Flucht in Run-Off vertreibt auch die Kunden

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Einige Lebensversicherer sind dazu übergegangen, Teile ihrer Bestände an Run-Off-Plattformen zu übertragen. Ein Weg, den die Lebensversicherer im Zuge des niedrigen Zinsumfeldes vermehrt gehen oder gehen wollen. "Doch ein Run-off ist keine Allzweckwaffe, sie ist nur ein mögliches Mittel von vielen", zeigte sich Michael Klüttgens, Geschäftsführer bei der Willis Towers Watson GmbH, auf der MCC-Fachkonferenz „Lebensversicherung aktuell“ in Köln überzeugt.

Die Entscheidung für ein Run-off wird Lebensversicherern nun auch leichter gemacht. Der Grund: Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) hat Anfang des Jahres 2017 erstmalig die Übertragung von klassischen Lebensversicherungsbeständen an externe Abwickler zugelassen.

Alternativmodell für kostengeplagte Versicherer mit drei Partnern
 Auf der MCC-Tagung zu den aktuellen Lebensversicherungstrends skizzierte Klüttgens auch ein interessantes Alternativmodell, das aber wirtschaftlich ähnliche Effekte wie ein Verkauf mit sich bringen soll. Bei dem Modell bleibt das LV-Geschäft in den Büchern des kostengeplagten Versicherers, es gibt daneben aber noch drei Player im neuen Arrangement. Ein Partner, der den Betrieb übernimmt, ein Private Equity Manager mit einem Rückversicherer im Schlepptau und ein weiterer Rückversicherer, der die versicherungstechnischen Risiken übernimmt. Klingt nach einem komplexen Konstrukt, laut Klüttgens aber ein gangbarer Weg für verkaufswillige Lebensversicherer. Auf jeden Fall sei es auch ein besseres Modell für die Kunden, als in einem instabilen System zu verbleiben, in dem das Neugeschäft austrockne.

Service für Kunden massiv eingeschränkt
Ganz so tiefenentspannt sah Dr. Reiner Will, seines Zeichens Geschäftsführer der Assekurata Assekuranz Rating-Agentur, die Sache nicht. Er wies die Tagungsteilnehmer auf ein nicht unerhebliches Transparenz-Problem hin. Seines Erachtens stehe der Kunde bei einem Run-off einem ganz anderen Geschäftsmodell gegenüber als demjenigen, in das er anfänglich investiert habe, nämlich in ein Versichertenkollektiv. Das neue Kollektiv sei nun geschlossen, das Neugeschäft finanziere nun ja nicht mehr den Bestand. Aber nicht nur dies sei problematisch. Sondern auch, dass der Service für die Kunden wahrscheinlich massiv eingeschränkt werde und auch der Informationsfluss an diese weitgehend unterbrochen sei.

Versicherer müssen Sicherheit bieten
Ob der Kunde bei Vertragsabschluss wirklich den Kollektiv-Gedanken im Hinterkopf gehabt hätte, hielt Herman-Josef Tenhagen, Chefredakteur von Finanztip, dann doch für fragwürdig. Diese würden sich viel eher fragen, warum nicht die Großen der Versicherungsbranche die Bestände wollten. Eine Verunsicherung würde sich breit machen. Tenhagen wörtlich: "Die Flucht der Lebensversicherer in den Run-off führt am Ende nur dazu, dass auch die Kunden fliehen". Diese Position unterstrich Tenhagen noch mit der einfachen, aber nicht von der Hand zu weisenden Weisheit: "Sie sind VERSICHERER, Sie müssen den Menschen SICHERHEIT geben!" 

Kommunikation nicht sauber gelaufen
Einig waren sich die drei Herren aber darin, dass bei der Run-off-Offensive nicht nur die Presse mit "falschem ein-Drittel-Wissen", so der Wortlaut von Klüttgens, Verunsicherung geschürt habe, sondern auch die Kommunikation einiger Versicherungsexperten "nicht sauber gelaufen ist". Und die Branche müsse endlich dafür sorgen, dass ihre Reputation besser und diese nicht nur durch die Unterstützung der Bafin gestützt werde.   

Doch einige Versicherer wie die Allianz und die Nürnberger beteuern vollmundig, dass die Übertragung ihres LV-Geschäfts an Run-off-Unternehmen – auch langfristig – nicht in Frage kommt. O-Ton Claudia Kamppeter, Fachbereichsleiterin Maklervertrieb Nord der Allianz Lebensversicherungs-AG: „Für Allianz Leben ist die Bestandsübertragung kein Thema. Unsere Geschäftspartner wissen, dass sie sich auf uns verlassen können. Wir stehen zu unseren Kunden und möchten weitere Kunden gewinnen, nicht loswerden.“

Investieren noch stärker in den Vertrieb
Und Jürgen Wahner, Direktor den Bereich Maklervertrieb der Nürnberger, bläst ins gleich Horn: "Wir stehen zu unserer Verantwortung gegenüber Kunden und Maklern. Und daher geben wir das Versprechen ab: Ein Run-off kommt für uns nicht in Frage. Die Lebensversicherung ist und bleibt unser Kerngeschäft. Wir bekennen uns nicht nur zu ihr, wir investieren sogar noch stärker in den Vertrieb und in die Kundenberatung rund um die Alters- und Risikovorsorge."

Autor(en): Meris Neininger

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