Versicherungsmissbrauch entsteht. Das macht Versicherungen teurer, als sie es sein müssten. Und mehr als jeder Fünfte der Befragten denkt, die Versicherung zu hintergehen sei nur ein Kavaliersdelikt. Allerdings ist das Thema Schadenregulierung und Ermittlung von unklaren Fällen nicht sehr populär.

Im Alltag scheitert es doch schon daran, überhaupt eine Botschaft an ausreichend viele Adressaten und dies zudem in angemessener Weise zu senden. Da hilft uns die Serie von RTL enorm, um Sensibilität dafür aufzubauen, dass Versicherungsbetrug allen Kunden schadet, die Versicherungen den Missbrauch bekämpfen und den Betrügern ernsthafte Konsequenzen drohen. Der besondere Vorteil ist hierbei, dass sich die Zuschauer von sich aus dem Thema öffnen und wir es niemandem aufdrängen.

Versicherungsmagazin: Handelt es sich hierbei immer eindeutig um Betrug?
Heitmann: Das ist nicht ganz leicht zu beantworten. Aus der Untersuchung des GDV wissen wir, dass 65 Prozent der Betrugsschäden zwar stattgefunden haben, aber nicht so wie sie geschildert wurden. In jedem dritten Fall wurde die Schadenhöhe überzogen dargestellt. Dagegen sind nur vier Prozent der problematischen Schadenfälle gar nicht eingetreten, wurden also erfunden. Aber wo fängt der Betrug an? Ich sehe in meinem Alltag als Regulierer immer wieder Fälle, wo die Darstellung vor Ort zumindest in Details revidiert wird, wenn man den Schadenhergang hinterfragt. Fast jeder zehnte Schaden im Elektronikbereich wird sogar freiwillig zurückgezogen, wenn man einfach nur ankündigt, tiefere Ermittlungen anzustellen.

Versicherungsmagazin:
Werden auch Anzeigen erstattet, wenn Sie Versicherungsbetrug feststellen? Schreckt das nicht schon die Kunden vor Betrug ab?
Heitmann: Viele Kunden sind sich gar nicht darüber im Klaren, was sie mit ihrem Verhalten riskieren. Die Strafen für Versicherungsbetrug sind im Strafgesetzbuch geregelt. Es werden empfindliche Geldstrafen verhängt, der Gesetzgeber sieht in manchen Fällen sogar Freiheitsentzug vor, in Härtefällen bis zu zehn Jahren. Hier muss aus meiner Sicht viel Aufklärungsarbeit geleistet werden, um die Menschen zu sensibilisieren und falsche Moralvorstellungen wieder auf ein gesundes Maß zu bringen.

Quellen: GDV, Versicherungsmagazin (Matthias Beenken) Bild: © GDV

Autor(en): versicherungsmagazin.de

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