Finanzdienstleister erkennen Chancen und Risiken von Homeoffice

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Fast drei Viertel der befragten Experten aus der Finanzdienstleistungsbranche sagen, dass Homeoffice in ihrem Unternehmen ein voller Erfolg ist. Auch knapp zwei Drittel der Führungskräfte befürworten Homeoffice. Und fast alle Mitarbeiter erwarten, in Zukunft vermehrt im Homeoffice arbeiten zu können. So eine aktuelle Studie des Forschungs- und Beratungsinstituts Organomics, die Bewertungen und Erfolgsfaktoren von Führung auf Distanz untersuchte.

Aber: Mehr als 60 Prozent der Befragten stellen fest, dass die Homeoffice-Situation den Mitarbeitern auch Probleme bereitet. Und die Hälfte der Führungskräfte nimmt Führung auf Distanz als schwierig in der Umsetzung wahr. Dies sind Ergebnisse einer bundesweiten Expertenbefragung des Forschungs- und Beratungsinstituts Organomics aus Köln. Es wurden 106 Experten aus Banken (also Geschäfts-, Privat- und Volksbanken, Sparkassen und andere Finanzinstitute) sowie Versicherern zur Beurteilung der Umstellung auf Homeoffice und den damit einhergehenden Herausforderungen für Führungskräfte, Mitarbeiter und Unternehmen befragt. Zudem wurden die Erfolgsfaktoren für eine effektive Umsetzung der Führung auf Distanz analysiert.

Insbesondere Versicherer sorgen für leere Büros

Den Finanzdienstleistern gelang es bereits während der ersten Corona-Welle, ihre Mitarbeiter schnell und umfangreich in das Homeoffice zu transferieren. So konnten 66 Prozent der Versicherer und immerhin 18 Prozent der Banken 81 bis 100 Prozent ihrer Belegschaft im Homeoffice arbeiten lassen. In den Banken konnte sich der Anteil von Mitarbeitern, die teilweise oder ganz im Homeoffice arbeiten, im Mittel von 13 Prozent (vor Corona) auf 49 Prozent (auf dem Höhepunkt der ersten Welle) vergrößern. Bei den Versicherern war die Entwicklung noch deutlicher: Von 20 Prozent entwickelte sich der durchschnittliche Anteil von Homeoffice-Mitarbeitern auf 79 Prozent.

Für den Erfolg sind besondere Anstrengungen notwendig

Diese Verschiebung der Mitarbeiter ins Homeoffice gelang nur mit großen Kraftanstrengungen seitens der Unternehmen. In knapp zwei Drittel der Betriebe musste kurzfristig in neues Equipment investiert werden, um das Homeoffice umfänglich nutzen zu können. Es wurden Task Forces gebildet, die Führungskräfte geschult (59 Prozent) und die Erfahrungen bei Mitarbeitern und Führungskräften abgefragt (81 Prozent). Aber die Anstrengungen haben sich gelohnt: Immerhin 72 Prozent der befragten Experten bewerten das Homeoffice als vollen Erfolg. Dies lässt sich auch am geringeren Krankenstand ablesen (bei 48 Prozent der Befragten) sowie der gestiegenen Produktivität (bei 38 Prozent) und Mitarbeiterleistungen, die mindestens so hoch sind wie vor der Corona-Krise (70 Prozent). Und so erkennen die Mitarbeiter eher die Vor- denn die Nachteile (83 Prozent), was in ähnlicher Form auch für viele Führungskräfte (63 Prozent) gilt.

Probleme durch fehlende soziale Kontakte

Allerdings gibt es auch Probleme: Bei den Mitarbeiter sehen die Experten insbesondere den fehlenden Austausch mit den Kollegen (90 Prozent) sowie die Entgrenzung von Arbeit und Freizeit (63 Prozent). Bezogen auf die Führungskräfte sind es Schwierigkeiten in der Wahrnehmung von Mitarbeiterproblemen im Homeoffice (68 Prozent) sowie die Umsetzung von Führung auf Distanz (51 Prozent). "Wer als Führungskraft bisher permanent von seinen Mitarbeitern umgeben war, kann schnell mit der neuen Situation überfordert sein.", sagt Dr. Thomas Bittner, Geschäftsführer bei der Organomics GmbH. "Eine hohe Kontrollmotivation ist in dieser besonderen Situation eher hinderlich. Loszulassen und vertrauensbasiert zu gewähren ist auch ein Lernprozess."

Erfolgsfaktoren für Führung auf Distanz

Zwar haben immerhin 59 Prozent der Unternehmen Führungskräfte-Trainings durchgeführt, diese scheinen jedoch nicht bei allen Teilnehmern zu fruchten. Auf die offene Frage nach den Gründen für den Misserfolg von Führung auf Distanz in den Unternehmen sind 51 Prozent der Antworten der Kategorie Führungsqualität zuzuordnen. Die Analyse der Erfolgsfaktoren für erfolgreiches Homeoffice und wirksame Führung auf Distanz zeigt deutlich, dass es eben nicht die klassischen Steuerungsinstrumente wie Aufgabenlisten, Projektmanagement-Tools oder Dokumentenkontrollen sind, die unmittelbar erfolgswirksam sind. Es sind vielmehr Strategien des flexiblen Umgangs mit Arbeitszeiten, der individuellen Unterstützung einzelner Mitarbeiter, der persönlichen Kommunikation (Videokonferenzen!) oder der Arbeit an der Teamidentität im virtuellen Raum, die erfolgreich sind und daher von den Führungskräften angewandt werden sollten. Dabei ist es zudem von Vorteil, wenn sich die Führungskraft als Vorbild wahrnimmt und entsprechend agiert. Diese Maßnahmen sind unmittelbar nützlich, werden aber noch zu selten umgesetzt.

"Die Führungskräfte sollten der Unsicherheit der Mitarbeiter etwas entgegensetzen können.“, sagt Dr. Thomas Bittner. "Hier geht es nicht um geheimnisvolle Fähigkeiten oder taktisches Handeln, sondern um eine Haltung im Umgang mit den Mitarbeitern, die einerseits Einsicht und andererseits Übung erfordert."

Für die befragten Experten ist das Vertrauen in die Leistungsbereitschaft der Mitarbeiter eine unbedingte Voraussetzung für den künftigen Erfolg von Homeoffice. Sie bleiben gleichzeitig realistisch, wenn es um die teilweise mangelnde Befähigung der Führungskräfte geht, die Mitarbeiter effektiv zu begleiten. Dies ist umso kritischer, weil die Führung auf Distanz in einer sich rasant verändernden Arbeitswelt eine weitaus größere Rolle spielen wird als bisher.

Weitere Studieninformationen

Die kompletten Ergebnisse der aktuellen Expertenbefragung können kostenpflichtig über die Organomics GmbH bezogen werden. Die Studie enthält zahlreiche Analysen und Differenzierungen nach Banken, Sparkassen und weiteren Finanzinstituten versus Versicherungsunternehmen sowie Erfolgsfaktoren für wirksame Führung auf Distanz. Die Organomics GmbH ist ein unabhängiges Forschungs- und Beratungsinstitut mit Sitz in Köln. Das Unternehmen berät zu wichtigen Themen wie Führungsprofessionalisierung, Arbeitgeberattraktivität und Customer Relations. Geschäftsführer der 2011 gegründeten Organomics GmbH ist Management-Berater Dr. Thomas Bittner.

Grafik unten: von dunkelgrün "stimme voll und ganz zu" bis dunkelrot "stimme gar nicht zu"

Autor(en): Dr. Thomas Bittner, Geschäftsführer Organomics GmbH (Mail: thomas.bittner@organomics.de)

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